Nicht nur SÜDKURIER-Leser Jürgen Bischoff, nach eigenen Angaben Fähre-Vielfahrer, kann diese Angabe nicht glauben: Laut den Stadtwerken Konstanz soll die Flüssiggas-Fähre Richmond nach ihrer Inbetriebnahme im Herbst 2023 im ersten halben Jahr knapp 6000 Fahrten absolviert haben. Wirklich?

„Die Reaktion der Hafenanlieger auf diese Behauptung reicht von ungläubigem Staunen bis zu schallendem Gelächter. Die ‚Richmond‘ liegt nicht gelegentlich im Hafen, sondern fast immer“, schrieb Jürgen Bischoff dem SÜDKURIER Mitte Juni.

Tatsächlich ergibt eine sehr grobe Rechnung: 6000 Fahrten in sieben Monaten, also 210 Tagen, wären knapp 29 Fahrten an jedem einzelnen Tag. Das klingt umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass das Schiff auch anfangs nur einen Bruchteil des geplanten Programms absolvierte.

(Archivbild) Ein bislang recht gewohntes Bild: Die Gasfähre „Richmond“ liegt im Staader Hafen, sie hat deutlich weniger Einsätze als ...
(Archivbild) Ein bislang recht gewohntes Bild: Die Gasfähre „Richmond“ liegt im Staader Hafen, sie hat deutlich weniger Einsätze als ursprünglich geplant. Das hat verschiedene Gründe. | Bild: Hanser, Oliver

Fahrten werden gar nicht gezählt

Eine erneute Nachfrage bei den Stadtwerken ergibt, dass die Anzahl der Fahrten gar nicht so genau angegeben werden kann. So erläutert Pressesprecherin Teresa Gärtner: „Fährschiffe besitzen keinen Kilometerzähler. Daher muss die ungefähre Kilometerzahl aus den Betriebsstunden der Antriebsanlage errechnet werden. Diese werden mit der üblichen Kursgeschwindigkeit und Überfahrtdauer umgerechnet.“

Und weiter: „Unsere Berechnung basiert auf den Betriebsstunden seit Inbetriebnahme der Antriebsanlage und nicht auf echten Kursen. Diese werden ebenso wenig wie zurückgelegte Kilometer gemessen.“ Einige dieser Stunden seien bei der Erprobung der Anlage, zum Beispiel im Hafen liegend oder bei Testfahrten, sowie bei Schulungsfahrten angefallen. „Die Motoren sind in der ersten Testphase – bereits deutlich im Vorfeld der Schiffstaufe – auch bei liegendem Schiff gelaufen“, sagt sie.

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Und wie umweltschädlich ist das Gas?

Das wäre also geklärt. Doch viele Fährenutzer beschäftigt eine weitere Frage: die des Umweltschutzes. Denn das Flüssiggas, das die „Richmond“ antreibt, wird in dem Schiff bei rund minus 160 Grad tiefgekühlt gelagert. Da der Thermo-Behälter die tiefe Temperatur nicht ewig halten kann, wird im Lauf der Zeit immer mehr verflüssigtes Methan wärmer und somit gasförmig. Es kann dann nicht mehr in den Motoren verbrannt werden, sondern muss in die Luft abgelassen oder mit einer Fackel verfeuert werden.

Pendler Jürgen Bischoff nimmt „immer wieder ein lautes Zischen“ wahr, wenn die Fähre im Hafen liegt. Er fragt sich: Wie viel schädliches Methan wird da in die Umwelt gepustet? Dies sei eine „absolute Ausnahme“, so die Stadtwerke: „Die Tanks sind vakuumisoliert und können die geforderte Temperatur sehr lange halten, ohne dass sich das Gas nennenswert erwärmt, also in den gasförmigen Zustand übergeht.“

Das neue Fährschiff für die Linie Konstanz-Meersburg ist 82,5 Meter lang und 13,4 Meter breit. Es kann 700 Personen und 64 Autos ...
Das neue Fährschiff für die Linie Konstanz-Meersburg ist 82,5 Meter lang und 13,4 Meter breit. Es kann 700 Personen und 64 Autos transportieren. Der Bau der „Richmond“ stand unter keinem guten Stern: Das Schiff wurde nicht nur zehn Millionen Euro teurer als geplant, sondern nahm seinen Dienst auch über drei Jahre verspätet auf. | Bild: Hanser, Oliver

Mit der Zeit entstehe zwar ein Druckaufbau im Tank, der ab 8,5 bar kontrolliert über den Ventilationsmast abgelassen wird. Das geschehe aber sehr selten. „Genaue Zahlen dazu gibt es derzeit nicht, da das (noch) nicht automatisch erfasst wird. Ein entsprechendes System wird jedoch derzeit aufgebaut und soll bis Jahresende fertig sein“, sagt Pressesprecherin Teresa Gärtner.

Die Stadtwerke räumen aber ein, dass das Ablassen von nicht genutztem Gas in die Luft zuletzt doch häufiger erfolgte: „Ein Heizkessel fiel aus, zudem konnte das Schiff aufgrund des Hochwassers nicht eingesetzt werden“, so Teresa Gärtner. Auch dabei handele es sich um eine absolute Ausnahmesituation. „Der Gasdruck auf dem Kessel, der nicht in Betrieb ist, musste durch Abblasen über den Ventilationsmast reduziert werden.“

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Nanu, das führt zur nächsten Frage: Ausgerechnet die neue Fähre kann nicht bei Hochwasser fahren, während die dienstältesten Modelle zuverlässig über den See pendeln? Ganz so ist es nicht, erläutern die Stadtwerke: Nicht nur die „Richmond“ liegt aufgrund ihrer Bauart deutlich höher im Wasser als die älteren Fähren, sondern auch das fast baugleiche Schwesternschiff „Lodi“.

Bei beiden ist bei Hochwasser der Zufahrtswinkel steiler als bei den anderen Fähren. Da der Pegel des Bodensees derzeit aber wieder fällt, kann die „Richmond“ auch wieder eingesetzt werden. Und das soll bald häufiger der Fall sein. Denn bislang war es aufgrund von Personalmangels und hohem Krankenstand schwierig, die Mitarbeiter in die Nutzung der Gasfähre einzuweisen. Deren komplexe Technik muss aber umfangreich erprobt werden.

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Die gute Nachricht: „Inzwischen ist die Ausbildung der Mannschaften weitestgehend abgeschlossen und das Schiff wird Schritt für Schritt verstärkt in den Regelbetrieb eingeteilt“, so Teresa Gärtner. Die „Richmond“ wird ihre eigentliche Bestimmung, Fahrgäste über den See zu transportieren, also bald häufiger erfüllen. Dann wird im Hafen auch weniger oft ein Zsssschhht zu hören sein.