Herr Burchardt, Ihre erste Amtszeit neigt sich dem Ende zu. Welche Note würden Sie sich geben für die acht Jahre?
Die würde unterschiedlich aussehen. Ich glaube, ich bin im zweiten Teil meiner Amtszeit, sicherer, gelassener, offener und zugänglicher gewesen als im ersten Teil. In der ersten Hälfte gab es Situationen der Überforderung und der Überarbeitung. Ich denke, das ist am Anfang auch normal.
Und was heißt das ausgedrückt in Schulnoten?
Eine Drei für die erste Hälfte und eine Zwei für die zweite Hälfte.

Würden Sie heute manche Entscheidung anders treffen?
Ja, klar. Mit dem heutigen Wissen über die Preisentwicklung bei Immobilien und den heutigen Darlehenskonditionen würde ich dem Gemeinderat vorschlagen, die Bücklestraße zu kaufen. Einen großen Kredit aufnehmen, das ganze Grundstück kaufen, einen Plan machen, das Grundstück zerteilen, den Gewerbe-Teil wieder abgeben und den Rest selber entwickeln. Aber man muss wissen: 2015 war eine ganz andere Zeit. Die Flüchtlingskrise, die Null-Zins-Politik, jetzt die Pandemie haben vieles verändert seitdem.
Auch und vor allem wegen der Pandemie war das Bodenseeforum und seine Probleme in den vergangenen Monaten nicht das große Thema. Hat Ihnen Corona da geholfen im Wahlkampf?
Für meine Positionierung hat Corona eindeutig geschadet, denn das Bodenseeforum war auf einem tollen Weg. Die hatten so tolle Buchungen und eine sehr gute Auslastung für 2020 und so ein super Team unter einer tollen Führung, die endlich mit Herz, Energie und viel Liebe das Haus führt – und dann kam Corona. Dieses Team hätte es verdient gehabt, die Belohnung dafür in 2020 einzufahren, und zeigen zu können, wie wertvoll für Konstanz das Haus ist. Corona hat ihnen da einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht und uns viel mehr geschadet als genützt. Dafür dient uns das Haus jetzt als hygienisch bester Tagungsstandort für Gemeinderat, Ausschüsse, Kreistag und Krisenstäbe.
Haben Sie eine Erklärung dafür, dass Konstanz bisher so relativ glimpflich durch die Corona-Pandemie kommt?
Wir hatten in Konstanz ganz am Anfang im weltweiten Vergleich mit der Schweiz zusammen die zweithöchste Infektionszahl. Als wir mit Infektionszahlen noch pro Millionen Einwohner rechneten, heute sind es ja pro 100.000, hatten wir in Konstanz einen Wert von 350. Italien hatte damals die höchste Infektionsrate, danach kam die Schweiz und unter anderen wir als Stadt Konstanz. Da war für mich klar, dass wir ganz, ganz schnell handeln müssen. Wir waren eine der ersten Städte, die Ansammlungen über fünf Personen untersagt haben. Unsere Strategie war, einerseits klare Grenzen zu setzen, andererseits aber die öffentlichen Räume offen zu lassen. Wir haben gesagt: Leute, geht raus an die Sonne, an die frische Luft, bringt die Kinder raus – aber haltet Abstand und bleibt auseinander. Offensichtlich hat das Wirkung gezeigt. Natürlich gehört da auch Glück dazu. Ein sogenanntes Superspreader-Event und schon wäre alles anders gewesen.
Vor allem im Herosé-Park fanden ausgiebige Partys mit großen Gruppen statt. Das hätte schnell ausarten können.
Wir hatten im Frühling eine Bedrohungslage durch Corona und da waren wir auch sehr streng. In dieser Zeit haben mir die Polizei und der KOD immer wieder gesagt, dass sich die Menschen in der Regel gut verhalten haben. Im Sommer war die Bedrohungslage minimal und wir waren relativ leger. Das fand ich richtig. Jetzt läuft das Infektionsgeschehen wieder hoch und das bereitet mir große Sorgen. Wir werden in den kommenden Wochen und Monaten wahrscheinlich wieder strenger werden müssen.
