Wie viele Kinder sich in den vergangenen Jahrzehnten ihre Nasen an den Schaufensterscheiben plattgedrückt haben, vermögen Gisela und Stefan Klingeberger nicht abzuschätzen.

Die Kleinen genießen den Anblick der Modelleisenbahnen oder – unvergessen – der fahrenden Seilbahn oder des Riesenbären, der Seifenblasen machte.

Bald können die Stammkunden jedoch nur noch in Erinnerungen schwelgen, denn Gisela und Stefan Klingeberger gehen Ende Juni in den Ruhestand. Damit endet die 69-jährige Firmengeschichte, denn einen Nachfolger konnten die Inhaber nicht finden.

Das ist wieder das Ende eines inhabergeführten Betriebs, der aufgrund der Spezialisierung und des Services seine eigene Marke ist und der Stadt ein individuelles Gepräge gibt. Doch mit jeder Schließung spezifischer, kleiner Läden verliert Konstanz ein Stück weit an Glanz und letztlich an Attraktivität.

Leicht ist Stefan Klingeberger die Entscheidung nicht gefallen, den elterlichen Betrieb aufzugeben, schließlich ist er quasi in dem Geschäft aufgewachsen.

Seine Eltern, Lydia und Gerhard Klingeberger, arbeiteten Vollzeit in dem Laden „und ich habe nach der Schule geholfen, wenn Not am Mann war“, so Stefan Klingeberger. Waren auspacken und auszeichnen zählten dann zu seinen Aufgaben. „Als Kind war das spannend“, lächelt Klingeberger, der sich bis heute mit lehrreichen Spielsachen und Wundern der Technik im Kleinformat umgibt.

Seit Jahrzehnten drücken sich Kinder ihre Nasen an den Schaufenstern von Klingeberger Spiel + Technik in der Kreuzlingerstraße platt.
Seit Jahrzehnten drücken sich Kinder ihre Nasen an den Schaufenstern von Klingeberger Spiel + Technik in der Kreuzlingerstraße platt. | Bild: Scherrer, Aurelia

„Eigentlich wollte ich ins Handwerk. Schreiner wäre mein Beruf gewesen“, so Klingeberger, der aber letztlich doch der Freude und Faszination an der Technik nachgab, die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann absolvierte, den Betriebswirt machte und seit 1972 im elterlichen Geschäft mitarbeitete, das er 1994 übernahm.

Die Entscheidung hat er nie bereut. Im Gegenteil: „Der Beruf hat mir immer sehr viel Spaß gemacht.“

Sich von Stefan Klingeberger beraten zu lassen, war und ist ein Erlebnis, denn zum einen hat er ausschließlich Spielwaren mit lehrreichem Nebeneffekt, zum anderen steckt er mit seiner Technikbegeisterung an. Modelleisenbahnen sind sein Steckenpferd, wohlwissend, dass dieses „sehr kreative Spielzeug“ nicht in erster Linie kindertauglich ist.

Es sei aber ein Hobby, an dem die ganze Familie mitwirken könne. Seine Leidenschaft für Technik und für die Lerneffekte bricht beim Thema Drohnen vollkommen durch. „Leider ist es ein Reizthema geworden, weil manche damit Unsinn treiben“, bedauert er. „Das ist ein Jammer, weil das Thema spannend und überhaupt nicht trivial ist. Es sieht so lässig aus, aber es ist gar nicht einfach, eine Drohne zu fliegen.“

Auch wenn Stefan Klingeberger erst 60 Jahre alt ist, geht er vorzeitig in Ruhestand.

Der Grund: Einer seiner Mitarbeiter – das komplette Personal hatte noch sein Vater eingestellt – ist vor zwei Jahren ausgefallen. Solche Mitarbeiter „sind nicht leicht ersetzbar“, so Klingeberger.

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„Seit zwei Jahren haben wir quasi ohne Urlaub durchgearbeitet“, erzählt er und schaut dabei seine Frau Gisela an, die er 1987 kennengelernt hat und für die es immer selbstverständlich war, im Geschäft mitzuarbeiten.

„Sie ist ein Organisationstalent“, schwärmt Klingeberger. Lange haben die beiden nach einem Nachfolger gesucht, aber keinen gefunden, was vor allem die jahrzehntelang treue Stammkundschaft, darunter aus Zürich, Bern und Donaueschingen, sehr bedauert.

„50 Kilometer sind kein Thema. Es gibt wenige Geschäfte die so sortiert sind, wie das unsere“, stellt Stefan Klingeberger fest. Mit dem Ertrag ist er auch nach wie vor zufrieden; das sei nicht das Problem. Aber: „Geschäfte in dieser Form sterben aus, weil sie sehr arbeitsintensiv sind.

Es gibt heute nicht mehr viele Menschen, die sich so abmühen möchten“, meint Klingeberger, der seine Arbeit jedoch nicht als Mühe empfand. „Mir blutet etwas das Herz, aber die Entscheidung konnte ich nicht ewig hinausschieben.“

Der 29. Juni 2019 wird der letzte Arbeitstag für Gisela und Stefan Klingeberger sein und beide verdrängen noch die Gedanken daran.

„Wenn der Tag X kommt, das dürfte emotional werden“, meint Stefan Klingeberger dann doch sehr nachdenklich.

„Ich stelle mir das nicht so einfach vor, den Laden abzuschließen, wohlwissend, dass man ihn am nächsten Tag nicht mehr aufmacht.“