„Der liebe Gott schenkt mir Licht und Sonne, das muss man doch nutzen“, sagte Michael Breuninger aus Konstanz und kaufte sich 2020 seine Steckersolaranlage für seinen Balkon.

Jetzt, nach fünf Jahren Ärger, darf Breuninger dieses Licht und diese Sonne auch endlich nutzen – und zwar völlig legal.

„Wissen Sie“, sagt Breuninger im Gespräch mit dem SÜDKURIER, „eigentlich bin ich vollkommen normal. Aber ich bin auch ein wenig naiv und gehe gerne mit dem Holzhammer durch die Gegend.“

Denn sein Vorhaben, an seinem Balkon ein Balkonkraftwerk für 1800 Euro anzubringen, um Stromkosten einzusparen und gleichzeitig der Umwelt etwas Gutes zu tun, war längst nicht so einfach, wie er 2020 noch dachte.

Ein Jahr lang stand sie im Wohnzimmer

Die Eigentümergemeinschaft in der Konstanzer Benedikt-Bauer-Straße machte Breuninger einen Strich durch die Rechnung. Ein erster Versuch, bei den Mit-Eigentümern im Haus eine Zustimmung zu erhalten, scheiterte. Wegen Corona fand keine Eigentümerversammlung statt. „Meine liebe Frau Sandra war unglaublich sauer, weil das Ding ein Jahr im Wohnzimmer herumstand“, sagt Breuninger.

Der nächste Versuch, eine Erlaubnis seiner Mit-Eigentümer zur Installation einzuholen, scheiterte ebenso mit acht zu zwölf Stimmen im Jahr 2021 – einige Nachbarn fühlten sich optisch gestört. „Dann war das eigentlich für mich erledigt“, sagt Breuninger heute.

Michael Breuninger ist erleichtert. Nach Jahren des Konflikts ist klar: Er darf sein Balkonkraftwerk weiterhin nutzen und das völlig legal.
Michael Breuninger ist erleichtert. Nach Jahren des Konflikts ist klar: Er darf sein Balkonkraftwerk weiterhin nutzen und das völlig legal. | Bild: Hanser, Oliver

Als der Ukraine-Krieg ausbrach und eine Energiekrise mit sich brachte, ließ er seine Anlage im Mai 2022 aufhängen und wollte sie nachträglich genehmigen lassen.

„Der liebe Ministerpräsident (Winfried Kretschmann, Anm. d. Red) hat dazu geraten, Wasser zu sparen und sich mit dem Waschlappen zu waschen und Strom zu sparen, denn jedes Watt sei ein gutes Watt“, sagt Breuninger. „Das mit dem Waschlappen habe ich gelassen, ich habe trotzdem geduscht, aber die Anlage habe ich dann aufgehängt.“ Doch er scheiterte mit 9 zu 11 Stimmen – ein Fehler, wie er heute eingesteht.

Durch sein Balkonkraftwerk konnte Michael Breuninger seine monatlichen Stromkosten von rund 70 bis 90 Euro im Monat auf 16 Euro reduzieren.
Durch sein Balkonkraftwerk konnte Michael Breuninger seine monatlichen Stromkosten von rund 70 bis 90 Euro im Monat auf 16 Euro reduzieren. | Bild: Hanser, Oliver

2023 ging der Streit vor dem Konstanzer Amtsgericht in die nächste Runde – und scheitert. An das Aufgeben dachte man aber zu keinem Zeitpunkt. Vor das Landgericht Karlsruhe wollte man ziehen, sein Anwalt Sascha Händle und er malten sich gute Chancen aus.

Doch dazu sollte es nie kommen – die offizielle Erlaubnis für sein Balkonkraftwerk hat Michael Breuninger nun bei seinem vierten Antrag in fünf Jahren bekommen.

Bundesweiter Rummel um das Balkonkraftwerk

Das „Happy End“ ins Rollen gebracht hat im Frühjahr 2023 eine bundesweite Petition, die natürlich auch Michael Breuninger unterschrieb. In 40 Tagen seien 100.001 Unterschriften für ihn zusammengekommen, sagt Breuninger.