Im Sommer war die Party-Meile Herosé, auch Ballermann vom Bodensee genannt, den vielen Anwohner wegen des Lärms und des Mülls ein Dorn im Auge.
Da habe ich mich in den vergangenen Monaten klar positioniert und gesagt: Das können wir so nicht laufen lassen. Wir brauchen mehr Licht und mehr Präsenz. Ich bin für die Verdoppelung des KOD von fünf auf zehn Personen. Wir müssen die Menschen, wenn es direkt vor den Wohnhäusern nachts viel zu laut ist, ganz normal ansprechen und sagen: Hey, Leute, das geht so nicht, bitte geht hier weg. Ansprechen ist richtig, Lautsprecher-Verbot ist auch richtig und Licht ist wichtig. Das muss jetzt aber politisch entschieden werden, bisher waren das ja nur Anordnungen von mir, die für jeweils vier Wochen gültig waren. Und dann müssen wir neue Räume schaffen. Wir haben jetzt Klein Venedig als urbanes Klimaanpassungsprojekt beim Bund eingereicht – ein rund Vier-Millionen-Projekt, drei Millionen Förderung sind da im besten Fall zu kriegen. Dann kann man einen richtigen grenzüberschreitenden Bürgerpark machen, mit Kiesvorschüttungen vor Klein Venedig und mit Holzterrassen – ein attraktiver Freiraum auch für Jugendliche. Dort kann man sich abends und nachts am See aufhalten ohne jemanden zu stören.
Ihre Arbeit als Oberbürgermeister ist geprägt von Projekten, Plänen und Programmen. Gegner werfen Ihnen gerne vor, dass das zu weit in der Zukunft spielt und zu wenig in der Gegenwart und dass die Umsetzung von Entscheidungen zu lange dauern würde…
Ich finde, dass wir sehr schnell sind bei der Umsetzung. Im Wohnungsbau sind wir sehr schnell gewesen – und das ist das wichtigste Thema. Schneller als wir das in den vergangenen acht Jahren umgesetzt haben, ist unmöglich. Davon bin ich überzeugt. Beides schließt sich ja nicht aus – Langfristplanung und gleichzeitig operativ Vollgas zugeben, denn beides ist wichtig und beides haben wir gemacht. Und wenn sie nach den Programmen fragen: Wenn man zum Beispiel das Thema Wohnbau weiterbringen möchte, muss man sich dafür erstmal Mehrheiten besorgen. Es gab früher in Konstanz verbreitet die Haltung, der Wohnbau sei nicht mehr so wichtig. Das war Realität. Und gefühlt hat man bei jedem einzelnen Bauvorhaben wieder von vorne mit der Grundsatz Diskussion begonnen, ob es überhaupt noch Wohnungsbau braucht usw. Ein Handlungsprogramm Wohnen zum Beispiel sorgt dann zunächst einmal dafür, dass man eine gemeinsame grundlegende Richtung vorlegt. Das heißt ja nicht, dass man operativ langsamer wird, sondern nur, dass man strategisch arbeitet. Unsere Handlungsprogramme sind gut, aber sie ersetzen nicht schnelles operatives Arbeiten. Das Handlungsprogramm Wohnen hat die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Konstanz sicher beschleunigt.
Die Komplexe Wohnen und Verkehr scheinen den Wahlkampf zu überlagern. Sind das tatsächlich die Themen, mit denen man eine Wahl in Konstanz gewinnt?
