In der größten Stadt am Bodensee soll jedes Grundschulkind schwimmen lernen – darin sind sich Eltern, Lehrer, Stadträte und Verwaltung einig. Doch seit drei Jahren steht die Frage im Raum, wie das konkret umgesetzt werden könnte. Denn Schwimmkurse von Vereinen oder der Bädergesellschaft sind völlig überlaufen. Und beim Schwimmunterricht an Grundschulen ist seitens des Kultusministeriums Baden-Württemberg nur eine Lehrkraft für 25 Kinder vorgesehen.

Für die externe Unterstützung durch qualifizierte Schwimmtrainerinnen war aber bislang kein Geld da, zumindest nicht für alle Grundschulen. Das ändert sich ab sofort: Die Crescere-Stiftung Bodensee mit Sitz in Konstanz springt ein und finanziert drei Jahre lang zusätzliches Personal im Grundschul-Schwimmunterricht. Das Programm nennt sich „Schwimmenlernen Lernen“.

Für Vorstandsmitglied Stephan Tögel geht damit ein Herzenswunsch in Erfüllung: „Bei Kindern am Bodensee sehe ich das Schwimmenlernen schon fast als Grundrecht an“, sagt der Rechtsanwalt. Auch Wolfgang Münst, Vorsitzender der Stiftung, findet frühzeitige Angebote wichtig. „Gerade bei Kindern mit Migrationshintergrund“, ergänzt er.

„Bei Kindern am Bodensee sehe ich das Schwimmenlernen schon fast als Grundrecht an“, sagt Rechtsanwalt Stephan Tögel, ...
„Bei Kindern am Bodensee sehe ich das Schwimmenlernen schon fast als Grundrecht an“, sagt Rechtsanwalt Stephan Tögel, zweiter Vorsitzender der Crescere-Stiftung Bodensee. | Bild: Kirsten Astor

Eine Lehrkraft für 25 Kinder im Wasser: „Das ist viel zu wenig, um sinnvollen und sicheren Unterricht anbieten zu können“, sagt eine, die es wissen muss: Juliane Oswald war Leistungsschwimmerin, ist nun zertifizierte Trainerin, hat viele Jahre lang in Australien und Neuseeland Schwimmen unterrichtet und tut dies nun auch seit zehn Jahren in der Schweiz.

„Solch ein Personalschlüssel führt dazu, dass manchmal fünf Kinder schwimmen, der Rest steht am Beckenrand und friert“, so Oswald. In Konstanz gehe zum Glück keine Grundschule mit nur einer Lehrkraft ins Schwimmbecken. „Aber es gibt hier Grundschulen, die mit 46 Kindern ins Bad kommen, davon waren anfangs 26 Nichtschwimmer.“

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Inzwischen können von dieser Gruppe der Grundschule Petershausen alle Kinder bis auf vier sich eigenständig über Wasser halten. Diesen Erfolg verdanken sie nicht zuletzt Juliane Oswald und ihrer Kollegin Andreia de Salles: Die beiden hauptamtlichen Trainerinnen des Schwimmklubs Sparta sind dort als zusätzliche Kräfte im Schwimmunterricht dabei.

Wer soll bezahlen – das Land oder die Stadt?

Die Petershauser Schule und die Berchenschule profitierten als Pilotschulen von der Kooperation zwischen Konstanzer Grundschulen, dem Schwimmklub Sparta und der Stadt Konstanz. Doch es fehlte das Geld, um alle Schulen in das Programm aufzunehmen – auch deshalb, weil nicht alle Stadträte der Ansicht waren, dass die Stadt für eine Leistung bezahlen sollte, die eigentlich das Land übernehmen müsste.