Um den heutigen 64-Jährigen herrschte ein bundesweiter Medienrummel: Überregionale Zeitungen wie die Zeit oder die Süddeutsche Zeitung schrieben über seinen Versuch, Rechtsgeschichte neu zu schreiben, der SWR klopfte an, erzählt Breuninger, mit einem Drehteam von RTL sollte er gemeinsam nach Berlin fliegen, um die Petition dem Petitionsausschuss dem Deutschen Bundestag vorzulegen. „Ich hatte plötzlich das berühmteste Balkonkraftwerk Deutschlands“, sagt Breuninger.

Er sei zu früh dran gewesen

Durch den ganzen Rummel um sein Balkonkraftwerk sei ihm klar geworden, dass er nicht mehr nur für sich selbst kämpft, sondern auch für andere in der gleichen Lage: „Ich allein bin nicht viel wert, aber wenn jeder so ein Ding hat, kann man etwas bewirken.“

Als Held sieht er sich trotzdem nicht. „Damals dachte ich noch, ich will Strom sparen, also bin ich der Held des Tages. Aber eigentlich war ich der Depp des Tages, weil jeder dachte, dass die Bude niederbrennt. Ich war damit einfach zu früh dran.“

Gleichgesinnten rät er zu einem positiven Kontakt mit Mit-Eigentümern, den es bei ihm nicht immer gegeben habe: „Ich habe schon provoziert“, gibt er zu. „Man sollte aber ja nicht so aggressiv vorgehen wie ich, sondern lieber vorher abklären, welche Bedingungen jeder hat und dann eine gemeinsame Linie finden.“

Kosten für den Rechtsstreit waren gering, sagt er

Für Breuninger, der keine Rechtsschutzversicherung habe, hat der Kampf außer Nerven, natürlich auch Geld gekostet – aber gar nicht so viel, wie er sagt. 400 bis 500 Euro für seinen Anwalt Sascha Händle, circa 450 Euro Prozesskosten am Amtsgericht, für das Landgericht musste er 800 Euro vorschießen. Wie viel Geld es genau war, weiß er nicht mehr.

Dafür spart er durch sein Balkonkraftwerk tatsächlich einiges an Stromkosten: Wo er vorher im Monat rund 70 bis 90 Euro an die Stadtwerke zahlen musste, konnte er die Vorauszahlung auf 16 Euro im Monat reduzieren. „Man lernt mit dem Tag zu leben“, sagt der 64-Jährige, „und entwickelt damit auch etwas einen Altersgeiz. Warum soll ich dann Wäsche waschen, wenn es draußen dunkel ist?“

Vom Fördergeld geht er etwas essen

Von der Stadt Konstanz gab es jetzt – nach fünf langen Jahren – noch ein Fördergeld von 200 Euro obendrauf. „Davon schnappe ich mir meine Sandra und wir gehen etwas essen“, sagt er.

Für ihre Unterstützung in dem ganzen Trubel ist Breuninger unendlich dankbar: „Wir sind jetzt 43 Jahre zusammen, der liebe Gott hat diese Frau nur für mich geschaffen, denn sie ist die einzige, die es mit mir aushält.“

Auch ist er dankbar für den „riesen Zinnober“, das die Medien um ihn veranstaltet haben: „Die Schlagzeilen vom SÜDKURIER waren der Hammer und haben mir viel geholfen, sonst hätte ich aufgegeben.“

Sandra und Michael Breuninger haben sich 1982 im Freizeitbad Jakob kennen- und lieben gelernt.
Sandra und Michael Breuninger haben sich 1982 im Freizeitbad Jakob kennen- und lieben gelernt. | Bild: Scherrer, Aurelia

Nun freut er sich, dass es endlich geschafft ist: „Mein Körper vibriert heute den ganzen Tag von den vielen Anrufen am Handy, jeder freut sich mit mir.“ Was er jetzt vor hat? „Mal 14 Tage keinen Blödsinn machen“, sagt er und schmunzelt.