Ich bin überzeugt, dass man diese Wahl gewinnt, wenn man ein vollständiges und ehrliches Bild zeichnet – auch von Themen, die vielleicht auf den ersten Blick nicht so wichtig erscheinen. Also von Trinkwasser über Müll bis Berufsschulen zum Beispiel. All diese Themen sind sehr wichtig und sie gehören zu dem gesamten Mosaik der Stadt Konstanz. Und trotzdem muss man andererseits klar machen, wo die Prioritäten liegen, denn die braucht man für das Weiterarbeiten. Um weiterzukommen, muss man sich entscheiden, wo man Ressourcen – Zeit und Geld – investiert. Ich entscheide da nicht taktisch nach der Frage, wie ich am ehesten die Wahl gewinne. Nein, ich meine das schon ernst. Ich stütze mich da auf meine langjährige Erfahrung und ich meine zu wissen, was für die unmittelbare und mittlere Zukunft von Konstanz wichtig ist.
Luigi Pantisano hat die Realisierung des Hafners an Bedingungen geknüpft und damit zumindest in Frage gestellt. Hätte er Ihnen bessere Wahlkampfhilfe zukommen lassen können?
Ich wundere mich, dass diese Widersprüche in seinem Programm jetzt erst auf den Tisch kommen. Ich habe das ja schon seit Monaten gesagt: schnellstmöglich klimaneutral ist richtig und wichtig, aber wir müssen trotzdem bauen! Da wird in meinen Augen ein soziales Thema gegen ein ökologisches Thema ausgespielt – das finde ich nicht gut. Für mich ist klar: Das Soziale muss zuerst in Angriff genommen werden, aber dann so klimafreundlich wie möglich. Die Widersprüche, die dabei auftreten, die müssen wir lösen. Da sind wir schon seit Jahren sehr gut und sehr innovativ dabei. Ich finde es ganz wichtig, dass diese Frage jetzt hart zugespitzt wird: Willst du oder willst du nicht? Luigi Pantisano hat hier beim SÜDKURIER neben mir sitzend gesagt, er will den Hafner nicht. Und zwar indem er ihn an zwei Bedingungen knüpft, die wir nicht erreichen werden: Ansiedlung eines Unternehmens, das so groß ist, dass es einen neuen Stadtteil braucht, und zweitens nur dann, wenn wir klimaneutral bauen können. Das können wir zwar heute prototypisch schon, aber wir können noch nicht viele große Gebäude klimaneutral bauen. Das weiß er genau und er hat mir ja auch zugestimmt, dass diese Bedingungen das faktische Aus des Stadtteils Hafner bedeuten.
Was ist der Unterschied zwischen „Hafner klimaneutraler Stadtteil“, wie Sie es fordern, und andererseits „Hafner klimaneutral bauen“, wie Pantisano es fordert?
Bei einem klimaneutralen Stadtteil kann ich sagen: Bei den Gebäuden habe ich einen CO2-Abdruck und an anderer Stelle, vielleicht bei der Energieerzeugung, habe ich ein CO2-Plus – und das ganze rechnet sich insgesamt zu einer CO2-Null, dann habe ich einen klimaneutralen Stadtteil. Wenn ich aber klimaneutral bauen möchte, dann darf schon das Gebäude keinen negativen CO2-Fußabdruck haben – das funktioniert aber großflächig heute noch nicht in der notwendigen Qualität, Geschwindigkeit und auch Wirtschaftlichkeit. Das dauert noch, bis wir dazu in der Lage sind. Das, was wir bauen, muss auch gut sein und es muss wirtschaftlich darstellbar sein. Das ist übrigens einer der Gründe, warum ich ein großer Freund eines CO2 – Preises bin. Der verschiebt nämlich die Parameter von Wirtschaftlichkeit. Aber natürlich bauen wir auch jetzt schon immer mehr mit Holz. Das ist die Zukunft.
Wie beurteilen Sie den Wahlkampf?
