So hatte sich das Simone Brunner nicht vorgestellt. Ganze Wochenenden, Abende und Nachmittage sind blockiert, seit sie in Konstanz Politik macht. Ratssitzungen, Ausschusssitzungen, Fraktionssitzungen. Hunderte Seiten dicke Vorlagen. Termine, bei denen niemand wirklich sagen kann, wie lange sie dauern. Natürlich habe man ihr gesagt, dass ein Sitz im Gemeinderat viel Engagement braucht. Aber so viel, das war ihr nicht bewusst.

Deshalb zieht Simone Brunner jetzt für sich die Notbremse. Am 9. Juni erst auf der Liste der Freien Wähler in den Gemeinderat gewählt, hat sie im Februar ihr Gesuch um Entlassung aus dem Mandat eingereicht. Abzüglich der Sommerpause hat sie es ein halbes Jahr in der Kommunalpolitik ausgehalten. Und sie fragt sich, wie sich Menschen wie sie – als Laborärztin eine erfolgreiche Unternehmerin mit Verantwortung für 100 Mitarbeitende – solch einen Einsatz für die Stadt noch leisten können.

Sie ist schon die Zweite, die ihr Mandat aufgibt

Simone Brunner ist dabei schon die Zweite, die sich innerhalb kurzer Zeit aus dem Rat verabschiedet. Und die Dinge bei ihr liegen anders als bei ihrem Kollegen Simon Pschorr, der sein Mandat ebenfalls niedergelegt hatte, denn Pschorr zog aus familiären Gründen aus Konstanz weg.

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Bei Brunner ist es der Zeitaufwand für das Mandat. 20 bis 40 Stunden im Monat brauche man für das Ehrenamt, so ihre Bilanz. Das ist bis zu einem vollen Tag jede Woche, und das neben dem Job her. Und sie stellt sich die Frage, wer das leisten kann, wenn er oder sie nicht schon in Rente, für das Mandat freigestellt oder nicht voll beschäftigt ist.

„Es findet eine Selektion statt“, sagt die Ärztin und Inhaberin eines Großlabors. Und meint damit: Bestimmte Berufsgruppen und insbesondere Führungskräfte können sich ein Engagement in der Politik schlicht nicht leisten, daran ändert auch die monatliche Aufwandsentschädigung von 700 Euro pro Monat nichts.

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„Es tut mir leid um meine Wähler, aber es ist unschaffbar“

10.453 Stimmen hatte Simone Brunner bei der Wahl erhalten – ein überdurchschnittlich gutes Ergebnis. Lange Zeit habe sie es als Verpflichtung gesehen, doch nun müsse sie Klarheit schaffen. „Es tut mir wirklich leid um meine Wähler“, sagt die ausscheidende Stadträtin.

„Es ist spannend, die Geschicke der Stadt mitgestalten zu können, und ich wollte daran aktiv mitwirken. Aber ich hatte keine Ahnung von dem, was mich erwartete.“ Sie wisse um die Enttäuschung, die nun manche spürten. Aber ihr sei klar geworden: „Es ist unschaffbar.“

Er rückt nach in den Konstanzer Gemeinderat: Hans Jürgen Oexl ist der erste Nachrücker bei den Freien Wählern. Und er nimmt das Mandat ...
Er rückt nach in den Konstanzer Gemeinderat: Hans Jürgen Oexl ist der erste Nachrücker bei den Freien Wählern. Und er nimmt das Mandat an, wie er versichert. | Bild: Scherrer, Aurelia | SK-Archiv

In die Fraktion der Freien Wähler rückt nun Hans-Jürgen Oexl nach. Auch er ist Selbstständiger und wird sich die Zeit für das Mandat ebenfalls hart erkämpfen müssen. Den Wählerauftrag nimmt er dennoch an, sagt Oexl auf Anfrage. Mit überraschenden Einsätzen kennt er sich jedenfalls aus: Vielen ist er als langjährige Führungskraft bei der freiwilligen Feuerwehr bekannt.