Zahlreiche Konstanzer Unternehmen haben aufgrund der Pandemie und den vergangenen Lockdowns zu kämpfen. Einzelhandel und Gastronomie verzeichnen wegen der 2G- und 2G-Plus-Auflagen ein Kunden- und Gäste-Defizit. Die Überlegungen von Stadtverwaltung und Gemeinderäten, zum 1. Januar 2022 Grund- und Gewerbesteuer zu erhöhen, sorgten bei den Konstanzer Gewerbetreibenden für Unsicherheit und Unmut.
Zwar ist das Thema aufgrund der knappen Gemeinderatsentscheidung erst einmal vom Tisch, aber ungewiss ist, ob das Thema bei den neuerlichen Haushaltsberatungen nicht noch einmal virulent wird. Verwaltung und Gemeinderat sind auf den Sparkurs getrimmt, müssen aber auch sehen, wie sie die notwendigen finanziellen Mittel aufbringen.
Konstanzer Handel hat vielfältige Probleme
„Gewerbe- und Grundsteuer zu erhöhen, ist momentan das falsche Zeichen“, findet Christian Ulmer, Einzelhändler und Vorstandsmitglied der Händlervereinigung Treffpunkt Konstanz. „Der Handel hat oft genug gemahnt, dass der Zustand nicht bleibt wie er 2015 war. Immerhin haben Handel und Gastronomie zusammen etwa 33 Prozent der Gewerbesteuer gestellt.“
Aber das war einmal. „Der Online-Handel nagt, die Schweiz versucht, den Einkaufstourismus einzudämmen, und die Stadt Konstanz hat ebenfalls viel unternommen, um die Besucherströme in die Innenstadt zu reduzieren“, spricht Christian Ulmer einen Teil der vielfältigen Probleme des Konstanzer Handels an.
„Nachhaltig gewesen wäre es, wenn Politik und Verwaltung überlegen würde, wie sie die Wirtschaft und damit ihre Geldquellen für die Zukunft sichern, damit die Quellen weiterhin sprudeln.“ Christian Ulmer erinnert beispielsweise an die Abwanderung der Pharmafirmen und meint: „Eine Stadt erhöht ihre Einnahmen, wenn sie Firmen ansiedelt“ und da hätte Konstanz ziemlich versagt.
Verkehr ist ein wichtiges Thema
Eine weitere Einnahmequelle macht Ulmer in Parkgebühren aus, die sich die Stadt entgehen ließe. Dabei erinnert er an die alte Forderung, eine Parkpalette auf dem Döbele einzurichten, schließlich gehe „der Verkehr in der Bodanstraße jedem auf den Wecker“, und Ulmer rechnet: „Mit einem Parkhaus auf dem Döbele würde die Stadt 2,5 bis 3 Millionen Euro pro Jahr verdienen“ und die Verringerung des Parksuchverkehrs wäre auch dem Klima zuträglich.
Zudem stellt er fest: „Mit zunehmender Elektro-Mobilität wird der Verkehr nicht weniger, man hat nur ein besseres Gewissen.“ Er sieht auch die Stadt in der Pflicht, mit gutem Beispiel in Sachen Klimaschutz, der ihm persönlich, wie viele seiner Kollegen – wichtig ist, voranzugehen. Als Beispiel nennt er die energetische Sanierung der städtischen Gebäude.
Bezüglich der pandemiebedingten Situation im Einzelhandel meint Christian Ulmer: „Dass wir auf dem Boden liegen, ist klar. Wir würden wieder aufstehen, aber wir brauchen Raum und entsprechende Rahmenbedingungen. Aber wir laufen sehenden Auges in den Abgrund.“
„Das ist eine einfache kaufmännische Rechnung“
„In Summe ist es verständlich, dass die Stadt an der Kostenschraube dreht und Einnahmen über Steuererhöhung generieren will. In der Wirtschaft sieht es anders aus, denn wir stehen im Wettbewerb“, stellt Peter Kolb, Einzelhändler und Vorstandsmitglied des Treffpunkt Konstanz, fest und erläutert: „Wenn die Kosten steigen, sind wir weniger wettbewerbsfähig, denn wir können diese nicht umlegen. Produkte noch teurer zu verkaufen, geht nicht.“ Höhere Kosten – Kolb spricht auch von drastischen Erhöhungen von städtischen Gebühren – weniger Einnahmen, weniger Verdienst: „Das ist eine einfache kaufmännische Rechnung.“