Ich freue mich, dass sich die Menschen mittlerweile verstärkt damit beschäftigen. Die Wahlbeteiligung war im ersten Durchgang schon recht hoch und sie wird am Sonntag noch höher werden – so jedenfalls mein Eindruck, weil die Menschen wissen, dass es für Konstanz um viel geht. Das freut mich zunächst einmal für die Demokratie ganz allgemein. Außerdem freut es mich, dass die entscheidenden Fragen jetzt endlich auf dem Tisch liegen – und auch die entscheidenden Widersprüche. Das tut der Sache gut. Ich hoffe, dass noch Zeit genug ist in den letzten Tagen den einen oder anderen von meiner Bilanz, meinen Zielen und meinem Programm zu überzeugen.
Sehen Sie Parallelen zu 2012?
Konstanz wurde seit den 80er Jahren nicht mehr im ersten Wahlgang entschieden. Von daher ist das eine Parallele. Das zweite ist natürlich: 2012 war ich beim ersten Wahlgang auf Platz zwei – so wie in diesem Jahr auch. Ansonsten unterscheiden sich die Wahlkämpfe alleine schon durch die Rolle der sozialen Medien. 2012 war das noch ziemlich neu, da hatte kein Kollege so richtig etwas mit Facebook zu tun – und doch spielte es eine große Rolle. Heute sind wir Kandidaten sehr viel erfahrener damit, dafür kommen inzwischen aber zum Beispiel Instagram-Stories, YouTube usw. neu hinzu. Das sind ganz neue Zielgruppen, die damit erreicht werden. Und deshalb finde ich, die Zahl der Teilöffentlichkeiten, die unterschiedliche Informationsstände haben, hat zugenommen.
Wie meinen Sie das?
Da ist das Thema der Meinungsblasen. Wir wissen ja, dass man sich durch Algorithmen der Sozialen Medien in seiner eigenen Meinung bestätigt fühlt. Das ist in diesem Wahlkampf deutlich spürbar. Wir als Gesellschaft müssen auf dieses Thema achten: Was macht das aus unseren Informationen? Das beweist immer mehr, und das soll jetzt nicht anbiedernd sein, dass es eine unabhängige Presse geben muss, die für sich die Autorität beanspruchen darf, eine Gesamteinschätzung für die gesamte Gesellschaft vorzunehmen. Im Moment ist deutlich spürbar, dass das nicht flächendeckend vorhanden ist.
Lesen Sie das unreflektierte und zuweilen unerträgliche Gepoltere der Menschen in den Sozialen Netzwerken überhaupt?
Teilweise, das mache ich sehr differenziert. Es gibt manche Diskussionen, die ich verfolge und in die ich dann auch einsteige. Andere kann ich nicht verfolgen. Mir ist wichtig, dass wir in diesem Wahlkampf ein faires Niveau halten. Das haben wir im Großen und Ganzen auch, mit Ausnahme von Ausrutschern. Das ist nun mal so in den Sozialen Medien. Aber ich denke, dass die verschiedenen Lager ganz ordentlich miteinander umgehen.
Sehen Sie eine Spaltung durch den polarisierenden Wahlkampf?
Der Wahlkampf hat natürlich schon polarisiert, aber so eine Gesellschaft spaltet sich nicht mal so eben. Diese Stadt ist bei den wesentlichen Fragen beieinander – auch bei den Prioritäten, wofür man Geld ausgeben möchte und welche Ziele man verfolgt. Bei Themen wie Kinderbetreuung, Schulen, alte Menschen, Nachhaltigkeit, Sport, Kultur und bei vielen anderen wichtigen Themen – da haben wir doch eine weitgehende Geschlossenheit in Konstanz. Die Polarisierung des Wahlkampfes kam, weil man auch mit Halbwahrheiten gearbeitet hat. Das führt dann zu Gräben, die man wieder zuschütten muss. Das ist aber nichts neues und das gibt es oft bei OB-Wahlen. Ich denke, ich habe in der Vergangenheit bewiesen, dass ich Gräben zuschütten kann und das will ich auch gerne wieder tun.
