Am Ende stehen knapp 400 Menschen, viele von ihnen unter 30, im Saal und klatschen. Sie klatschen für eine politische Rede, die den Bogen vom eigenen Heizungskeller bis in Ukraine, vom Kaiserreich bis in die klimaneutrale Zukunft, von prinzipienfesten Politikern bis zu pragmatischen Bündnissen spannt.

Lars Klingbeil hat über eine halbe Stunde gesprochen, ohne Manuskript und doch mit einem roten Faden, und ihm gilt der Applaus. Doch nicht nur ihm. In diesem Moment im Konstanzer Bodenseeforum steckt auch ein Stück Selbstvergewisserung.

Stargast des Abends: Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender, gratuliert den Konstanzer Genossen mit einer mehr als habstündigen, ...
Stargast des Abends: Lars Klingbeil, SPD-Parteivorsitzender, gratuliert den Konstanzer Genossen mit einer mehr als habstündigen, leidenschaftlichen und inhaltsschweren Rede zum 150. Geburtstag. Rund 400 Gäste im – passend in Rot getauchten – Bodenseeforum hören zu. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Seit 150 Jahren gibt es uns, wir haben Parteiverboten und Verfolgung, Strategien Anfeindung und Versuchen der Vereinnahmung widerstanden, als muss uns auch vor der Zukunft nicht bange sein. So feiert der Ortsverein der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sein 150-jähriges Bestehen.

Lars Klingbeil erweist sich einmal mehr als politisches Talent

Es soll ein Abend des Aufbruchs sein. Der Hauptredner ist Jahr 1978, ein politisches Talent erster Güte. Aus Niedersachsen haben sie Lars Klingbeil an dem Bodensee eingeladen, und wenn man mit Besuchern spricht, halten sie es für eine gute Idee, ihn und nicht seine immerhin aus Baden-Württemberg stammende Co-Vorsitzende, Saskia Esken, auf die Bühne zu holen.

Nicht nur der Applaus gibt den Organisatoren um den Ortsvorsitzenden Frank Ortolf Recht. Klingbeil positioniert seine Partei geschickt als die der Vernunft, die sich auch traut, den Bürgern zu sagen, dass es in den nächsten Jahren nicht einfacher wird. Klimaschutz muss sein, erklärt der SDP-Vorsitzende, und zwar in Verbindung mit einer klugen Industriepolitik.

Auch die nächsten Jahre werden nicht einfach: SPD-Bundesvorsitzender Lars Klingbeil redet in Konstanz nicht lange um den heißen Brei herum.
Auch die nächsten Jahre werden nicht einfach: SPD-Bundesvorsitzender Lars Klingbeil redet in Konstanz nicht lange um den heißen Brei herum. | Bild: Rau, Jörg-Peter

So macht Lars Klingbeil den Menschen Mut

Er geht auf Distanz zu Altkanzler Gerhard Schröder, aber sagt auch: Diplomatie ist mindestens so wichtig wie Waffenlieferungen. Er ruft all die Großen der Parteigeschichte in Erinnerung, Otto Wels und Willy Brandt, er erinnert daran, wie oft die SPD schon totgesagt wurde und wie oft Leute die Augen verdreht hätten, als er von Olaf Scholz als dem zukünftigen Bundeskanzler sprach.

Er macht Mut, auch mit Stolz darauf zu blicken, wie gut Deutschland durch ein Jahr gekommen ist, von dem AfD gehofft hatte, es möge einen „Wut-Winter“ bringen und die Gesellschaft spalten. All das kommt gut an als Geburtstagsgruß, und für den Stargast am Bodensee ist wohl auch schon ein Vorgeschmack auf bald, wenn die Bundes-SPD ihren 160. Geburtstag feiert.

Auch die jüngsten Genossen, die Jusos, sind beim Fest der SPD gut vertreten.
Auch die jüngsten Genossen, die Jusos, sind beim Fest der SPD gut vertreten. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Dass nur zehn Jahre nach der Geburtsstunde der deutschen Sozialdemokratie in Konstanz bereits das gegründet wurde, was später zum SPD-Ortsverein werden sollte, erfüllt auch die anderen Redner mit Stolz und Demut. Frank Ortolf erinnert daran, wie er selbst 2016 in die SPD eintrat, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen und für ein solidarisches Miteinander einzutreten.

Frank Ortolf, Vorsitzender des SPD-Ortsverbands Konstanz.
Frank Ortolf, Vorsitzender des SPD-Ortsverbands Konstanz. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Bürgermeister Andreas Osner würdigt, dass die Sozialdemokraten für die Werte der Gesellschaft einträten, und er mahnt: „Wir brauchen Respekt, wir müssen für unsere Freiheit kämpfen!“

Er hebt hervor, was die Sozialdemokraten für Konstanz geleistet haben: Andreas Osner, Bürgermeister und Parteimitglied.
Er hebt hervor, was die Sozialdemokraten für Konstanz geleistet haben: Andreas Osner, Bürgermeister und Parteimitglied. | Bild: Rau, Jörg-Peter

Und die Bundestagsabgeordnete Lina Seitzl macht deutlich, dass die SPD Konstanz immer dafür eingetreten sei, dass die Daseinsvorsorge in Händen der Stadt bleibt und dass Gerechtigkeit der Leitstern bleibt, ob im Wohnungsbau oder in der Bildung. Und sie erinnert – es sind auch Genossinnen aus der Schweiz zu Gast – daran, dass die Grenze offen und der gegenseitige Austausch auch nach dem gescheiterten EU-Rahmenabkommen möglich bleiben müsse.

Lina Seitzl, SPD-Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende der Partei.
Lina Seitzl, SPD-Bundestagsabgeordnete und Kreisvorsitzende der Partei. | Bild: Rau, Jörg-Peter

„Der Mythos von der politikverdrossenen Jugend ist ein Mythos“, ruft Fortunato Russo kurz vor Lars Klingbeils Auftritt noch in den Saal, und die Jusos seien „mehr als eine reine Plakatklebegruppe“. Die Botschaft ist klar: Die SPD hat in Konstanz als älteste Partei der Stadt nicht nur eine lange Vergangenheit, sondern glaubt auch an eine gute Zukunft.

Die Gruppe Comedycation sorgt für das Kulturprogramm um einen beschwingten Abschluss.
Die Gruppe Comedycation sorgt für das Kulturprogramm um einen beschwingten Abschluss. | Bild: Rau, Jörg-Peter

So bildet dann auch das Improvisationstheater Comedycation den Abschluss des Kulturprogramms. Der bestens eingespielte Musikverein Eintracht Petershausen packt dagegen die Instrumente ein, ohne dass die Gäste den Parteitagsklassiker „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“ gesungen haben.

Der Musikverein Eintracht Peterhausen spielt dem SPD-Ortsverein Konstanz und seinen Gästen zum Geburtstag gleich mehrere schwungvolle ...
Der Musikverein Eintracht Peterhausen spielt dem SPD-Ortsverein Konstanz und seinen Gästen zum Geburtstag gleich mehrere schwungvolle Ständchen. | Bild: Rau, Jörg-Peter