Mit einem Transparent auf die Straße geht Ursula Renz sonst nie. Aber am Mittwoch war es ihr nach eigenem Bekunden ein Anliegen. Als sie im SÜDKURIER las, dass bei Schulen und beim Sport gespart werden soll, die Stadt aber am verlustträchtigen Bodenseeforum festhalten will, platzte ihr der Kragen und sie wusste: Jetzt ist es Zeit, demonstrieren zu gehen.

Also bastelte Ursula Renz ein Plakat, auf dem steht: „Finanzielle Geiselhaft für eine ganze Stadt wegen Millionengrab Bodenseeforum“. Um sie herum sind viele Kinder und Jugendliche, auch sie haben zum Teil Plakate gebastelt.
Über 200 Menschen sind es am Ende, die die Stadträte vor dem Beginn der Spar-Debatten empfangen. Manche Stadträte hasten eher an ihnen vorbei, andere nehmen sich Zeit für ein Gespräch. Auch Bürgermeister Andreas Osner und mehrere Stadträte kommen an der Kundgebung vorbei.
Und das ist erst der Anfang. Zwei Stunden später hat sich die nächste Kundgebung vor dem Ort der politischen Beratungen in der Luisenstraße formiert. Diesmal sind es vor allem die Fußballer, und es sind rund 500 zumeist jugendliche Kritiker der Sparvorschläge.
Sie haben Trillerpfeifen und Plakate dabei. Sie erwarten weitere Kommunalpolitiker, die zur Sitzung des Sportausschusses kommen, während drinnen der Schulausschuss über ein neuerliches Gutachten zur Schulentwicklung für 120.000 Euro berät.
„Man spart am falschen Ende“
Stephan Schumann vom TV Konstanz spricht sehr ruhig ins Mikro, lässt es aber an Deutlichkeit nicht fehlen. Viele Vereine seien akut gefährdet und könnten ihre Aufgabe in der Mitte der Gesellschaft wohl bald nicht mehr ausüben.
Durch all die Corona-Zeit hätten sie den Betrieb am Laufen gehalten, und jetzt müsse man um die ohnehin bescheidene Unterstützung der Stadt bangen, so Schumann. Um ihn herum stehen vor allem jugendliche Sportler in ihren Trikots, die an diesem Mittwochabend nicht Vereinssport, sondern Zivilcourage trainieren.

Ohne Vereine geht es nicht, sagen auch Steffi Zeittler und Verena Jaeger. Für ihre Kinder ist der Sportverein längst eine zweite Heimat geworden, sagen sie. „Man spart am falschen Ende“, beklagen die beiden protestierenden Mütter. Schon durch Corona und die Sperrung von Hallen seien diejenigen, die jetzt jung sind, benachteiligt worden. Nun dürfe nicht auch noch das Jugendtraining in Gefahr geraten.
Und das ist ein reales Szenario: Otto Eblen von der HSG spricht von Berechnungen, dass der Mitgliedsbeitrag in seinem Verein auf 350 Euro für Jugendliche und 450 Euro für Erwachsene steigen müsste, weil die Stadt nicht nur die explodierenden Kosten nicht ausgleicht, sondern jetzt sogar noch Geld zusammenstreichen will.
Demo zieht durch den Sitzungssaal
Bevor der Tagesordnungspunkt Sportförderung aufgerufen wird, zieht sich ein Demonstrationszug durch den Saal, wie ihn Konstanz wohl noch nie gesehen hat. „Wir brauchen Sport“, skandieren Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Der Zuschauerbereich ist voll gefüllt, einige der Stadträte wirken durchaus überrascht. In den Saal eingelassen hatte die Demonstranten Bürgermeister Andreas Osner mit Billigung des Ausschusses.
Den Vertretern von rund 30.000 Sportvereins-Mitgliedern in der Stadt die kalte Schulter zeigen will hier niemand. Denn klar ist auch: Dieser Abend ist vielleicht nur der Anfang dieses harten Spar-Winters in Konstanz, denn auch in anderen Bereichen als dem Sport wird der Rotstift regieren.
In der Debatte dann ist der Ton nachdenklich. Erkennbar beeindruckt zeigen Politiker aller Fraktionen Verständnis für den Unmut der Sportler. Einen endgültigen Beschluss fassen sie nicht. In der ersten Abstimmung zu den von der Verwaltung vorgeschlagenen Kürzungen fallen alle einzelnen Punkte durch.
„Zeichen für lebendige Demokratie“
Eine Streichung von 50 Prozent bei der Jugendförderung scheitert am Sportausschuss ebenso wie die Idee, die jährliche Sportlerehrung komplett zu streichen oder die Miet- und Pachtzuschüsse zu kürzen. Nur bei den geplanten Trainingsgebühren in städtischen Anlagen für erwachsene Nutzer gab es Verständnis.
Doch entschieden ist nichts. Politisch festgezurrt wird der Haushalt mit seinen Zumutungen für viele Bürgerinnen und Bürger erst im Laufe des Winters. In diesen Debatten werden sich wohl nicht nur die Sportler Gehör verschaffen.

Für den zuständigen Bürgermeister Andreas Osner ist das in schwierigen Zeiten nicht lästig, sondern ermutigend, wie er sagt. Als die Sport-Demo vorbei ist, sagt er als erstes: „Das ist ein Zeichen für lebendige Demokratie.“