Thema Vororte. Nicht jeder Bewohner aus Litzelstetten, Dingelsdorf oder Dettingen-Wallhausen fühlt sich im Wahlkampf mitgenommen. Was sagen Sie diesen Menschen?
Zunächst einmal nenne ich sie Ortschaften und nicht Vororte, denn sie definieren sich ja nicht als ‚Vorort von‘, sondern sie sollen selbstbewusste, starke, eigenständige Ortschaften sein. Ich war im Wahlkampf zuerst in unseren Ortschaften, ganz früh schon. Ich möchte Ortschaften mit starker Infrastruktur, mit politischer Stärke und mit Selbstbewusstsein. Ich habe über acht Jahre bewiesen, dass ich das auch in der Praxis so handhabe. Ich war im Wahlkampf in allen Ortschaften mehrfach und habe viele Gespräche geführt und Fragen beantwortet. Ich hoffe natürlich, dass die Menschen das gesehen haben. Meine guten Wahlergebnisse in den Ortschaften im ersten Wahlgang haben mich sehr gefreut.
Eine philosophische Frage: Was bedeutet für Sie Glück?
Viel zufrieden sein zu können, bedeutet Glück. Nur gut gemachte Arbeit macht Menschen zufrieden, glaube ich. Da ist es ganz egal, ob man Streuobst erntet oder eine Gemeinderatssitzung leitet. Für sich selber erkennen zu können: Ich habe einen Beitrag geleistet, den ich persönlich für sinnvoll und richtig empfinde, das macht zufrieden. Für mich bedeutet Glück, möglichst oft diese Zufriedenheit zu erleben. Glücksmomente erlebe ich, wenn ich Feierabend habe, nicht schon der nächste Termin ums Eck kommt und man mit einem Glas Bier in der Küche stehen und etwas kochen kann. Oder mal auf dem Rennrad. Oder auf dem See. Zu zweit oder mit den Kindern. Die Summe daraus und die Abwesenheit von schlimmen Ereignissen und schlimmen Schicksalen, die summieren sich dann zu Glück.
Sie müssen sich angesichts Ihres Arbeitspensums als OB und als OB-Kandidat seit Monaten nach solchen Tagen sehnen.
Ich bin Phasen gewöhnt, in denen es keine Pausen gibt – auch nicht an Abenden oder an Wochenenden. Das ist in dem Amt so. Und dann gibt es Phasen, in denen es auch mal Pausen gibt. Ich kann dann sofort abschalten und herunterkommen – Gott sei Dank. Ich kann auch gut schlafen, egal, wie groß der Druck ist. Natürlich sehne ich mich nach einer Pause, die ist aber nicht absehbar. Wer auch immer diese Wahl gewinnen sollte, der hat am nächsten Morgen ein paar größere Themen auf dem Schreibtisch liegen (lacht) und eine Menge Leute, die nach der monatelang verschobenen Wahl endlich auf Entscheidungen warten. Das wird ein anstrengendes viertes Quartal für den OB.
Man kann es nicht allen recht machen mit seinen Entscheidungen. Wie lange haben Sie gebraucht, um das realisieren?
Das habe ich schon bei meiner Antrittsrede vor acht Jahren gesagt: Es gibt nur einen Weg, der sicher falsch ist, und das ist der, es allen recht machen zu wollen. Ich denke, dass ich das vom ersten Tag an so gehandhabt habe. Ich habe immer versucht, gute Entscheidungen zu treffen. Ich entscheide nicht taktisch nach dem Motto: Das hilft mir jetzt. Es gibt Kollegen, die bauen ein Jahr vor der nächsten Wahl nicht mehr an Straßen, nach dem Motto: bloß keine Baustellen, bloß keine Unruhe vor der Wahl!. Ich sage: Wenn wir bauen müssen, dann muss halt gebaut werden. Dann muss ich damit leben, dass die Leute sagen: Oje, schon wieder eine Straßensperre. Wie ganz aktuell in der Mainaustraße in Allmannsdorf. Ich denke nicht taktisch, sondern ehrlich und berechenbar. Ich versuche immer, nach bestem Wissen und Gewissen für das große Ganze zu entscheiden. Und jeder, der beruflich Entscheidungen treffen muss, der weiß, dass ein paar falsche immer dabei sind.
