„Wir nennen sie verhaltenskreativ“, sagt Sandra Gräfin Bernadotte liebevoll über die Jugendlichen, die am Programm Pro Integration teilnehmen. Vor zehn Jahren wurde das Projekt um das Café Vergissmeinnicht erweitert. Seitdem können junge Frauen und Männer zwischen 16 und 24 Jahren auch erste berufliche Erfahrungen in der Gastronomie sammeln.
Das Programm war vor 31 Jahren vom Verein Gärtnern für Alle ins Leben gerufen worden. Es hatte Jugendliche bis dahin vor allem im Bereich Gartenarbeit gefördert.
Verantwortung übertragen zu bekommen und diese anzunehmen, das zählt zu den wichtigsten Zielen, die sich das berufsvorbereitende Programm Pro Integration auf die Fahne geschrieben hat. „Die Jugendlichen spüren, dass wir ihnen Verantwortung zutrauen. Das ist eine positive Spirale. Viele haben so etwas vorher noch nie erlebt“, erklärt die Geschäftsführerin des Trägervereins.
Das Programm bietet mehr als Garten und Gastronomie
Obwohl Gartenarbeit und Gastronomie zum Schwerpunkt des Programms gehören, ist dies nicht alles. Unterricht gibt es auch in Mathematik und Deutsch. Peilt der oder die Jugendliche eine Ausbildung zum Elektriker oder Friseur an, würde auch dieses Berufsfachwissen speziell gefördert, betont die Gräfin.
Dazu gehört auch, sich um die Stärken und Schwächen der Jugendlichen zu kümmern: Welches Berufsbild kommt in Frage oder ist vielleicht gar nicht realisierbar, weil es etwa an der notwendigen Feinmotorik fehlt?
Elf Monate, von Mitte September bis Mitte August im Folgejahr, dauert die Teilnahme normalerweise. Eine Verlängerung auf bis zu 18 Monate ist möglich, etwa weil erst danach der Beginn einer Lehre möglich ist. Manchmal stoßen Jugendliche auch unter dem Jahr hinzu. „Der Einstiegszeitpunkt September ist ideal, denn sie erleben den Ausklang der Saison“, erklärt Gräfin Sandra.
Jugendliche aus allen Bildungsschichten
„Wir bieten fast einen Eins-zu-eins-Unterricht, denn es gibt sehr große Leistungsunterschiede. Manchmal bilden wir auch Zweier- oder Dreier-Gruppen“, erläutert sie. „Ideal sind sechs bis acht Jugendliche pro Jahr. Maximal werden zehn Jugendliche aufgenommen“, ergänzt sie.
Oft seien Schulabbrecher darunter, oder Jugendliche, die keine Ausbildungsstelle gefunden hätten. Sie kämen aus allen Bildungsschichten, einige hätten einen Migrationshintergrund, für manche sei ein gesetzlicher Betreuer bestellt.
Theoretisch könnten mehr als zehn Jugendliche aufgenommen werden. Aber das möchte Gräfin Sandra bewusst nicht. Die Stärke von Pro Integration „ist klein aber fein“. Dies verspreche eine hohe Qualität, was sich auch an der hohen Quote der Vermittelten bemerkbar mache. In den zurückliegenden zehn Jahren seien rund 70 Jugendliche erfolgreich vermittelt worden, berichtet Gräfin Sandra.
Auch die soziale Komponente spielt eine Rolle
Neben der Vermittlung von schulischem und fachlichem Wissen arbeitet Gräfin Sandra mit ihrem Team auch an der Verbesserung des sozialen Umgangs der Jugendlichen. Der richtige Händedruck, das Schauen in die Augen und die Begrüßung mit Namen sind nur einige der Fähigkeiten, die vermittelt werden.
„Wir bereiten auf Bewerbungsgespräche und auf das erste Telefonat für eine Praktikumsstelle vor“, berichtet die Diplom-Sozialpädagogin.
Nähen statt Bedienen
Die Corona-Pandemie hatte auch für das Café Vergissmeinnicht Folgen. Als die Mainau im Frühjahr für Besucher sieben Wochen geschlossen war, traf dies auch die Jugendlichen. Flugs wurde das Café samt Wintergarten mittels dreier geliehener Nähmaschinen sowie Bügeleisen und Bügelbrett zur Nähstube umfunktioniert.
In einer großen E-Mail-Aussendung hatte Gräfin Sandra verkündet, dass sie Mund-Nasen-Schutzmasken produzieren würden. „Die Resonanz war unglaublich“, sagt sie. Anfangs hätten sie alte Tischdecken verarbeitet. „Wir haben einen Lieferservice eingerichtet und die Masken gegen eine Spende für den Verein abgegeben“, ergänzt Gräfin Sandra.
Manche bleiben der Mainau treu
Natascha Reuter war vor 31 Jahren die erste Teilnehmerin des Programms Pro Integration, das damals noch zwei Jahre dauerte. Im Anschluss machte sie eine dreijährige Gärtnerlehre auf der Mainau, wo sie heute noch arbeitet.

„Meine Klassenlehrerin hat mir damals gesagt, ich soll das probieren“, erzählt sie. Mit Gartenarbeit hatte sie bis dahin keine Erfahrung. „Ich habe Gärtnern einfach probiert. Es hat mir gut gefallen. Alles war irgendwie gut“, ergänzt sie. Eine Lieblingstätigkeit habe sie nicht, egal ob mit Stecklingen arbeiten oder eintopfen. „Ich mache eigentlich alles gern, auch Unkraut jäten“, sagt Reuter lachend.