Wenn Kolb an die Kundschaft denkt, deren Löhne nicht in dem Maße wie die Inflation steigen, befürchtet er, dass „uns die Kundschaft wegbrechen wird“, die dann auf Online-Riesen umschwenke, „die keine Steuern in Konstanz zahlen“. Zur Wettbewerbsfähigkeit des stationären Handels merkt Kolb an: „Der Preis ist es nicht alleine, sondern auch die Willkommenskultur und die Erreichbarkeit der Stadt.“ In Summe kann er die Entwicklung in Konstanz nicht begrüßen, im Gegenteil: „Es ist eine Negativspirale im Gang, die die Wirtschaft – insbesondere Handel und Gastronomie – schwächt.“
Erhöhung der Gewerbe- und Grundsteuer nur knapp abgelehnt
„Klimaschutz ist eine Notwendigkeit“, stellt Jürgen Norbert Baur, Inhaber der Edeka-Frischemärkte Baur, fest. „Aber wir hatten intensiv darum gebeten, dass die Leute mitgenommen werden, wenn es um den Klimaschutz geht, und nicht einsame Entscheidungen getroffen und die Leute vor vollendete Tatsachen gestellt werden“, so Baur, der an die Sitzungen des Arbeitskreises Zukunftsfitte Innenstadt erinnert. In diesem Gremium sei man übereingekommen, dass das Ende der Pandemie abgewartet und der Wirtschaft eine Erholungsphase gegönnt und erst dann über Maßnahmen, wie beispielsweise Steuererhöhungen, geredet werde.
Zwar hat der Gemeinderat in seiner Sitzung am 16. Dezember die Erhöhung von Gewerbe- und Grundsteuer abgelehnt, aber „es war eine denkbar knappe Abstimmung“, stellt Jürgen Norbert Baur fest. Er denkt an die „vielen kleinen Unternehmen, die ums Überleben kämpfen“ und für die die Überlegungen, die Steuern zu erhöhen, psychologisch eine „äußerst negative Wirkung“ gehabt hätten. Außer Zweifel stehe, dass die Stadt Einnahmen generieren müsse, „aber eine gewisse Sensibilität des Gemeinderats setze ich voraus“, so Baur.
Seiner Ansicht nach bringe eine Gewerbesteuerhöhung nicht viel, wenn Unternehmen weniger verdienten. Seine persönliche Meinung als Unternehmer: „Die Stadt hat noch Eigenkapital genug. Bei den noch supergünstigen Zinsen sollte eher ein Kredit aufgenommen werden. In schwierigen Zeiten antizyklisch handeln, war immer gut. Das ist das Einmaleins der Volkswirtschaft. Auch Kommunen sollten wirtschaftlich denken“, findet Baur. „Es fehlt in Konstanz an produzierendem Gewerbe“, stellt er fest und findet, die Stadt solle entsprechende Rahmenbedingungen schaffen, damit sich Gewerbe wieder ansiedle.

Stärkung der Wirtschaft
Verständnis für die Überlegungen der Kämmerei und des Gemeinderats hat Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee (IHK): „Es gehört zur Wahrheit und ist auch ein Gebot der Redlichkeit, anzuerkennen, dass die Aufgaben einer Kommune, die im Zeichen des Klimaschutzes nicht weniger, sondern mehr geworden sind, finanziert sein wollen und dass dies angesichts allgemein steigender Preise und einer markanten Inflation schwer ohne Auswirkungen auf der Einnahmenseite darstellbar ist“, schreibt er auf SÜDKURIER-Anfrage.

„Mit der Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer würde dies nicht einseitig auf dem Rücken der Wirtschaft, sondern auch auf dem der Eigenheimbesitzer – und in der Folge auch dem der Mieter – ausgetragen.“ Marx merkt allerdings an: „Vorzugswürdig bleibt aber immer der Weg über eine Stärkung der Wirtschaft im Interesse einer breiteren Gewerbeertragsbasis – geringere oder zumindest gleichbleibende Steuersätze auf höhere Gewerbeerträge sind der Königsweg, höhere Steuersätze auf schwindende Erträge der Notnagel, die ultima ratio, die es nach Kräften zu vermeiden gilt.“
Auf die Frage, welche Auswirkungen derartige Steuererhöhungen in der jetzigen Zeit hätten, meint Claudius Marx: „Steuererhöhungen kommen angesichts der multiplen Belastungen, denen unsere Mitgliedsunternehmen in der aktuellen Pandemielage ausgesetzt sind – von Kontaktbeschränkungen über ausbleibende Kunden aus der Schweiz bis zu einem drohenden neuerlichen Lockdown – generell zur Unzeit. Weil viele bereits an der Schwelle dessen stehen, was sie mit Kurzarbeit und dem Einsatz auch privater Mittel noch abfangen können, haben zusätzliche Belastungen das Potenzial, einzelne Betriebe in die Knie zu zwingen.“ Die einen würden das noch gut stemmen können, „für andere könnte es der Sargnagel sein“, schätzt Claudius Marx.
Er schlägt ein anderes Vorgehen vor: „Volkswirtschaftlich gilt es, eine inflationäre Spirale zu vermeiden. Wenn allgemein steigende Preise die öffentlichen Haushalte belasten“, die Kommunen wiederum mit steigenden Steuersätzen reagierten, „während die Arbeitnehmer auf eine Anpassung ihrer Löhne und Gehälter drängen, droht sich die Entwicklung selbst negativ zu verstärken“.