Bei den Fähren der Stadtwerke Konstanz brennt es. Wegen zunehmender Ausschreitungen und Überarbeitung kommt es zu Kündigungen auch unter Fährenmitarbeitern. Einer von denen, die noch da sind, ist Maschinist und Fährenführer Alexander Boos. Er macht seinen Job auf dem See eigentlich gerne. Aber er wünscht sich: mehr Respekt.
Das wäre wohl auch im Sinne seines Arbeitgebers, denn im Fährbetrieb fehlen bereits seit der Corona-Pandemie Saisonarbeiter. Die Folge: Weniger Fahrten, erzürnte Fahrgäste und wiederum ausgebrannte Fährenmitarbeiter – eine Abwärtsspirale. Würde der 33-Jährige nicht an seiner Heimatstadt Konstanz hängen, hätte er diesen Job wohl schon aufgegeben.
Rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, bewegen die Autofähren zwischen Konstanz und Meersburg Pendler, Touristen oder Lastwagen-Fahrer über den Bodensee. Alexander Boos hält an vier Tagen in der Woche als Maschinist, Fahrer oder Kassierer eine der Fähren mit zwei Kollegen über neun bis zehn Stunden am Laufen.
Oft fallen wegen geringer Mitarbeiterzahl oder Krankenständen Überstunden an, zum Abfeiern bleibt meist keine Zeit. Nicht selten arbeitet Boos wochenlang ohne ein richtiges Wochenende: „Es gibt Wochen, die sind schon eklig“, sagt er. Einige Urlaubstage mussten er und seine Kollegen mit ins nächste Jahr nehmen.
Zum Dank bespuckt und angeschrien
Wird es ihm und seinen Kollegen an Bord immerhin gedankt? Auf der Fähre jedenfalls oft nicht. Die schlechten Erfahrungen mit den Passagieren würden deutlich überwiegen, und sie nähmen seit der Corona-Pandemie weiter zu: „Die Polizei ist inzwischen mindestens ein Mal im Monat bei uns“, so Boos.
Eigentlich müssten er und seine Kollegen die Polizei sogar noch öfter rufen. Denn neben täglichem Anschreien, Meckern und gelegentlichen Spuckattacken, würden die Fährenmitarbeiter seltener auch bedroht, geschubst oder angefahren. „Wir könnten jedes Mal die Polizei rufen, dann werden wir aber nicht mehr fertig“, so Boos.
Er selbst wurde in seiner Lehrzeit einmal angefahren, als ein Autofahrer drängelte. Zunächst sei der Fahrer langsam gegen das Schienbein des Konstanzers gefahren, als dieser ihn anwies zu warten. Nach mehrmaligen drücken habe der Fahrer schließlich mehr Gas gegeben. „Dann lag ich auf einmal auf der Motorhaube“, berichtet der heute 33-Jährige.
Die Beamtenschiene und Rassismus
Alexander Boos sagt, er fühle sich oft wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt. Entweder sehe man ihn und seine Kollegen als Beamte oder Aushilfe in Warnjacke. „Viele geben einem das Gefühl, dass sie dich mit dem Ticket mit kaufen“, so Boos. Ihre Arbeit werde laut Boos als selbstverständlicher städtischer Dienst angesehen, über den die Bürger bestimmen dürfen.
Alexander Boos sagt aber noch etwas anderes: Kollegen mit Migrationshintergrund seien darüber hinaus sogar Rassismus ausgesetzt. Er habe schon mitbekommen, wie Kollegen als „Bimbo“ bezeichnet wurden oder dass ihnen gesagt wurde, dass sie in Massagestudios arbeiten sollen.
So ist es kaum verwunderlich, dass es unter den Fährenmitarbeitern zu Kündigungen oder Jobwechseln kommt. Ältere Kollegen seien wegen Stress auch schon früher in Rente gegangen und Maschinisten zur Deutschen Bahn oder den Schweizer Bundesbahnen gewechselt. Darüber hinaus hätten die Stadtwerke Probleme, Auszubildende nach ihrem Abschluss zu halten.
Alexander Boos kann das teilweise nachvollziehen: „Die ausgebrannten Tage nehmen zu.“ Die Geduld seiner Kollegen werde geringer, und auch er merke die Belastung. So habe er im letzten Jahr nach einem Streit eine Frau ruppig angesprochen, die schief auf die Fähre fuhr. Erst beim genaueren Hinsehen habe er dann gemerkt, dass die Frau medizinische Hilfe benötigte. „Das habe ich den ganzen Tag mit mir getragen“, erzählt Boos. „Nach einem Streit muss ich aber abschalten und darf das nicht mitnehmen.“

Der 33-Jährige gesteht, dass ihn aktuell nur noch die Verbundenheit zu seiner Heimatstadt Konstanz und zu den den Kollegen hält. Immerhin verbringen die Mitarbeiter die Schichten immer zu dritt auf den Fähren – das schweiße zusammen. Einen Umzug kann sich Boos deshalb nicht vorstellen. Ähnlich sei es bei vielen seiner Kollegen.
Er will nur respektvolle Behandlung
Dabei möchte Alexander Boos lediglich respektvoll auf der Arbeit behandelt werden: „Selbst 30 geschönte Sekunden Aufmerksamkeit wären schön.“ Eine Begrüßung, ein ruhiger Ton und eine Begegnung auf Augenhöhe, all das wäre schon ein Fortschritt für den 33-Jährigen.
Immerhin sei das ja auch möglich. So gebe es auch dankbare Passagiere – oft persönlich bekannte Pendler. Dankbar seien auch Kinder- und Behindertengruppen, die auf der Fähre fahren. Boos zeigt ihnen schon mal das Schiff, wenn er während der Fahrt Zeit hat. Zu Weihnachten bekommen er und seine Kollegen sogar ein Fresspaket von einem dankbaren Pendlerpärchen. „Es gibt auch noch viel Gutes, sonst wäre ich nicht mehr da“, sagt Alexander Boos dann doch versöhnlich.