Ein Schwimmlehrer für bis zu 28 Grundschüler: Das ist laut Organisationserlass des Kultusministeriums Baden-Württemberg für den Sportunterricht – und damit auch für den Schwimmunterricht – vorgesehen. Dass diese Vorgabe in der Praxis zu einer Überforderung der Lehrkraft führt, darin sind sich Konstanzer Eltern einig.

Nachdem ein Zweitklässler der Stephansschule während seiner ersten Schulschwimmstunde ertrunken war, forderten viele Familien mehr Personal beim Grundschulschwimmen, unter anderem mit einer Petition. Selbst zwei Lehrkräfte seien nicht genug, um auf so viele Kinder aufzupassen, zumal sich in jeder Klasse anfangs einige Nichtschwimmer befinden, so die Initiatoren.

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Genau dies hatte der Schwimmklub Sparta bereits lange vor dem tragischen Vorfall erkannt und stieß bei der Stadt Konstanz auf offene Ohren. Sparta entwickelte ein Konzept, bei dem hauptamtliche Trainerinnen alle Konstanzer Grundschulen im Schwimmunterricht unterstützen. Doch die Idee scheiterte ein Jahr vor dem Unglück im Haupt- und Finanzausschuss: Zu teuer.

Projekt wird doch gefördert

Das Projekt war damit allerdings nicht vom Tisch, denn viele Stadträte waren sich einig, dass die Initiative notwendig ist. Nach dem Vorfall im Hallenbad am Seerhein wurden die Gespräche zwischen dem städtischen Amt für Bildung und Sport, den Schulleitungen und Sparta wieder aufgenommen.

Tatsächlich fand sich mit der Crescere-Stiftung Bodensee ein Förderer, der die zusätzlichen Sparta-Trainerinnen für zunächst drei Jahre bezuschusst. Deshalb ist seit diesem Schuljahr in allen elf Konstanzer Grundschulen zusätzlich eine Sparta-Fachkraft anwesend. Manche Schulen stiegen schon früher in das Programm namens „Schwimmenlernen lernen“ ein.

Für Stiftungs-Vorstandsmitglied Stephan Tögel geht damit ein Herzenswunsch in Erfüllung: „Bei Kindern am Bodensee sehe ich das Schwimmenlernen schon fast als Grundrecht an“, sagt der Rechtsanwalt. Er habe „berechtigte Hoffnung, dass mit dem Programm ein wesentlicher ergänzender Beitrag zu einem erfolgreichen schulischen Schwimmunterrichtsangebot geleistet wird.“

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So sieht es auch Sparta-Vorsitzende Ursula Klaußner. Die beiden hauptamtlichen Trainerinnen des Schwimmklubs, Andreia de Salles und Juliane Oswald, hätten gute Erfahrungen mit der Kooperation gemacht: „Die Zusammenarbeit mit den Lehrkräften ist überwiegend sehr gut und wertschätzend.“ Übermäßige Unsicherheit bei den Lehrerinnen und Lehrern sei nicht zu spüren. „Aber der Unfall hat dazu geführt, dass die Beteiligten für die Gefahren in und um das Wasser nochmal mehr sensibilisiert wurden“, so Klaußner.

Das Gefühl im Schwimmbad ist anders

Auch die Stephansschule profitiere von dieser Kooperation, wie Heike Spannagel, Pressesprecherin des Regierungspräsidiums (RP) Freiburg, schreibt. Zusätzlich hätten alle Schwimmlehrer der Stephanschule, die im vergangenen oder aktuellen Schuljahr eingesetzt werden – so wie weitere Konstanzer Schwimmlehrer – ihre Rettungsfähigkeit aufgefrischt.

Dennoch gingen die Lehrkräfte der Stephansschule „durchaus mit einem anderen Gefühl zum Schwimmunterricht“, sagt Sprecherin Heike Spannagel. „Ihre große Verantwortung ist ihnen sehr bewusst.“

„Die Lehrkräfte der Stephansschule gehen durchaus mit einem anderen Gefühl zum Schwimmunterricht. Ihre große Verantwortung ist ihnen ...
„Die Lehrkräfte der Stephansschule gehen durchaus mit einem anderen Gefühl zum Schwimmunterricht. Ihre große Verantwortung ist ihnen sehr bewusst“, sagt RP-Sprecherin Heike Spannagel. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Seit dem Tod des Jungen befasste sich die Schule auch mit der Organisation des Schwimmunterrichts: „Eine Arbeitsgemeinschaft aus Lehrkräften, Eltern und Schulleitung hat alle Abläufe und die Info-Papiere zum Schwimmunterricht reflektiert und überarbeitet. Die aktuelle Fassung liegt jetzt auch auf Englisch vor, damit alle Eltern sie verstehen können.“

Weniger Nichtschwimmer durch mehr Personal

Ursula Klaußner vom Schwimmklub Sparta ist überzeugt von der Kooperation mit den Grundschulen. Sie empfindet diese nicht nur als punktuelle Unterstützung für ein besseres Gefühl, sondern die Ergebnisse seien messbar: „Wir konnten die Nichtschwimmerquote bei den Schulen, die wir über einen längeren Zeitraum unterstützt haben, deutlich senken.“

(Archivbild) In den Schwimmkursen der DLRG oder des Schwimmklubs Sparta (wie auf diesem Bild im Schwaketenbad) ist immer deutlich mehr ...
(Archivbild) In den Schwimmkursen der DLRG oder des Schwimmklubs Sparta (wie auf diesem Bild im Schwaketenbad) ist immer deutlich mehr Personal dabei als für das Schulschwimmen vorgeschrieben. | Bild: Hanser, Oliver

Diese Aussage soll nun mit Fakten unterlegt werden: Die Stadt hat zu Beginn des neuen Schuljahres eine Evaluation des Programms „Schwimmenlernen lernen“ gestartet. „Gleichzeitig stehen wir im Austausch mit der Fachgruppe Sport der Universität Konstanz, die wir um eine Stellungnahme zu den Rahmenbedingungen eines erfolgreichen Schwimmunterrichts an Grundschulen gebeten haben“, schreibt die städtische Pressestelle.

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Wenn die Kooperation mit dem Schwimmklub nachweisbar „einen wesentlichen Beitrag zur Erlangung der Schwimmfähigkeit im Rahmen des schulischen Schwimmangebotes beitragen kann“, soll im Anschluss an die zweijährige Probephase geprüft werden, ob die Stadt sich weiterhin beteiligt.

Darauf hofft Ursula Klaußner: „Wir suchen jetzt noch nach Unterstützern des Projekts und werden nach Ablauf der Förderung erneut im Gemeinderat dafür werben.“ Denn ihr Verein gehe davon aus, „dass die positiven Ergebnisse, die wissenschaftliche Begleitung und die Evaluation den Gemeinderat von der Notwendigkeit überzeugen, dieses Projekt dauerhaft zu finanzieren.“

„Der Unfall hat dazu geführt, dass die Beteiligten für die Gefahren in und um das Wasser nochmal mehr sensibilisiert wurden“, sagt ...
„Der Unfall hat dazu geführt, dass die Beteiligten für die Gefahren in und um das Wasser nochmal mehr sensibilisiert wurden“, sagt Ursula Klaußner, Vorsitzende des Schwimmklubs Sparta. | Bild: Kirsten Astor

Trotz der guten Zusammenarbeit von Schulen und des Schwimmklubs Sparta steht für die Stadt aber eines fest: „Für die Sicherheit, Pädagogik und Umsetzung des Schwimmunterrichts sind weiterhin die Schulen verantwortlich.“