So viel Einigkeit ist selten. Sowohl bei der Abstimmung über die künftige Klimaschutzstrategie der Stadt Konstanz als auch bei deren Kommentierung herrschte im Gemeinderat ein ungewöhnlich hoher Konsens. Erarbeitet wurde das Konzept unter der Leitung des Instituts für Energie- und Umweltforschung (ifeu). In der entscheidenden Sitzung der Räte gab es nur marginale Ergänzungen sowie bei einzelnen Punkten ein paar Enthaltungen.
Lediglich Manfred Hölzl kann sich mit der Strategie nicht anfreunden. Der CDU-Stadtrat versteht sich zwar als „überzeugter Kämpfer für Nachhaltigkeit“, doch die mit dem Klimaschutzpaket verbundene Erhöhung der Kurtaxe passt seiner Meinung nach nicht zur aktuellen Lage in Tourismus und Wirtschaft. Er wirft der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat generell „Ignoranz gegenüber der Wirtschaft, dem Handel, dem Gewerbe, dem Handwerk und dem Tourismus“ vor.
Der Einwand von Manfred Hölzl betrifft zwar nur einen kleinen Ausschnitt des 173-seitigen ifeu-Gutachtens, allerdings werden an dem Beispiel die weitreichenden Folgen der Klimaschutzstrategie für den Alltag der Menschen deutlich. Wer sich in das Papier vertieft, erkennt schnell die Auswirkungen auf so gut wie alle Lebensbereiche.
Katalog mit detailliertem Handlungsplan
Und anders als bei anderen Gutachten üblich, ist das Papier in diesem Fall nicht geduldig. Es enthält einen Katalog von 61 konkreten Maßnahmen, bei 50 von ihnen soll im nächsten Jahr mit der Umsetzung begonnen werden. Jede einzelne dieser Maßnahmen hat das Ausmaß eines veritablen Projekts, von dem die Menschen vielfach direkt betroffen sein werden. Die Erhöhung der Kurtaxe ist dafür nur ein Beispiel.
Susanne Heiß von den Freien Wählern befürchtet sogar eine „kleine Revolution“, wenn man sich haargenau an die Vorschläge des Gutachtens hält. Eine Erhöhung der Parkberechtigung für Anwohner im Paradies von 30 auf 600 Euro im Jahr erscheint ihr als „ungebührliche Belastung“.

Ein anderes Beispiel für die mit den Vorschlägen verbundenen Veränderungen ist die geplante Nutzung von Sonnenenergie. Heinrich Fuchs (CDU) rechnete vor, dass zwecks Zielerreichung ab sofort pro Jahr und Einwohner ein Quadratmeter für Solaranlagen zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Dächer werden dafür nicht genügen, weshalb man in die Fläche gehen müsse – und angesichts dieses Bedarfs wird sich die Optik der Stadt und ihrer Umgebung deutlich verändern.
Peter Müller-Neff von der Freien Grünen Liste (FGL) wies in diesem Zusammenhang auf die auch beim Klimaschutz geltenden Grenzen des Wachstums hin. Ihm gibt die zu befürchtende Zerstückelung der Landschaft zu denken, er wies dabei auch auf die Funktion von Freiflächen als natürlicher CO2-Speicher hin.
Sein Ratskollege Jürgen Faden von den Freien Wählern gestattete sich – trotz seiner grundsätzlichen Zustimmung zu dem Gutachten – den Hinweis, dass die Bestandteile von Photovoltaik-Anlagen zumeist in Fernost produziert werden und die dadurch unter anderem durch den Transport anfallenden Belastungen ebenfalls in die Klimaschutzbilanz einzurechnen seien.

Angesichts der mit der Strategie verbundenen massiven Einflüsse auf das alltägliche Leben der Menschen herrscht bei den Stadträten Einigkeit darüber, dass der Erfolg maßgeblich von der allgemeinen Akzeptanz abhängt. Christine Finke vom Jungen Forum Konstanz (JFK) empfiehlt dazu eine Öffentlichkeitsarbeit, bei der die Alternativlosigkeit des Konzepts im Vordergrund steht.
„Es geht ums Überleben“, hob sie die Bedeutung des Klimaschutzes hervor, „und damit muss klar sein, dass wir das für die Bürger machen.“ Dass die Menschen den Klimaschutz zu ihrer eigenen Sache erklären, hält auch für Roger Tscheulin (CDU) für den Königsweg. „Letztlich müssen sie das Konzept umsetzen und bezahlen, und das ist über eine Verbotskultur nicht zu erreichen.“
Seewasser als Energiequelle
Oberbürgermeister Uli Burchardt steuerte unterdessen eine humoristische Randbemerkung bei, der sich generell als kein schlechter Rat bei den bevorstehenden tiefgreifenden Veränderung erweisen dürfte. Angesichts der Kühle im oberen Konzilsaal, auf den der Gemeinderat Corona-bedingt für die Sitzung auswich, fühle es sich so an, als würde man schon das Seewasser zur Energiegewinnung nutzen – auch Letzteres sieht die Strategie der Stadt für den Klimaschutz vor.