Verehrte Leserschaft, ich bin 30 Jahre alt. "Nicht alt", würden Sie vielleicht sagen, aber auch nicht mehr ganz jung. Jedenfalls gibt es zwischen den Generationen ein Problem. Auf der einen Seite: Die Generation der Babyboomer. Sie sind viele, und deshalb wird gerne auch für sie Politik gemacht.
Der Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz, das Rentenniveau bis 2040 statt wie bisher bis 2025 zu garantieren, ist ein Beispiel dafür. Das Wählergeschenk zahlen am Ende die Jungen, während sich Scholz selbst längst in seiner Altersresidenz zurücklehnt. Auf der anderen Seite: Die Jüngeren zwischen 18 und 35 Jahren. Die begreifen langsam, dass sie was tun sollten. Trump, Chemnitz, fehlende Kita-Plätze, Bildungspolitik. Es gibt so vieles, über das man sich dieser Tage aufregen kann.
Es wird wieder diskutiert
Und tatsächlich sitzt die Politik wieder mit am WG-Küchentisch, es wird wieder diskutiert. Wir tun das aber lieber in unserer Filterblase, in der dieselben Menschen sitzen wie wir. Also die dieselbe Bildung genossen haben, eine ähnliche Sozialisierung haben, die ein ähnliches Einkommen haben.
Echte Politik heißt: Auseinandersetzung mit Ansichten, die man überhaupt nicht teilt. Stundenlanges Lesen von Sitzungsvorlagen. Mühsame Diskussionen, die nicht immer spannend sind. Bei dieser Vorstellung schauen manche doch lieber, was es neues auf Netflix gibt. Und die, die sich doch dieser verantwortungsvollen und zeitraubenden Aufgabe mitten in der Zeit stellen, in der man gerade sein eigenes Leben auf die Kette kriegen muss, haben es nicht leicht.
Wenn der Moderator gönnerhaft den Arm tätschelt
Sagt zumindest Kevin Kühnert. Der 29-jährige Juso-Chef löste dieses Jahr eine Debatte über Jugenddiskiriminierung aus. Unter dem Twitter-Stichwort "diese jungen Leute" schrieben hunderte junge Menschen, auch viele junge Politiker, darüber, wie ermüdend es sei, wegen der eigenen Jugend nicht für voll genommen zu werden.
Die 25-jährige Jamila Schäfer erzählte: "Wenn der Talkshow-Moderator dir gönnerhaft den Arm tätschelt und sagt: „Für ein so junges Mädchen, hast du dich ganz toll geschlagen! Ganz reizend.“
Vom Bambi zum Platzhirsch
Nun gehört es offenbar schon immer dazu, als junger Politiker unterschätzt zu werden und Sprüche über sich ergehen zu lassen. Auch Angela Merkel war mal "Kohls Mädchen", Christian Lindner wurde "Bambi" genannt und ist heute eher Platzhirsch. Aber sollten wir gerade in diesen Zeiten, in denen sich so vieles wandelt, junge Politiker so klein halten? Sollten Ältere nicht Platz machen für junge Ideen, statt den Silberrücken zu strecken und Dinge zu sagen wie "Nicht schlecht für dein Alter"?
Für junge Kandidaten, die sich mitten im Berufsleben ein solches Mandat und ein Ehrenamt zutrauen, ist es schwer, überhaupt gewählt zu werden. Bei der vergangenen Kommunalwahl in Konstanz gab es einige Kandidaten zwischen 20 und 30 Jahren, die ihre Stadt mitgestalten wollten. Gewählt wurden sie nicht. Zu lange, so scheint es, kennen die älteren Wähler schon die älteren, erfahrenen Kandidaten. Das Ergebnis: Der Konstanzer Gemeinderat, der diese Stadt repräsentieren und zukunftsfähig machen soll, besteht überwiegend aus Männern über 55 Jahren.
2019 sind wieder Kommunalwahlen. Die Parteien stellen gerade ihre Listen zusammen – und vielleicht finden sich an den oberen Stellen dann auch ein paar dieser jungen Leute, die Zukunft machen wollen.