Sie freuen sich, dass zumindest für drei Jahre die Finanzierung externer Schwimmtrainerinnen an Konstanzer Grundschulen möglich ist (von ...
Sie freuen sich, dass zumindest für drei Jahre die Finanzierung externer Schwimmtrainerinnen an Konstanzer Grundschulen möglich ist (von links): Bürgermeister Andreas Osner, Stephan Tögel und Wolfgang Münst von der Crescere-Stiftung Bodensee, Alexander und Ursula Klaußner vom Schwimmklub Sparta, Frank Schädler vom Amt für Bildung und Sport und Schwimmtrainerin Juliane Oswald. | Bild: Kirsten Astor

So wurde das große Programm zunächst zurückgestellt. Als auch restliche Landesfördergelder aufgebraucht waren, stand die externe Schwimmunterstützung im Dezember 2023 vor dem Aus.

„Zu diesem Zeitpunkt habe ich eine enorme Verunsicherung unter den Lehrkräften, aber auch unter Eltern gespürt“, sagt Juliane Oswald. Denn wenige Monate zuvor war im Grundschul-Schwimmunterricht ein siebenjähriger Junge ertrunken. „Viele Lehrer hatten Angst, dass ihnen dasselbe passiert“, berichtet Oswald. „Da dachte ich: Es kann nicht sein, dass wir unser Konzept nicht weiterverfolgen.“

„Kein gesichertes Schulschwimmen in einer Stadt am Bodensee, das kann doch nicht wahr sein!“, findet die hauptamtliche ...
„Kein gesichertes Schulschwimmen in einer Stadt am Bodensee, das kann doch nicht wahr sein!“, findet die hauptamtliche Schwimmtrainerin Juliane Oswald. | Bild: Kirsten Astor

Sie wandte sich an Bürgermeister Andreas Osner und an Frank Schädler, Leiter des Amts für Bildung und Sport, um erneut einen Anstoß zu geben. „Ich bin mir nicht sicher, ob sonst nicht Lehrer gesagt hätten, dass sie gar keinen Schwimmunterricht mehr machen. Denn wie beim Religionsunterricht kann auch kein Lehrer dazu verpflichtet werden, Schwimmen anzubieten“, sagt Oswald.

Und was wäre dann gewesen? „Kein gesichertes Schulschwimmen in einer Stadt am Bodensee, das kann doch nicht wahr sein!“, findet die Trainerin. So sahen es auch Schädler und Osner, die den Kontakt zur Crescere-Stiftung und zur Universität Konstanz herstellten. Beide loben auch die fruchtbare Kooperation von Kommune und Bürgern.

„Es ist der Wahnsinn, was zustande kommt, wenn eine Kommune mit Bürgern kooperiert“, schwärmt Bürgermeister Andreas Osner.
„Es ist der Wahnsinn, was zustande kommt, wenn eine Kommune mit Bürgern kooperiert“, schwärmt Bürgermeister Andreas Osner. | Bild: Hanser, Oliver

Für die Vereine allerdings stellt dies eine neue Herausforderung dar. „Wir als Ehrenamtliche müssen plötzlich hauptamtliche Trainer anstellen“, sagt Sparta-Vorsitzende Ursula Klaußner. Doch der Verein steht voll hinter dem Schwimmkonzept. Die ersten Erfolge sprechen für sich – und sie sollen künftig wissenschaftlich evaluiert werden.

In einer Studie könnte das Schulschwimmen analysiert und dabei überprüft werden, ob die personellen und didaktischen Vorgaben des Landes noch zeitgemäß sind. „Die Ergebnisse könnten fürs Kultusministerium extrem unbequem werden“, vermutet Andreas Osner.

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Er wünscht sich deshalb, dass das Konstanzer Projekt landesweit Nachahmer findet. Auch Juliane Oswald hofft auf ein Umdenken in Deutschland: „In anderen Ländern wird Schulschwimmen längst von externen Kräften angeboten. Die Grundschullehrer hier machen alles nach bestem Wissen und Gewissen, aber niemand kann verlangen, dass sie dieselbe Expertise haben wie hauptamtlichen Trainer.“