Reine Männerrunden, Fechtkämpfe, ein Schmiss im Gesicht, lebenslange Mitgliedschaft und politisch eher rechtsorientiert: Beinahe unweigerlich wandern die Gedanken bei dem Wort „Studentenverbindung“ in diese Richtung. Doch werden die Jahrzehnte alten Stereotypen den – zumindest Konstanzer – Studentenverbindungen im Jahr 2019 noch gerecht?
Verbindungen wie die Corps Saxonia, Bayuvaria Konstanz oder KDStV Bodensee antworteten auf mehrere Gesprächsanfragen des SÜDKURIER entweder gar nicht oder „erlaubten sich, mitzuteilen“, dass derzeit kein Interesse an einem Treffen bestehe. Interesse kam letztendlich nur von zwei Verbindungen aus der Altstadt: Der Männerbund Rheno Alemannia und die für alle offene Verbindung TV Cimbria stellten sich den Fragen.
Antworten nur anonym
Die zwei Cimbrianer möchten aus Gründen der Anonymität – und wegen des noch immer zweifelhaften Rufs von Studentenverbindungen – nicht mit ihrem Klarnamen genannt werden. Dafür aber mit ihren sogenannten „Biernamen“, den jedes neue Mitglied im Laufe der Zeit annimmt. Tweety, eine 20-Jährige Studentin, ist seit Ende 2017 dabei. Guinness ist zwei Jahre älter, ebenfalls Student und seit 2018 Mitglied in der Verbindung.
Für immer? Nein. Verbindungen sind heute in der Regel als eingetragene Vereine konzipiert, und ein Austritt ist jederzeit möglich. Wie Tweety und Guinness erläutern, ist es im Sinne des umgekehrten Generationenvertrages jedoch üblich, dass Mitglieder – sobald sie Geld verdienen – einen Beitrag an die Studentenverbindung bezahlen. In erster Linie, um die immer teurer werdende Miete mitzufinanzieren. Bei der TV Cimbria, so viel dürfen die beiden verraten, beläuft sich der Mitgliedsbeitrag auf 120 Euro im Jahr.
„Echte Werte“
Guiness ist stolz darauf, Mitglied zu sein, denn „wir vertreten echt gute Werte“ – das seien gerade keine politischen, dafür werde aber Toleranz großgeschrieben. Nach einem ersten Probesemester ist Tweety, wie letztendlich auch Guinness, wegen der Freundschaften und dem Gemeinschaftsgefühl geblieben.
Bei Freunden, die sie nicht aus der Verbindung kennen, machen sie um ihre Mitgliedschaft keinen Hehl. Zunächst sei die Verblüffung immer groß, erzählen die beiden. Doch sobald der Grund – wie die gegenseitige Unterstützung im Studium und die eine oder andere Feier – genauer erklärt werden, würden sich die anfänglichen Ressentiments meist wieder schnell legen.
Als konservativer gilt die Burschenschaft Rheno Alemannia. Mit ihrem Leitspruch „Ehre, Freiheit, Vaterland“ verpflichtet sie sich den demokratischen Grundsätzen Deutschlands. Kai Einzmann ist 23 Jahre, studiert BWL und Chinesisch an der HTWG und zählt seit 2015 zur Burschenschaft. Voraussetzungen dafür sind: männlich, ein deutscher Pass – die ethnische Herkunft sei dabei nicht von Bedeutung – und Student.
Wunsch nach guten Beziehungen
Kai Einzmanns Motivation, zu Beginn seines Studiums in eine Verbindung zu gehen: Er wollte während der Studienzeit nicht nur oberflächliche Freunde kennenlernen. „Sollten sich keine tieferen Beziehungen bilden, wäre das verschwendete Zeit“, erklärt der 23-Jährige.
Im Gegensatz zu TV Cimbria muss ein Grundinteresse an Politik bei einem Beitritt in die Rheno Alemannia durchaus vorhanden sein. Eine politische Richtung gebe es dabei allerdings nicht, ein Parteien-Mix sei am besten, so Einzmann. Die Rheno Alemannia ist ebenso als Lebensbund konzipiert und als sogenannter „Alter Herr“ – also nach vollendetem Studium – wird ein Jahresbeitrag von 250 Euro im Jahr gezahlt.
Weshalb die Verbindung 2019 noch immer ein reiner Männerbund ist, läge schlicht an der Tradition des Pflichtschlagens. Die Mensur – ein streng reglementierter Fechtkampf mit scharfen Waffen zwischen zwei männlichen Verbindungsmitgliedern – ist bei der Rheno Alemannia nämlich Teil der Aufnahmeprüfung. Und mit Frauen wäre dies nur schwer machbar, so Einzmann: „Das wäre, als kämpfte ein Profiboxer gegen eine Profiboxerin.“ Sollte das Pflichtschlagen eines Tages abgeschafft werden, könne man über eine Erweiterung der Verbindung für Frauen nachdenken, erklärt der Student.
Rückblickend fasst Einzmann seine Mitgliedschaft noch einmal auf ihre Quintessenz zusammen: Er sei „fürs Zimmer gekommen, für die Leute geblieben“.
Die Verbindungen
- TV Cimbria wurde 1898 pflichtschlagend gegründet und entwickelte sich danach in eine progressivere Richtung. Nach eigenen Angaben wurde 1922 die letzte Mensur ausgerichtet und seit 1949 – und damit als erste deutsche Verbindung – dürfen auch Frauen in den Bund aufgenommen werden.
- Rheno Alemannia wurde einst aufgrund von Mitgliedermangel stillgelegt. Seit 2014 wurde die Verbindung in der Niederburg wieder reaktiviert. Die verhältnismäßig junge Verbindung wurde 1979 unter dem Dachverband der deutschen Burschenschaft gegründet. Daher ist die Verbindung pflichtschlagend und ein reiner Männerbund.