Idealismus: Ein schönes, inhaltsreiches Wort, das aus gutem Grund selten verwendet wird. Wer hat heute Werte und Ideale und tritt aus innerer Überzeugung für sie ein? Martina Vogl, Inhaberin des Voglhaus, kann man Idealismus zuerkennen. Sie ist eine Überzeugungstäterin, wohlwissend, dass sie durchaus auch dann und wann aneckt. Das stört sie nicht, sondern sie geht unbeirrt ihren eigenen Weg, denn eines ist ihr wichtig: „Ich will jeden Morgen in den Spiegel schauen können.“ Mit ihrem Gastronomie- und Einzelhandelsgeschäft Voglhaus versucht sie ihre Werte und Ideale umzusetzen. Dass man nicht einfach einen Schalter umlegen kann, sondern dass es ein lebenslanger Weg mit ständigen Optimierungen ist, um den Idealen nahe zu kommen, ist ihr bewusst. „Ich habe eine sozial-ökologische Mission. Der Betrieb ist Mittel zum Zweck“, sagt Martina Vogl.
Tierwohl und Klimaschutz
„Wir retten die Welt mit Genuss“, spricht sie ihren pointierten Slogan aus. Martina Vogl weiß, dass sie die Welt in ihrer Gesamtheit nicht zu retten vermag, aber im Kleinen will sie zumindest ihren Beitrag für eine bessere Welt leisten. Sie will, dass es ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gut geht und sie im Voglhaus ihren Lebensunterhalt verdienen können. Sie will den Kunden gute Qualität bieten – sprich: langlebige Produkte im Bereich ihres Einzelhandelsangebots und gesunde Lebensmittel, wobei sie auch Anbau- und Produktionsmethoden im Blick hat.
Mittlerweile hat sie im Bereich ihrer Gastronomie schon fast komplett auf vegan umgestellt. Der Grund: Zum einen liegt ihr das Wohl der Tiere am Herzen, denn Massentierhaltung ist für sie ein No-Go, zum anderen würde mit veganer Kost ein Beitrag zum Klimaschutz geleistet, was sie beim WeltverbEsserer Wettbewerb 2021 beispielhaft unter Beweis gestellt hat und dafür mit dem zweiten Platz ausgezeichnet wurde. Ihr Team hat nämlich in einer mehrjährigen Versuchsreihe mit nahezu 30 Experimenten das Ursprungsrezept ihres Zitronenkuchens veganisiert. Mittels der Klima-Core-App des Züricher Unternehmens Eaternity wurden dabei die CO2-Daten der Zutaten ermittelt. Statt 455 Gramm des CO2-Equivalents bringe das vegane Rezept nur noch 183 CO2-Equivalent auf die Waage, würdigte die WeltverbEsserer-Jury.
Klimaschutz war allerdings nicht der ausschlaggebende Punkt, warum Martina Vogl ihre Speisen und Getränke auf vegan umstellte. „Vor zehn oder zwölf Jahren hatte ich eine Mitarbeiterin eingestellt, die Veganerin war, und ich habe sie gefragt, was an der Verwendung von Eiern und Milchprodukten schlimm sei“, erzählt Martina Vogl. Nach kurzem Innehalten spricht sie davon, dass männliche Küken geschreddert werden, von der grausamen Haltung von Kühen, die „dauernd geschwängert werden, damit sie Milch produzieren, ihnen aber die Kälbchen weggenommen werden.“ Sie sagt: „Ich habe lange selbst unreflektiert gelebt.“
Rückkehr eines uralten Kompliments: „Schmeckt wie bei Oma“
Sukzessive hat sie dann ihr Speiseangebot auf vegane Kost umgestellt, was zugegebener Maßen tricky war, schließlich sollten die Kuchen ebenso „locker, fluffig und aromatisch sein wie vorher“, sagt sie, denn: „Ich will mit Taten überzeugen.“ Auch die vegane Variante des glutenfreien Voglhaus-Orangenkuchens ist nun geglückt, freut sich Martina Vogl und stellt zufrieden fest: „Jetzt ist unsere gesamte Speisekarte zu 100 Prozent vegan.“ Vegan steht aber weder in großen Lettern über dem Voglhaus, noch wird im Gastro-Bereich mahnend auf die Mission des Weltverbesserns verwiesen, denn Martina Vogls Ansatz ist ein anderer: „Wir retten die Welt mit Genuss.“ Eine Umstellung auf nachhaltige Ernährung „muss Spaß machen und darf nicht verbiestert angegangen werden. Ich will mit Leichtigkeit in eine positive Zukunft“, meint sie vergnügt. Sie erzählt von einer Kundin, die beim Marmorkuchen, von dem sie nicht wusste, dass er vegan ist, meinte: „Schmeckt wie bei Oma.“ Einen Unterschied hat sie gar nicht gemerkt und genau das wertet Vogl als größtes Kompliment an ihr Backstuben-Team, denn nur auf diese Weise könnten die Gäste auf den Geschmack einer veganen Ernährung kommen.
