Die Diskussion ist so alt wie das Ehrenamt selbst. Ist es wirklich eine Ehre, ein solches Amt auszuüben? Sollte es, um diesen Namen zu verdienen, ohne jeglichen Obulus verrichtet werden? Also nur um der Ehre willen? Wann verlässt ein Ehrenamt den Bereich des Ehrenamtes und wird zu einem Brotjob, also einem Beruf, mit dem man sein Leben finanzieren kann? Der SÜDKURIER veröffentliche vor wenigen Wochen einen Artikel über verheiratete Gemeinderäte mit kleinen Kindern. Sarah Seidel, Kandidatin der CDU und knapp am Einzug in den Rat gescheitert, sagte angesichts des großen Aufwandes: „Es ist an der Zeit, jungen Menschen mit Familie Anreize zu geben, sich zu engagieren.“ Im Gespräch mit Stadträten, die bereits im Amt waren, hatte Seidel vor der Wahl festgestellt, dass es keine einfache Lösung gebe, Müttern oder Vätern das Amt zu erleichtern.

Das könnte Sie auch interessieren

Es entspann sich eine emotionale Diskussion im Internet zum Thema Vergütung eines Ehrenamtes – in den Bereichen Kommunalpolitik und Sport. Gordon Hügel, Präsident der DJK Konstanz und Schiedsrichter im Bezirk, konnte die Diskussion nicht verstehen: „Mütter und Väter brauchen Erleichterung, um Politik zu machen?“, schrieb er. „Bekommen sie doch die monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 700 Euro plus Sitzungspauschale und Betreuungskosten für ihre Kinder.“ Stadträte sollten sich mal wirklich ehrenamtlich einbringen zum Beispiel in einem Verein, das sei kein Vergleich.

Gordon Hügel ist als Präsident der DJK Konstanz so etwas wie das Mädchen für Alles.
Gordon Hügel ist als Präsident der DJK Konstanz so etwas wie das Mädchen für Alles. | Bild: Oliver Hanser

Holger Reile von der Linken Liste sah sich offenbar herausgefordert und schrieb: „Jetzt mal halblang, Herr Hügel: Das gemeinderätliche Ehrenamt hat sich mittlerweile zu einem Halbtagsjob entwickelt – wofür es 700 Euro monatlich gibt, die teilweise auch noch zu versteuern sind. Ich glaube nicht, dass dies eine überzogene Summe ist. Dazu ist die Erstattung von Betreuungskosten zum Beispiel für Kinderbetreuung während der Sitzungen – die sich oft bis Mitternacht hinziehen – ein kleiner Ausgleich, der völlig gerechtfertigt ist. Hier den Eindruck zu erwecken, als würde man den Räten und Rätinnen die Kohle nur so hinterherwerfen, ist völlig neben der Spur und entbehrt jeder Grundlage.“

„Das sind ihre Worte, Herr Reile„

Gordon Hügels Replik ließ nicht lange auf sich warten: „Ich habe auch nicht von überzogen oder jemandem etwas hinterherwerfen gesprochen. Das sind Ihre Worte. Ich habe nur darauf hingewiesen, dass das gemeinderätliche Ehrenamt ja entschädigt wird. Im Vergleich zu einem Ehrenamt in einem Verein – welches in der Regel nicht entschädigt wird oder nur sehr sehr gering. Ich habe mir nur erlaubt, etwas mehr Infos zugeben. Somit denke ich, dass ich auf der richtigen Spur fahre und auch eine Grundlage vorhanden ist.“

„Wir ehrenamtliche Vereinsmitarbeiter machen das, weil es jemand machen muss – ansonsten stirbt das Vereinswesen aus. Ich ...
„Wir ehrenamtliche Vereinsmitarbeiter machen das, weil es jemand machen muss – ansonsten stirbt das Vereinswesen aus. Ich werde auch am frühen Sonntag angerufen, wenn im Vereinsheim die Toilette verstopft ist.“ Gordon Hügel, Macher und Malocher der DJK Konstanz | Bild: Oliver Hanser

Wir haben uns mit Gordon Hügel getroffen und über seine Aktivitäten im Amateursport geredet. So war er laut Einsatzplan des Fußball-Verbandes als Schiedsrichter am Sonntag, den 26. Mai, also am Tag, als die Kommunalwahlen stattfanden, von 10.30 Uhr bis 21 Uhr als Schiedsrichter bei vier Spielen in Konstanz und in Singen unterwegs, dafür bekam er insgesamt 100 Euro Aufwandsentschädigung sowie 20 Euro Kilometergeld – „und obendrein wurde ich als Dank von so manchem Spieler und Trainer angepflaumt“.

Das könnte Sie auch interessieren

Seine Frau habe zu der Zeit die zwei Kinder betreut. „Für die DJK bin ich in der Regel zusätzlich rund 15 Stunden pro Woche beschäftigt“, erzählt er und unterstreicht: „Ich gönne es den Räten ja. Aber wieso werden andere Ehrenämter nicht ebenfalls so stark unterstützt?“

Zuschuss gibt‘s nur für lizenzierte Trainer

Immerhin: Lizenzierte Jugendtrainer erhalten von der Stadt 2,50 bis drei Euro pro Stunde Zuschuss bis maximal 200 Stunden pro Jahr. „Das gilt aber nur für Trainer mit Lizenz, die wiederum sehr viel Geld kostet, was vom Verein übernommen wird“, sagt Gordon Hügel. Wer solche Lizenzen machen möchte, muss übrigens dafür rund drei Wochen im Jahr Urlaub nehmen, Anreise zur Sportschule Steinbach bei Baden Baden sowie Unterkunft und Verpflegung dort selbst übernehmen – was wiederum den Zuschuss der Stadt relativiert.

„Ich werde angerufen, wenn die Toilette verstopft ist“

Er denkt laut nach: „Wenn meine Jugendtrainer, die sehr, sehr wertvolle Arbeit für die Gesellschaft leisten, Betreuungsgeld und 700 pauschal pro Kopf und Monat erhalten würden, müsste ich nicht händeringend nach neuen suchen.“ Er als Vorsitzender der DJK Konstanz erhält eine pauschale Spendenbescheinigung von 720 Euro pro Jahr – mehr nicht.

Das könnte Sie auch interessieren

„Für das Geld macht das niemand“, sagt Gordon Hügel. „Wir ehrenamtliche Vereinsmitarbeiter machen das, weil es jemand machen muss – ansonsten stirbt das Vereinswesen aus.“ Funktionäre eines Vereins hatten vor Jahren noch einen bestimmten Status, heute sind sie Mädchen für alles. „Ich werde auch am frühen Sonntag angerufen, wenn im Vereinsheim die Toilette verstopft ist“, erzählt er aus seinem Leben als DJK-Präsident. Funktionäre seien heute längst so etwas wie Eier legende Wollmilchsäue.

Konstanz macht ja viel für den Sport, aber...

Gordon Hügel kümmert sich auch mit Leib und Seele um die städtischen Zuschüsse für seinen Verein. „Obwohl die Stadt Konstanz im Vergleich zu anderen Städten wirklich viel tut für den Sport“, erzählt er. „Aber es gibt fast jedes Mal ein Riesentheater im Gemeinderat. Manchmal frage ich mich, ob überhaupt gesehen wird, was wir Sportvereine für die Jugend leisten.“