Das Frühjahr sah für zahlreiche Familien so aus: Eltern und Kinder liefen Woche für Woche zur Schule, holten sich Kopierpakete ab, erledigten zu Hause gemeinsam die Aufgaben. Kaum Kontakt per Video-Schalte zum Lehrer oder zu den Klassenkameraden, wenig digitale Bereitstellung von Aufgaben.

Für Thorsten Rees, Leiter des Kreismedienzentrums, keine Überraschung: „Die Grundschulen müssen Digitales erstmal im Regelunterricht ausprobieren, bevor wir über Fernbeschulung nachdenken können“, sagt er. Und das braucht Zeit, Überzeugung in den Kollegien und die nötige Ausstattung.

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Letztere haben die Grundschulen nicht. „Sie befinden sich noch in einer Art Dornröschenschlaf“, sagt Anaïs Löckermann, Elternbeiratsvorsitzende der Allmannsdorfer Schule. Zwar ist sie der Ansicht, dass Erst- und Zweitklässler auch gut mit Papier, Stift und klassischer Tafel arbeiten können, doch spätestens in Klasse 3 sollten die Kinder behutsam an neue Medien herangeführt werden. „Alle weiterführenden Schulen sind digital aufgestellt, und die Viertklässler werden bei ihrem Schulwechsel plötzlich in diese neue Welt des Lernens hineingeworfen“, sagt Löckermann.

Lehrern sind die Hände gebunden

Viele Grundschulkollegien sehen das ähnlich, aber ihnen sind beim digitalen Fortkommen die Hände gebunden. So berichtet Uta König, Leiterin der Grundschule Wollmatingen: „Wir haben uns schon vor über drei Jahren auf den Weg gemacht und ein Mediencurriculum entwickelt. Darin steht, was und wie die Kinder mit moderner Technik lernen können und was mit Hilfe anderer Medien wie Zeitung und Bücher. Aber das Ausarbeiten fiel uns teilweise schwer, weil die Ausstattung zum Ausprobieren fehlte.“

In den diesjährigen Sommerferien bekam ihre Schule zwar einen Internetanschluss in alle Klassenzimmer, verfügt aber weiterhin nicht über WLAN oder digitale Tafeln. „Immerhin haben wir nun für jedes der drei Stockwerke einen Medienwagen mit Beamer, Notebook, Lautsprecher und Dokumentenkamera“, erläutert König.

Kunststunde mit Medienwagen, trotzdem mühsam: Lehrerin Jennifer Rusnak muss die zu zeigenden Bilder im Internet suchen, abspeichern und ...
Kunststunde mit Medienwagen, trotzdem mühsam: Lehrerin Jennifer Rusnak muss die zu zeigenden Bilder im Internet suchen, abspeichern und über Laptop und Beamer projizieren. Eine Leinwand gibt es im Klassenzimmer nicht. | Bild: Grundschule Wollmatingen

„Aber wir überlegen uns vor jedem Einsatz, ob es sich lohnt, die Medien aufzubauen, weil dabei zehn Minuten ins Land gehen.“ Mit Tablets als Klassensatz könnten schon Erstklässler einen QR-Code einscannen und ein zum Thema passendes Filmchen anschauen. Oder ein Gedicht aufnehmen und vertonen.

Für Uta König ist klar, wo die Versäumnisse liegen: „Das Land hat vieles verschlafen“, urteilt sie. Die Rektorin kämpfte sich deshalb während des ersten Lockdowns in Eigeninitiative durch den Dschungel an Online-Plattformen, um auch digitale Kommunikation anzubieten. Doch ihr sind Grenzen gesetzt: „Ich bin Pädagogin und keine IT-Expertin. Wir bräuchten viel mehr Fachleute für die Schulen.“

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Dennoch haben sich ihre Bemühungen gelohnt: Die Grundschule Wollmatingen hat die Plattform Moodle auf ihrer Website integriert, die auch von den weiterführenden Schulen genutzt wird. Dort können für jede Klasse die Arbeitsmaterialien hinterlegt werden, genauso Elternbriefe und Wochenpläne. Jede Familie erhielt für den Zugang ein Passwort.

Das Wollmatinger Kollegium probierte auch digitale Lehrerkonferenzen sowie einen Online-Elternaustausch aus. Trotzdem ließe sich bei erneutem Heimunterricht für Grundschüler nicht alles ins Internet übertragen, sagt Uta König: „Ein Drittel unserer Familien würden wir so nicht erreichen, weil sie zu Hause nicht die nötige Ausstattung haben oder weil die Eltern sich nicht damit auseinandersetzen wollen, wie sie mit dem Online-Portal arbeiten könnten.“

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Dass sie bei der nächsten (Teil-)Schulschließung wieder Kopierpakete in der Schule abholen muss, findet Hwasun Michael nicht schlimm. Ihre Tochter Olivia besucht die dritte Klasse der Allmannsdorfer Grundschule und kam im Frühjahr gut klar: „Das Haupterziehungsziel für meine Kinder ist Selbstständigkeit, und das haben wir geübt. Durch die Kooperation von Lehrern, Elternbeirat und Familien war die erste Corona-Zeit für uns jedenfalls keine Bedrohung, sondern eine Chance, umzudenken und uns auf die Zukunft vorzubereiten.“

Stadt nimmt Probleme in Angriff

Warum aber dauert es so lange, bis diese Zukunft Wirklichkeit wird? Frank Schädler, Leiter des Konstanzer Amts für Bildung und Sport, erläutert: „Bis vor zwei Monaten konnten Anträge auf Mittel aus dem Digitalpakt nur gestellt werden, wenn eine Schule einen fertigen Medienentwicklungsplan (MEP) vorlegen konnte, den sie mit dem Schulträger und dem Kreismedienzentrum erstellt hat. Hier gibt es bei den Grundschulen sehr unterschiedliche Bearbeitungsstände.“

Frank Schädler, Leiter des Konstanzer Amts für Bildung und Sport
Frank Schädler, Leiter des Konstanzer Amts für Bildung und Sport | Bild: SK-Archiv

Inzwischen können die Mittel zwar schon vor Abschluss der MEP abgerufen werden, doch für dieses beschleunigte Verfahren fehlt im Land noch eine Vereinbarung. So kann die zuständige L-Bank Anträge entgegennehmen, aber kein Geld auszahlen. Zudem sieht der Digitalpakt vor, dass nur 20 Prozent der Mittel in mobile Endgeräte investiert werden dürfen. Mit dem Digitalpakt sollen hauptsächlich die Schulgebäude mit Internet versehen werden.

So soll es vorangehen

Doch auch hier hakt es noch. Laut Schädler haben zwar alle städtischen Grundschulen seit 2005/2006 einen Internetanschluss, allerdings oft nur in einzelnen Räumen wie Sekretariat oder Rektorat. Die Stadt habe aber sowohl die Gebäudeverkabelung als auch die Erhöhung der Bandbreiten in Angriff genommen.