„Moralisch verwerflich“
Martina Vogl will nicht verbal missionieren, denn mit Diskussionen gelänge es selten, andere zu überzeugen. Sie will mit Taten überzeugen. Im Gegensatz zu den meisten Betrieben, die ihre Karten auf die Nachfrage ausrichteten, ist ihr Ansatz ein anderer: „Wir bestimmen unser Angebot und finden die Gäste dafür.“ Gesunde Ernährung sei gerade in der Gastronomie-Branche unendlich wichtig. „Ich kenne Kollegen, die essen nicht, was sie ihren Gästen vorsetzen. Das finde ich persönlich moralisch verwerflich.“
Im Segment der Getränke hat Martina Vogl noch nicht komplett auf vegan umgestellt, denn sie will ihre Gäste erst neugierig und schonend mit der veganen Alternative von Kuhmilch vertraut machen. Dafür gibt es ein Bonuskärtchen: Wer statt eines Cappuccinos mit Kuhmilch einen mit Soja- oder Haferdrink trinkt, bekommt beim zwölften Mal ein Stück Kuchen gratis. Auf dem Kärtchen wird jedoch nicht auf das Tierwohl verwiesen, sondern konkret die Einsparung des CO2-Equivalents benannt. Warum? „Das ist eine messbare Größe. Da muss man nicht diskutieren“, erklärt Martina Vogl. Und eben diese in Zahlen definierte Einsparung könne Spaß machen, denn das Voglhaus-Team freue sich ja selbst über die Einsparungen, die sie mit der Umstellung erreichen.
Das Ziel: Die Zertifizierung des Voglhauses
Zurücklehnen tut sich Martina Vogl selbstverständlich nicht. Das würde auch gar nicht zu der vergnügten, agilen, umtriebigen Überzeugungstäterin passen. Sie freut sich gerade, dass sie ein neues, qualitativ hochwertiges Mehl aus der Region Bodensee gefunden hat. „Bauern im Hegau haben auf Bio umgestellt“, hebt Vogl hervor und kommt auf den „sortenreinen Urdinkel“ zu sprechen, der „in der Steigmühle gemahlen wird“. Warum sie jetzt zu den Großkunden zählt: „Erstens ist das Mehl aus der Region und zweitens ist der Anteil an Vollkorn – wir nehmen das 1100er – wesentlich höher. Ja, so drehen wir Schraube für Schraube“, schmunzelt sie und berichtet, dass das Voglhaus-Team „jetzt noch veganen Eierlikör, veganen Feta und veganen Mozzarella aus eigener Herstellung“ anbieten wolle. Damit nicht genug, denn sie denkt schon weiter: „Ich will das Voglhaus noch zertifizieren lassen. Wahrscheinlich Bioland oder Demeter, denn da sind die Standards noch schärfer, als in der EU.“ Und schon hat sie sich das nächste Ziel gesetzt, um wiederum einen Beitrag zu einer besseren Welt, wie Martina Vogl sie sich vorstellt, zu leisten.