Sein Denkmal ragt 40 Meter in die Höhe.

Der heutige Wohnturm der Jugendherberge trägt den Namen "Otto Moericke". Den Namen des Mannes, der vor 100 Jahren zum Oberbürgermeister von Konstanz gewählt worden war. Er hatte die Stadt ab 1919 durch die schwierigen Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg geführt und Grundsteine für eine glückliche Weiterentwicklung gelegt. In seiner Amtszeit machte er sich etwa für den Bau der Fährverbindung nach Meersburg stark.

Die Nationalsozialisten beendeten sein Wirken

Der gelernte Jurist Otto Moericke war vor seiner Station in Konstanz Bürgermeister von Speyer. 1919 trat er sein Amt in Konstanz an. Er wohnte mit seinen fünf Kindern in der Seestraße, und wurde nach der ersten Amtszeit mit beeindruckender Mehrheit auf weitere acht Jahre gewählt.

Seine zweite Amtszeit beendeten die Nationalsozialisten vorzeitig. Sie entließen den Demokraten. Die Weimarer Koalition habe sich damals auch in der Bürgermeister-Konstellation in Konstanz gespiegelt, sagt Jürgen Klöckler, Leiter des Stadtarchivs, der im Rahmen seiner Habilitation wissenschaftlich zur nationalsozialistischen Machtergreifung im Konstanzer Rathaus geforscht hat.

Otto Moericke 1960 im Alter von 80 Jahren.
Otto Moericke 1960 im Alter von 80 Jahren. | Bild: privat

OB Moericke gehörte der liberalen Deutschen Demokratischen Partei an, seine Bürgermeister waren der SPD-Mann Fritz Arnold und der Zentums-Mann Franz Knapp. Alle drei wurden von den Nationalsozialisten in den vorzeitigen Ruhestand geschickt. Knapp allerdings verdingte sich bald wieder in der Stadtverwaltung, als städtischer Rechtsrat, und damit "graue Eminenz" mit Schlüsselfunktion, wie Klöckler sagt.

Der treu dienende Beamte Knapp sei zum Erfüllungsgehilfen des NS-Regimes worden, welches gern auf das Fachwissen des Verwaltungsjuristen und seine Verankerung mit katholischen, bürgerlichen Milieu zurückgegriffen habe.

Ganz anders lief es bei Moericke und Arnold. Sie verschwanden erst einmal von der politischen Bildfläche. Moericke überstand die NS-Zeit, indem er in Freiburg Rechtsunterricht an der evangelischen-sozialen Frauenschule gab, und später als Kriegsaushilfe im Landratsamt Lörrach arbeitete. Die französischen Besatzer ernannten Moericke nach dem Krieg zum Landrat, der sich wegen Ungehorsams vor einem Militärgericht verantworten musste, aber freigesprochen wurde. Er hatte den notleidenden Bürgern etwas mehr Butter zugeteilt als von der Besatzungsmacht vorgesehen. Ab 1948 arbeitet er im Dienste Badens. Später wurde er Vizepräsident des Rechnungshofs für Südbaden.

Im Nachruf, der am 22. Juni 1965 im Südkurier erschienen ist, heißt es, Moericke "bemühte sich zielbewußt, Konstanz zum geistigen Mittelpunkt der Seelandschaft zu machen und seine Wohlfahrtsanstalten in zeitgemäßer Weise auszubauen." In seiner Amtszeit sei unter anderem der Wohnungsbau in Angriff genommen und ein erster Generalbebauungsplan ausgearbeitet worden.

"Für Demokratie muss man sich einsetzen. Die ist nicht selbstverständlich."

Das sei einer der der wichtigen Lehrsätze seines Großvaters gewesen, sagt der älteste Moericke-Enkel Ulrich Mentz.

Der älteste Enkel von Otto Moericke Ulrich Mentz.
Der älteste Enkel von Otto Moericke Ulrich Mentz. | Bild: Rindt Claudia

Der heute 83-Jährige lebte viele Jahre mit ihm unter einem Dach, das erste Mal, als er noch ein fünf Jahre alter Junge war. Sein Großvater sei enttäuscht gewesen, dass es zur Machtergreifung hatte kommen können.

Als Junge und junger Mann sei er viel mit seinem Großvater unterwegs gewesen, er habe fast den gesamten Südschwarzwald mit ihm durchstreift. Fast täglich, so erinnert sich der der Enkel, habe Otto Moericke zur Geige gegriffen, und darauf geübt.

"Die alltägliche Gegenwart von Musik in seinem Hause war wohl mit ein Grund, dass so gut wie alle von uns später selbst viel Musik machten oder gar Berufsmusiker wurden", sagt Mentz im Namen der Nachfahren. Ein Konzert, da waren sich die Enkel sicher, sei genau das richtige, um an den Großvater zu erinnern. Die Professorin für Querflöte, Irmela Boßler, auch verwandt mit den Moerickes, gestaltet es am Freitag, 21. Juni, um 20 Uhr im Wolkensteinsaal zusammen mit Bernhard Kastner am Klavier.

Zehn Enkel von Moericke leben noch – und treffen sich im Jubiläumsjahr

Die Idee der zehn verbliebenen Moericke-Enkel, sich zu treffen, sei schon vor gut 20 Jahren entstanden, sagt Ulrich Mentz. 12 Enkel seien es ursprünglich gewesen, zehn seien noch am Leben. "Alle haben den Großvater noch persönlich kennengelernt."

"Es war ein aufgeschlossener, geistig reger Mensch, der an der Entwicklung seiner Enkel interessiert war." Ulrich Mentz geht davon aus, dass das Vorbild seines Großvaters ihn bewogen hat, Verwaltungsjurist zu werden. Er war im Landratsamt Ravensburg, beim Stuttgarter Regierungspräsidium und dann 16 Jahre lang als Bürgermeister von Kehl beschäftigt.

Sein Großvater habe ihn immer ermuntert, antidemokratischen Tendenzen zu widersprechen. Er habe sich mit Otto Moericke beraten, als er sich für den Aufbau der lokalen und kommunalen Ebene im Europarat einsetzte und damit auch für die Festschreibung der kommunalen Selbstverwaltung innerhalb der EU. Sein Großvater habe dies sehr begrüßt.