Der vergangene Winter hatte einige Tage, an denen Menschen ohne Obdach der Kältetod drohte. Temperaturen bis zu 15 Grad unter dem Gefrierpunkt herrschten in Konstanz, der fiese Wind und das aufpeitschende Wasser verwandelte beispielsweise die Hafenmole in eine Eislandschaft. 2017 waren 121 Kinder und Jugendliche von Wohnungsproblemen und drohendem Wohnungsverlust der Eltern betroffen, welche Beratung und Unterstützung bei der Fachstelle gesucht haben. Tatsächlich durch das Bürgeramt ordnungsrechtlich untergebracht waren 2017 laut einer Pressenotiz 206 Personen. "Wir möchten die Thematik im Sinne einer kritischen Analyse des Hilfesystems in die politische Diskussion bringen", sagt Markus Schubert, Leiter der Sozialen Dienste der Stadt Konstanz.
Betroffene aus der Mitte der Gesellschaft
Nun wurde ein Konzept ausgearbeitet zur Verhinderung von Obdachlosigkeit. In der öffentlichen Wahrnehmung sind Obdachlose Menschen, die von Stadt zu Stadt ziehen und die von der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Dabei finden sich auch hier zahlreiche Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, denen Wohnraumverlust droht. Nicht selten ist darüber hinaus die Obdachlosigkeit aus verschiedenen Gründen selbst gewählt. Kern der Präventionsarbeit ist es, die Betroffenen frühzeitig ausfindig zu machen und mit dem Hilfesystem zu vernetzen.
Gemeinsam werden die Ursachen der (drohenden) Obdachlosigkeit geklärt und je nach individueller Situation passgenaue Unterstützung vermittelt. Dazu gehören beispielsweise Schuldner-, Familien- oder Suchtberatung und auch Arbeitsmaßnahmen durch das Jobcenter. Darüber hinaus bietet das Bürgeramt Notversorgung mit Übernachtungsmöglichkeiten an, mehrere Obdachlosenunterkünfte stehen zur Verfügung. Außerdem existieren 37 Wohnungen und zwei kleine Häuser für Personen, die auf dem „ersten“ Wohnungsmarkt keine Bleibe finden. Auch das Bürgeramt, das Sozial- und Jugendamt, die AGJ-Wohnungslosenhilfe oder verschiedene Initiativen wie das Projekt Wohnraumakquise unterstützen die Betroffenen.
20 Menschen schliefen trotz eisiger Kälte draußen
Die Stadt unterstützt alle obdachlosen Menschen in den kalten Wintermonaten durch die Bereitstellung von Unterkünften. Zuflucht finden die Hilfebedürftigen in der Notübernachtungsunterkunft am Haidelmoosweg 15. Am kältesten Wochenende des Jahres im März waren dort neun Männer und sechs Frauen untergebracht. Zwei Plätze für Männer und ein Platz für eine Frau blieben frei. Doch trotz der eisigen Kälte ziehen es einige Obdachlose weiterhin vor, im Freien zu schlafen. Sie lehnten es bislang ab, Hilfe von der AGJ Wohnungslosenhilfe oder der Stadtverwaltung anzunehmen.
Geschätzt schliefen während des Winters 20 Personen draußen. Auch sie könnten untergebracht werden. Die Stadt Konstanz hat laut Pressestelle noch nie jemanden abgewiesen. Weitere sechs Plätze gibt es seit 1. März, als eine Wohnung für Obdachlose frei wurde. Neben der Unterkunft bekommen Obdachlose Frühstück und Mittagessen und werden mit Winterkleidung versorgt. Sozialarbeiter und temporär bei der AGJ arbeitende Krankenschwestern überprüfen die physische und psychische Verfassung. In Unterkünften herrscht laut Obdachloser eine Drogenproblematik. Anja Risse, Leiterin Bürgeramt, auf SÜDKURIER-Nachfrage: "Uns ist bekannt, dass ein Teil der Personen, die im Haidelmoosweg übernachten, eine Suchtproblematik haben. In Einweisungsscheinen wird darauf hingewiesen, dass der Konsum von Spirituosen und Drogen verboten ist." Offenbar hält sich nicht jeder daran – und auch Aufsichtspersonen können das nicht verhindern.
Notunterkünfte
Die Stadt arbeitet mit der AGJ, der Facheinrichtung für Wohnungslose, zusammen. Die AGJ betreibt in Böhringen den Jakobushof, der für obdachlose Menschen im Landkreis eine Unterkunft anbietet. Daneben führt die AGJ in Konstanz ein betreutes Wohnhaus in der Schottenstraße 4. Die Stadt bietet eine Notunterkunft im Haidelmoosweg 15 als vorübergehende Übernachtungsmöglichkeit an. Dort können zwei Unterkünfte mit 15 Übernachtungsplätzen für Männer und eine Unterkunft mit vier Übernachtungsplätzen für Frauen zur Verfügung gestellt werden.