Der Gemeinderat steht kurz vor einer weitreichenden Entscheidung zum öffentlichen Nahverkehr in Konstanz: Die Verwaltung schlägt vor, dass schon in einem Jahr ein klimaneutral elektrisch betriebener Wasserbus vom neuen Parkhaus beim Bodenseeforum in die Stadt und wieder zurück pendelt. Er soll vor allem Besucher der Stadt transportieren und so das Zentrum vom Autoverkehr entlasten.

Ein positiver Grundsatzbeschluss liegt vor, doch nun liegen erstmals Zahlen und Details zum Angebot auf dem Tisch. Bereits am Dienstag, 27. Mai, soll der Technische und Umweltausschuss darüber abstimmen, Ende Juni dann voraussichtlich der gesamte Gemeinderat. Was wird aktuell diskutiert? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Welche Route und welcher Fahrplan sind vorgesehen?

Der Wasserbus soll zwischen dem Steg beim Bodenseeforum und dem Anleger bei der Imperia pendeln. Die Strecke ist rund 1,8 Kilometer lang. Unter anderem wegen des Tempolimits von 10 Kilometern pro Stunde auf dem Seerhein ergibt sich eine Fahrzeit von „maximal 15 Minuten“, wie es in der Vorlage der Verwaltung heißt. Zunächst ist die Anschaffung eines Schiffs geplant. Das ermöglicht einen 40-Minuten-Takt.

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Das Schiff soll an 163 Tagen im Jahr (vor allem Freitage, Samstage, Sonn- und Feiertage) zwischen 10.15 bis 20.40 Uhr verkehren. Zum Nachladen der Akkus und für die vorgeschriebenen Pausen der Besatzung ist allerdings eine Mittagspause erforderlich. Mit einem zweiten Schiff wäre ein 20-Minuten-Takt möglich.

Was kostet die Einrichtung des Wasserbusses?

Ein E-Schiff kostet laut Verwaltung rund 2,3 Millionen Euro – als Basis dient ein in Norwegen bereits erfolgreich eingesetzter Typ, das Hyke Shuttle. Es ist 15 Meter lang, 5,7 Meter breit und kann 60 Passagiere befördern. Es soll eine Lebensdauer von mindestens 20 Jahren haben. Hinzu kommen einmalig die Ladestation, mögliche Anpassungen an den Anlegern sowie Schulungen und Erprobungen.

Die laufenden Kosten umfassen unter anderem das Gehalt der Besatzung (zwei Personen sind derzeit vorgeschrieben), den Strom (geschätzt werden 2,0 bis 2,4 Kilowattstunden), Wartung und Instandsetzung. Die jährlichen Gesamtkosten berechnet die Verwaltung für einen Start mit nur einem Schiff mit rund 480.000 Euro. Bei zwei Schiffen wären sie in etwa doppelt so hoch.

Käme laut Stadtwerken in Frage: Das Modell Hyke Shuttle 0001 aus Norwegen.
Käme laut Stadtwerken in Frage: Das Modell Hyke Shuttle 0001 aus Norwegen. | Bild: Hyke/Hydrolift Smart City Ferries AS

Was müssen die Fahrgäste für die Nutzung bezahlen?

Den Kosten stehen Einnahmen gegenüber. Die Einzelfahrt soll 4,65 Euro kosten, das sind 1,55 Euro mehr als aktuell ein Busfahrschein. Eine Tageskarte wird mit 9,15 für Erwachsene und 18,30 Euro für eine Gruppe mit bis zu fünf Personen kalkuliert. Das Parken im neuen Parkhaus an der Schänzlebrücke kommt noch dazu. Zahlen soll auch, wer schon ein ÖPNV-Abo hat: Das Deutschlandticket oder die bei Feriengästen beliebte Bodensee-Card soll auf den Schiffen zunächst nicht gelten.

Die Einnahmen werden die Kosten laut Verwaltung nicht vollständig decken. Bei einer Auslastung von durchschnittlich 40 Prozent – über alle 163 Betriebstage von morgens bis abends – kämen Einnahmen von 445.000 Euro herein, der Zuschuss betrüge dann nur 35.000 Euro. Falls die Auslastung aber nur zehn Prozent beträgt, läge das Defizit bei 310.000 Euro. Dieses Minus soll aus der Tourismus- und Klimaschutzabgabe, auch als Bettensteuer bekannt, bestritten werden.

Damals kostete die Fahrt 20 Pfennig: Vor dem Bau der Fahrradbrücke hat eine kleine Fähre jahrzehntelang die Verbindung über den Seerhein ...
Damals kostete die Fahrt 20 Pfennig: Vor dem Bau der Fahrradbrücke hat eine kleine Fähre jahrzehntelang die Verbindung über den Seerhein in Konstanz sichergestellt. Das Bild entstand 1990, kurz vor Einstellung des defizitären Betriebs. | Bild: Archiv Finke

Wie werden die Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidung eingebunden?

