Der Junge wurde nur sieben Jahre alt, er besuchte lediglich die ersten Wochen der zweiten Klasse. Jetzt, ein Jahr nach seinem Tod, ist an der rückseitigen Mauer der Stephansschule ein Herz aus Grablichtern gestellt, in der Mitte liegt ein gemaltes und geschriebenes Kinderbild: „Ich vermisse dich“ steht darauf. Am 18. September 2023 war der Junge im Schwimmunterricht unter Wasser geraten, wenige Tage nach dem Unfall starb er an den Folgen des Unfalls.

Die Menschen, die an diesem Spätsommerabend hierher kommen, kennen sich, es sind etwas mehr als zehn. Leise Gespräche hier und da, kaum jemand tritt näher an das Herz aus Kerzen heran, als könne der räumliche Abstand auch den Schmerz fernhalten. Darshan Pandya, der Vater des verunglückten Jungen, ist ebenfalls gekommen, aber er will an diesem Abend nichts sagen, nur still gedenken und die Anwesenheit der anderen, seiner Unterstützer, spüren. „Es ist ein sehr schwerer Tag heute. Aber jeder Tag ist schwer für uns“, sagt er. Er denke täglich an seinen Sohn, dessen Name „mit einem reinen Herzen“ bedeutet. Und das habe er wirklich gehabt, ein reines Herz, erinnert sich der Vater.

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Trauer und Bitterkeit, beides bestimmt im Moment sein Leben und das seiner Frau. Der Mann, der erst 2022 mit seiner Familie aus Winterthur aus beruflichen Gründen nach Konstanz zog, ringt sichtlich darum, Trauer, Zorn und Wut zu verarbeiten und wieder zu einem Lebenssinn zu finden. Vergangenes mischt sich mit Gegenwärtigem.

Darshan Pandya wünscht sich sehnlichst Gerechtigkeit, ihm ist aber wohl bewusst, dass er diese nicht selbst herbeiführen kann. Dennoch: Auf die Suche nach Verantwortlichen für den Tod seines Sohnes will er nicht verzichten. Deshalb hat er ein Verfahren gegen die Lehrkräfte, die im Schwimmunterricht zum Zeitpunkt des Unfalls anwesend waren, angestrengt.

Das soll keiner Familie mehr passieren

Er wünscht sich Veränderungen und versteht die Haltung des Regierungspräsidiums nicht. Warum es sich nicht bewege und dafür sorge, dass überall im Regierungsbezirk dieselben Regeln gelten und eine ausreichende Anzahl an Aufsichts- und Lehrpersonal im Schwimmunterricht anwesend sei? „Was uns passiert ist, sollte keiner anderen Familie jemals wieder passieren“, sagt Pandya. Vielleicht eine winzige Möglichkeit, den Tod auf Abstand zu halten, zumindest für andere.

Lange haben sie sich hier an dieser Stelle versammelt, vor einem Jahr, ebenfalls mit Kerzen und einem selbst gestalteten Mosaik. Dann wurde die Gedenkstätte abgeräumt, seither ist der Platz wieder leer, die Erinnerung hat sich in Innenräume verlagert. Andere Ideen entstanden: Im Wald bei St. Katharina haben Darshan Pandya und seine Unterstützer einen Baum für seinen Sohn pflanzen lassen.

Familien der Klassenkameraden des Jungen gedenken seiner vor der Stephansschule am Jahrestag seines Todes.
Familien der Klassenkameraden des Jungen gedenken seiner vor der Stephansschule am Jahrestag seines Todes. | Bild: Wagner, Claudia

Michael Dobbins ist einer der Erwachsenen, die sich an diesem Jahrestag um das auf dem Asphalt leuchtende Herz gruppieren. Sein Sohn, damals Viertklässler und auch Schüler der Stephansschule, war der Pate des Verunglückten. „Nur wenige Tage vor dem Unfall haben die beiden während eines Ausflugs auf den Kreuzlinger Spielplatz miteinander gespielt“, berichtet Dobbins. Die Jungs hätten einander sehr gemocht.

„Eine herzzerbrechende Zeit“

Nach dem Tod des Jungen sei sein Sohn am Boden zerstört gewesen, später sei er recht besonnen mit den eigenen Gefühlen umgegangen. Die Verbindung der beiden Jungen hat Michael Dobbins dazu angeregt, sich dem Trauerkreis anzuschließen und den verwaisten Eltern zu helfen. Eine andere Mutter berichtet davon, dass es für ihre Tochter, eine Klassenkameradin, „eine herzzerbrechende Zeit“ gewesen sei. „Sie war lange Zeit sehr traurig, hatte Alpträume und hat Lieder für ihren Klassenkameraden geschrieben“, sagt sie. Das Mädchen ist eines der wenigen Kinder, die an diesem Gedenkabend dabei sind.

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Irgendwann ist die Sonne untergegangen und reflektiert nicht mehr an der angrenzenden Wand. Die kleine Gruppe steht noch eine Weile zusammen, die Gespräche wandern, die Stimmung bleibt ernst und gefasst. Für Darshan Pandya ist auch an diesem Abend deutlich geworden: Er steht nicht alleine da und, was ihm vielleicht noch wichtiger ist: Sein Sohn ist nicht vergessen.