Warum ist Konstanz die schönste Stadt am See?
Konstanz ist nicht nur am See die schönste Stadt, sondern weit darüber hinaus. Das ist aber nicht unser Verdienst, das haben wir größtenteils geerbt. Das liegt zum einen Teil am sensationellen Naturraum: auf der einen Seite der Weinanbau und auf der anderen Seite fast schon hochalpiner Raum. Das ist schon spektakulär. Und dann die Lage der Stadt am Konstanzer Trichter, auf beiden Seiten des Rheins, mit dieser unglaublich gut erhaltenen mittelalterlichen Substanz – das ist einfach kaum zu toppen. Wir haben den Auftrag und die Pflicht, das zu erhalten, das machen wir sehr gut. Stichwort Altstadtsanierung, Denkmalschutz, Denkmalsanierung, Stiftung Stadtbild Konstanz. Es ist einfach toll, was da in den einzelnen kleinen Häuschen investiert wird, um das zu erhalten. Dann kommen die Hochschulen, die Urbanität, die Kultur, das Lebensgefühl, so viele Sprachen, die hier gesprochen werden, Menschen aus über 100 Nationen – das ist eine sensationelle Mischung aus Italien, Schweiz und Südbaden. Konstanz hat einfach was.
Wo schlägt Ihrer Meinung nach das Konstanzer Herz am stärksten?
Es gibt Stadtteile, die sich sehr gut artikulieren können und Stadtteile, die man weniger wahrnimmt. Der linksrheinische Teil der Stadt, der relativ klein ist, also nur ein knappes Viertel der Bevölkerung stellt, ist immer noch ganz wichtig und der Kern der Stadt. Und gleichzeitig entwickelt sich die Innenstadt in Richtung Petershausen. Das ist der Stadtteil, wo das Herz am lautesten schlägt, weil sich hier so viel tut. Stichwort Brückenareal beim Bodenseeforum, das neue Berufsschulzentren, die Gemeinschaftsschule, der neue Bahnhof Petershausen, das Herosé-Ufer bis zur neuen Rheinbrücke – da ist natürlich eine große Entwicklung auf relativ kleinen Raum. Da steckt die meiste Dynamik drin.
Konstanz ist auch eine Weihnachtsstadt mit dem Markt und der Beleuchtung der Altstadt. Der Weihnachtsmarkt 2020 soll laut Veranstalter Stracke verteilt auf fünf Plätze im Kleinformat stattfinden. Unterstützen Sie das?
Das ist heute noch zu früh, um es abschließend zu beurteilen. Ich war heute Morgen wieder in der Sitzung des Krisenstabes, das Infektionsgeschehen im Landkreis ist besorgniserregend, das muss man ganz klar sagen. Wir dürfen mit einem Weihnachtsmarkt in diesem Jahr auf gar keinen Fall einen Touristenmagnet schaffen, das müssen wir verhindern. Das ist eine Frage der Werbung, des Namens, der Kommunikation und des Hygienekonzeptes. Wir wollen nicht, wie sonst, dass Busse aus Norditalien oder aus ganz Deutschland kommen, um den Weihnachtsmarkt zu besuchen. Das darf es in diesem Jahr nicht geben. Das Konzept des Veranstalters ist gut, dezentral gefällt mir, das fand ich schon immer schöner als einen großen Weihnachtsmarkt in der Mitte der Stadt. Doch wir alle werden in den kommenden Wochen und Monaten unsere Gewohnheiten und Konzepte hinterfragen müssen, wenn die Zahlen sich weiter so besorgniserregend entwickeln.