Das ist nicht vorsehen. Die Stadtverwaltung lehnt die Einrichtung eines Bürgerinnenrats ab, wie er von FGL&Grünen schon vor Monaten gefordert wurde. Das Projekt sei nicht kontrovers, heißt es unter anderem zur Begründung. Außerdem seien die Kosten von 7000 Euro zu hoch. Auch habe die Einführung des Wasserbusses „keine wesentliche Auswirkung auf die Bevölkerung, auf Vereine oder die private Schifffahrt“.

Das sorgt bei FGL&Grünen für Unverständnis. Stadtrat Samuel Hofer sagt, gerade eine finanziell und verkehrspolitisch so weitreichende Entscheidung müsse von einer echten Bürgerbeteiligung begleitet werden. Auf seiner Sicht ist das Thema bei den Konstanzern bisher noch gar nicht richtig angekommen, weil sie sich vom Wasserbus kaum betroffen fühlen.

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Wie sind die Erfahrungen mit Wasserbussen in Konstanz und anderswo?

In vielen Städten sind Wasserbusse ein leistungsfähiger Teil des öffentlichen Nahverkehrs und in den regulären Tarif eingebunden, zum Beispiel in Hamburg, Venedig, Kopenhagen oder Stockholm. Auch kleinere Orte entdecken das Wasser als Verkehrsweg, etwa Fredrikstad in Norwegen. Im Konstanzer Trichter gibt seit Jahren einen Linienverkehr zwischen Hafen, Therme und Bottighofen.

Auch ein Probebetrieb mit einem Wasserbus ab 2018 auf dem Seerhein war erfolgreich. Damals kostete das Parken und eine Gruppenkarte für den Wasserbus pauschal fünf Euro. Viele Gäste und auch Konstanzer nutzten das – auch als günstige Möglichkeit, mal Schiff zu fahren. Wie glatt der Betrieb damals lief, darüber gibt es verschiedene Aussagen. Laut Verwaltung „zeigte der Probebetrieb (…) die gewünschte Entlastungswirkung“. Nutzer berichteten aber auch von nicht eingehaltenen Fahrplänen.

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Welche Alternativen zum Wasserbus gibt es?

Bisher setzt Konstanz auf den Bus als innerstädtisches Verkehrsmittel. Die Flotte wird gerade auf elektrischen Betrieb umgerüstet, von den derzeit 57 Bussen sollen bis Ende 2025 voraussichtlich 23 E-Busse zur Verfügung stehen. Nach Berechnungen der Verwaltung würde ein Bus vom neuen Parkhaus bis ins Zentrum einige Minuten länger brauchen und würde bei hohem Verkehrsaufkommen mit im Stau stehen. Dazu hat sie auch ein Video ins Netz gestellt, das die beiden Fahrten – Schiff nonstop und Bus mit Zwischenhalten – vergleicht.

Ob für eine Buslinie statt der Schiffsverbindung neue Fahrzeuge gekauft werden müssten, ist umstritten. Die Verwaltung hält es für erforderlich, FGL&Grüne verweisen darauf, dass gerade samstags, sonntags und außerhalb des morgendlichen Berufsverkehrs viele Fahrzeuge im Depot stünden. Außerdem könne ein Bus mit einem Fahrer betrieben werden, während auf dem Boot ein Schiffsführer und zusätzlich ein Matrose vorgeschrieben sind.

Welches Meinungsbild zeichnet sich in der Politik ab?

Als erste Gruppierung haben sich FGL&Grüne als größte Fraktion im Gemeinderat positioniert. Sie lehnen den Wasserbus aktuell und in der vorgeschlagenen Form ab und fordern eine umfassende Bürgerbeteiligung. Fast alle anderen Fraktionen hatten im Zuge der Haushaltsberatungen angesichts von inzwischen 50 Millionen Euro Schulden vor neuen und insbesondere dauerhaften Ausgaben gewarnt. Ob sie damit auch den Wasserbus meinten, blieb damals offen.

Soll hier am Steg beim Bodenseeoforum ein Wasserbus ablegen, der vor allem Touristen klimafreundlich ins Konstanzer Stadtzentrum bringt? ...
Soll hier am Steg beim Bodenseeoforum ein Wasserbus ablegen, der vor allem Touristen klimafreundlich ins Konstanzer Stadtzentrum bringt? Samuel Hofer, Stadtrat von FGL&Grüne, ist skeptisch. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Geäußert hat sich auch Fridays for Future. Obwohl von der Verwaltung als wichtigen Beitrag zum Klimaschutz beworben, lehnen sie den Wasserbus ab. Reinhold Bartscher erklärt wörtlich für die Gruppe: „Eine lahme, kapazitätsschwache, teure, aufs Wochenende beschränkte und ökologisch bedenkliche Wasserbuslinie als Touri-Gag können und wollen wir uns nicht antun. Prestigeprojekte haben in Zeiten von Klimanotstand und rekordverdächtigen Haushaltsdefiziten keinen Platz.“ Wichtiger und klimafreundlicher sei es, den Stadtbus weiter zu verbessern.