Ein Tag hat 24 Stunden, von denen vernünftige Menschen knappe sieben bis acht Stunden mit Schlafen verbringen. Bleiben 16 Stunden, die man anteilig in Arbeiten und Zeit in der Familie aufteilt. Wenn an Donnerstagen Gemeinderatssitzung ist, bleiben Matthias Schäfer, Stadtrat bei der Fraktion Junges Forum Konstanz, höchstens eine Stunde morgens, in der er seine Kinder erlebt.
Eine Gemeinderatssitzung dauert fünf Stunden
Es ist ein Thema, das gewählte Stadträte mit kleinen Kindern beschäftigt – und solche, die eine Kandidatur anstreben. Das Ehrenamt des Stadtrats ist zeitaufwendig – und die meiste Zeit, die ein Rat oder eine Stadträtin dafür aufwendet, verbringt er oder sie außer Haus. „Im Schnitt haben wir ein bis zwei öffentliche Sitzungen pro Woche plus die wöchentliche Fraktionssitzung“, zählt Matthias Schäfer auf.

Die Fraktionssitzung beim JFK dauere zwei bis drei Stunden, das liege auch daran, dass Bürger sie besuchen können und sich die JFK-Mitglieder Zeit für Fragen und Diskussionen nehmen. Ausschuss-Sitzungen wiederum sind schwer berechenbar, zwei bis fünf Stunden können sie in Anspruch nehmen. Eine Gemeinderatssitzung dauert am längsten, sie beginnt um 16 Uhr und ist selten vor 21 Uhr beendet, es kann schon mal 22.30 Uhr werden.
Ohne Toleranz des Arbeitgebers geht es nicht
Wenn Schäfer seinem Anspruch gerecht werden will, in seiner Familie präsent zu sein, muss er sorgsam planen. Seine Kinder, Mika (3 Jahre) und Mats (6) entwickeln sich rasch. Als Vater möchte er ihre Kinderzeit nicht verpassen. „Es funktioniert allerdings alles besser, seit ich nur noch Teilzeit, also 75 Prozent, arbeite“, berichtet Schäfer. Sinnvolle Absprachen in der Firma – Matthias Schäfer ist Informatiker bei Wetter.com – helfen weiter: so kann er die Gleitzeit nutzen und eine gewisse Arbeitsmenge im Homeoffice erledigen.
Fliegender Wechsel bei der Kinderbetreuung
Zuhause ist eine perfekte Familienorganisation gefragt. Montags, wenn seine Frau bei einem späten Kurs an der Uni präsent sein muss, gebe es fliegenden Wechsel: er betreut die Kinder nach der Arbeit, bis sie kommt, dann muss Schäfer sofort weiter zur Fraktionssitzung. Für ein Gespräch mit seiner Frau bleibt an solchen Tagen keine Zeit.
Wie reagieren die Kinder auf den stressigen Alltag ihrer Eltern?
„Sie kennen es nicht anders“, sagt Cathrin Schäfer, die selbst nach dem Studium auf Jobsuche ist. Sie empfindet die Organisation des Familienlebens als anstrengend. „Für die Kinder war es zeitweise schwierig, den Papa nur kurz zu erleben.“ Seit ihr Mann seine Arbeitszeit reduziert habe, sei es aber deutlich entspannter.
Sarah Seidel, Mutter, zwei Kinder, will auch in den Rat
Sarah Seidel hat die Erfahrungen, die Matthias Schäfer gemacht hat, noch vor sich. Die Mutter von zwei Kindern ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität und arbeitet momentan im Anteil von 70 Prozent. Am 26. Mai steht sie als Stadtratskandidatin für die CDU auf Listenplatz 6: ein Platz, bei dem man mit einem Erfolg rechnen muss.

Lotta und Henri kennen ihre Mutter nicht als Stubenhockerin
Lotta und Henri sind fünf und drei Jahre alt und kennen ihre Mutter als aktive Person. Ihre Doktorarbeit hat Sarah Seidel geschrieben, als Lotta ein Säugling war und fertig gestellt, kurz bevor Henri geboren wurde. „Das war eine Herausforderung“, sagt Sarah Seidel, „hat aber geklappt“.
Familie kreativ zu organisieren, das können die Seidels
Das ist auch der Grund, warum Seidel das Ehrenamt Gemeinderat anstrebt. „Mein Mann hat mich bei den unterschiedlichsten Projekten unterstützt, ohne ihn würde es nicht gehen.“ Die Familie gut zu organisieren trauen sich die beiden zu. Als schwierig empfindet die 34-Jährige allerdings den Sitzungsbeginn in Ausschüssen und Gemeinderat um 16 Uhr. „Dafür müssten wir einiges umstellen. Mein Mann müsste dann die Kinder abholen.“ Das sei für ihn schwieriger, da er in Radolfzell arbeitet.
Mütter und Väter brauchen Erleichterungen, um Politik zu machen
Im Gespräch mit Stadträten, die bereits im Amt sind, hat Seidel festgestellt, dass es keine einfache Lösung gibt, wie man Müttern oder Vätern das Amt erleichtert. Es sei allerdings an der Zeit, jungen Menschen mit Familie Anreize zu geben, sich zu engagieren.
„Jede Familie ist ein wenig anders organisiert, manchen sind die frühen Abendstunden wichtig, anderen die Nachmittage“. Vermutlich sei es der beste Ansatz, die Sitzungszeit effizienter zu gestalten. „Der neue Gemeinderat wird darüber sicher sprechen müssen. Ich fände es wichtig, das Bewusstsein für die Vereinbarkeit von Familie und Ratstätigkeit zu stärken.“
Teil der schweigenden Mehrheit will Seidel nicht mehr sein
Warum hat sich Sarah Seidel für eine Kandidatur für den Rat entschieden, obwohl sie weiß, dass es Kraftanstrengungen kosten wird, die Familie neben Ehrenamt und Arbeit zu organisieren? Ihre Motivation geht auf den Moment zurück, als die AfD in das 16. Länderparlament einzog.
„Ich wollte nicht mehr zur schweigenden Mehrheit gehören“, sagt Seidel, und auf städtischer Ebene glaube sie am meisten erreichen zu können. Falls die Organisation von Familie, Beruf und Ehrenamt noch schwieriger werden sollte, als sie erwarte, wolle sie beruflich kürzer treten. Zulasten der Kinder soll es nicht gehen. Schließlich will sie ihnen Vorbild sein – und dies schließt ihre Beteiligung an der Kommunalpolitik ein.