Der Weg zum Schalter 4 und Andreas Bohn ist für manche ein Albtraum. Bohn arbeitet nämlich im Bürgerbüro. Der 58-Jährige freut sich aber sogar, wenn er wütende Gäste wieder runterbringen kann – er geht in seiner Arbeit auf. Doch bei gewalttätigen und beleidigenden Besuchern hört das auf. Er wünscht sich, dass die Besucher sich besser auf dem Weg zum Amt vorbereiten, denn das könne viele Konflikte schon im vorhinein verhindern.

Ein Leben hinter dem Schalter

Andreas Bohn arbeitet erst seit vier Monaten im Bürgerbüro, hinter einem Schalter ist der gelernte Versicherungskaufmann aber schon seit seiner Ausbildung. „Dienstleister war schon immer meins“, sagt der 58-Jährige lächelnd. Deswegen habe der Umzug aufs Amt ihm auch keine Sorgen bereitet. Schließlich seien seine früheren Kunden auch nicht immer gut gelaunt gewesen.

Er verstehe sogar deren Überforderung, denn die Wirren der Bürokratie gehören nicht zum Alltag seiner Kunden. „Für die Leute sind wir das Amt“, sagt der Konstanzer. Denn das die deutsche Bürokratie so ihre Tücken hat, für die viele Hilfe benötigen, das weiß auch er. „Man muss die Leute einfach abholen und das ist mein Job.“

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Er hat nur Angst vor seinen Kollegen

Der Neuling zeigt sich dann aber doch auch besorgt – allerdings wegen seiner Kollegen. Denn diese machen einen harten Job. Schließlich gäbe es genügend Vorfälle und Gründe um nicht so gelassen vom Bürgerbüro zu berichten, wie es der 58-Jährige tut.

Andreas Bohn neben der Infotafel des Bürgerbüros im Foyer. Dort kann es bei Krankheitsständen auch zu längeren Wartezeiten als geplant ...
Andreas Bohn neben der Infotafel des Bürgerbüros im Foyer. Dort kann es bei Krankheitsständen auch zu längeren Wartezeiten als geplant kommen. Ein Nachteil der Online-Terminvergabe, jedoch gab es auch bereits davor in diesen Fällen längere Wartezeiten. | Bild: Ridder, Sebastian

Bohn gesteht auch bisher Glück gehabt zu haben: Gepolter und Geschrei hatte er bisher nicht und etwa 85 Prozent der Menschen seien freundlich. Und selbst unfreundliche Kunden habe er schon beruhigen können. „In der Ausbildung haben wir das trainiert“, so Bohn.

Drohungen, Tränen und Hausverbote

Drohungen und Gebrüll habe er aber auch schon an anderen Schaltern mitbekommen. Seine Kollegen konnten ihm sogar von noch schlimmeren Vorfällen berichten: „Hier hat es wohl schon Drohungen, Tränen, körperliche Gewalt und Hausverbote gegeben“, so Bohn, „oft ist man froh, dass der Tisch dazwischen ist.“ Regelmäßig gäbe es solche Vorfälle nicht, aber wenn es um Handgreiflichkeiten geht, sei bereits eine zu viel. Zumindest wenn es nach dem Konstanzer geht.

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Gerade die Terminvergabe übers Internet – eine Maßnahme aus der Corona-Pandemie – sorge für frustrierte Kunden. „Wir sind da noch in einem Umgewöhnungsprozess“, so Andreas Bohn. Das Problem: die Termine werden bei Vollbesetzung vergeben. Bei einem Ausfall eines Mitarbeiters sind dann zu wenig Leute für die vereinbarten Termine vor Ort. „Für uns ist das toll. Wir können uns besser vorbereiten. Aber bei Krankenständen müssen die Kunden dafür dann warten“, sagt der 58-Jährige. „Ich entschuldige mich dann auch, ich kann es ja nachvollziehen.“

Die Klassiker für Konflikte auf dem Amt

Andererseits kämen viele Kunden auch auf den letzten Drücker oder ohne Unterlagen ins Büro. „Personal- und Reisepässe sind da Klassiker“, sagt er. „Dann wird vorausgesetzt, dass hier alle springen. Das fühlt sich nicht schön an.“ Er und seine Kollegen müssen dann viel Erklärungsarbeit leisten, aber manchmal sei einfach kein Verständnis von Seiten der Kunden da.

Er bleibe dennoch gelassen. Letztendlich könne er auch nur so seine Kunden beruhigen: „Wenn ich so eine schwierige Situation gelöst habe, sage ich mir auch schon mal selber: [...] Das war gut.“ Ein Rat von einem Kollegen habe ihm aber auch schon mal geholfen. Doch das Team fange sich auch gegenseitig nach solchen Gesprächen wieder auf. Im kurzen Gespräch mit seinen Kollegen könne Andreas Bohn mal durchatmen. Im Zweifel würde er sich oder seinen Kollegen aber auch eine kurze Auszeit nahelegen, denn es sei wichtig nicht verärgert oder aufgewühlt ins nächste Kundengespräch zu gehen. So können Konflikte vermieden werden.

Tränen der Freude

Der 58-Jährige wünscht sich das aber auch von seinen Besuchern. Konflikte ließen sich nämlich teilweise verhindern, wenn sich Besucher vorab über notwendige Unterlagen informieren und rechtzeitig für Ausweisverlängerungen kommen: „Die machen ihre Probleme zu unseren.“ Letztendlich erwarte er aber eigentlich nur Respekt von seinen Gegenübern. Schließlich sitzen Menschen hinter dem Schalter. Doch gelegentlich bekomme er den auch: So habe Bohn bereits einmal Trinkgeld angeboten bekommen sowie schöne Gespräche und Lob für seine Hilfe. „Ich freue mich über jedes Lächeln und Danke“, so Bohn.

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Eine Frau habe sogar schon einmal vor Freude geweint. Die Frau sei dort gewesen, um kurzfristig den Reisepass ihres Sohnes zu verlängern, jedoch ohne die schriftliche Einwilligung des Vaters. Bohn habe den Pass schon mal beantragt und der Frau erklärt, dass sie die fehlenden Unterlagen ohne Termin bei ihm nachreichen solle. So etwas sei in Ausnahmefällen auch mal möglich in der strikten Bürokratie des Bürgerbüros.