Punkt 13.05 Uhr. Der Schreibwarenladen „DeBleistift“ an der Brauneggerstraße füllt sich schlagartig, viele Schüler drängen sich an die Theke. Apfelringe, Colakracher, saure Zungen: Die Kinder füllen ihre Tüten für einen versüßten Nachhauseweg.

Ordentlich was los im bekannten Treffpunkt im Paradies. Und doch muss Inhaberin Manuela Roloff ihren Laden verkaufen. Die finanziellen Mittel gehen ihr aus.

„Der Bleistift ist mein Leben, für ihn gebe ich mein Herzblut.“

Die 53-Jährige kennen viele noch als Pächterin des Salzbüchsle. Seit 15 Jahren steht sie hinter dem Bleistift-Tresen. „Ein Schreibwarenladen war immer mein Herzenswunsch“, sagt die gelernte Einzelhandelskauffrau, Steuerfachgehilfin und Personalfachkauffrau. Sie gab dem Bleistift ein Gesicht, jeder im Quartier kennt die fröhliche Powerfrau.

„Die Zeiten haben sich geändert. Heute haben Einzelunternehmer mit einem kleinen Laden keine Chance mehr.“

Den ersten finanziellen Einbruch habe sie gespürt, als aus den Parkplätzen vor ihrer Tür Anwohnerparken wurde. Außerdem wirkten sich die Rabatt-Aktionen von Kaufhäusern und Drogeriemärkten aus. „Die hauen das Zeug zu Schuljahresbeginn günstig raus, aber ich achte auf Qualität“, sagt Manuela Roloff.

Sie weiß sogar, welche Lehrer welche Hefte bevorzugen

Und auf Fachberatung, wie die Mutter Vanessa Beinborn betont: „Für Eltern ist es super, wenn sie zu Schuljahresbeginn ihre langen Listen einfach im Bleistift abgeben können und informiert werden, sobald der Stapel fertig gepackt ist. Frau Roloff weiß sogar, welche Lehrerin welche Hefte bevorzugt.“ Auch die Beratung beim Kauf eines Füllers schätzt die Mutter.

Colakracher sind bei Kindern ein Dauerbrenner – im Bleistift lernen sie, mit Geld umzugehen

Besonders die Bewohner aus dem Paradies sind im Bleistift oft zu Gast. So oft, dass die Inhaberin die Vorlieben jedes Kindes genau kennt.

Paula, Katinka und Greta (von links) sind gern zu Besuch im "Bleistift". Inhaberin Manuela Roloff kennt die Vorlieben jedes Kindes genau.
Paula, Katinka und Greta (von links) sind gern zu Besuch im "Bleistift". Inhaberin Manuela Roloff kennt die Vorlieben jedes Kindes genau. | Bild: Kirsten Schlüter

Zum Beispiel die der zehnjährigen Katinka. „Sie liebt vor allem Stifte“, sagt Roloff. Katinka nickt und bestätigt: „Damit male ich am liebsten Mandalas. Aber ich kaufe hier auch gern Süßigkeiten.“ Für Kinder, die selbstständiges Einkaufen lernen sollen, ohne Bargeld mitführen zu müssen, hat Manuela Roloff ein Guthaben angelegt. Eltern können eine gewünschte Summe einzahlen und bestimmen, wie viel davon ihr Kind pro Woche ausgeben darf.

Peter Beinborn ist begeistert:

„So lernen die Kinder Rechnen und Wirtschaften mit kleinen Beträgen. Unser zweijähriger Sohn Johannes hat dort neulich seinen ersten Colakracher selbst bestellt und bezahlt. Manu hat einfach ein Herz für Kinder.“

Auch zu den erwachsenen Kunden hat sich ein vertrautes Verhältnis entwickelt. „Hier achtet man aufeinander“, so Roloff. „Wenn eine ältere Kundin jeden Tag den SÜDKURIER zurücklegen lässt und ihn mal nicht abholt, klingele ich dort und schaue nach dem Rechten.“

Doch obwohl der Laden voll ist, kann Manuela Roloff ihn nicht mehr halten

„Nur vom Süßigkeitenverkauf kann ich nicht leben.“ Zu schaffen macht ihr auch das veränderte Anspruchsdenken der Menschen:

„Die Leute bestellen sich im Internet Druckerpapier und lassen es in mein Schreibwarengeschäft liefern. Da krieg ich die Krise. Aber wenn jemand mein Telefon hier braucht, sind wir gut genug. Für mich ist das Leben immer ein Geben und Nehmen.“

Ihren Laden muss sie nun schweren Herzens hergeben. Studentin Ella Rohrhirsch, Aushilfe im Bleistift, kann sich die Zukunft noch gar nicht ohne ihre Chefin vorstellen: „Manu ist cool“, sagt sie. „Ich kenne sie seit vielen Jahren. Als Erstklässlerin habe ich hier selbst eingekauft.“