Als Heinz Krahnen ein Volleyball-Turnier in einer Sporthalle der Stadt Konstanz veranstalten wollte, bekam er 60 Seiten zugeschickt. 60 Seiten voller Auflagen, Regeln und Hinweise. Bis hin zur Anordnung, in welchem Winkel er den Fuß eines Wegweisers aufzustellen habe (parallel zur Gehrichtung). Heinz Krahnen ist seit Jahrzehnten Sportfunktionär in Konstanz und konnte es kaum glauben. So erzählt es seine Frau Dorothee Jacobs-Krahnen, Stadträtin der Freien Grünen Liste (FGL), und sagt dann fast flehentlich: „Bitte, bitte, bitte, alles ein bisschen im Rahmen lassen und vereinfachen.“
Der Vorwurf, der dabei im Raum steht, wiegt schwer: Würgt die Konstanzer Stadtverwaltung ehrenamtliches und gesellschaftliches Engagement ab, indem sie immer weiter reichende Auflagen macht? Zuletzt hatte ein zunächst per Verbotsschild kommuniziertes und dann doch wieder relativiertes Kärrele-Verbot zur Fasnacht für Kopfschütteln gesorgt. Die Organisatoren des Altstadtlaufs gaben nach eigenen Angaben auch auf, weil die Bürokratie überbordend gewesen sei.
Die Narrengesellschaft Niederburg sah sich überraschend um ihr Stüble im historischen Pulverturm gebracht, weil die Nutzung dort brandschutzmäßig nicht mehr zu vertreten sei. In der Niederburg scheiterte das Aufhängen der Herrnhuter Sterne zu Weihnachten laut den dortigen Organisatoren daran, weil die Stadt die Vergabe an einen teuren Fachbetrieb gefordert habe. Und die Narren von der Schneckenburg hatten, wie sie es darstellen, kurzfristig und unerwartet neue Brandschutz-Auflagen für den Ort ihrer Bunten Abende bekommen, was zu großem Frust führte.
Jan Welsch, dessen SPD-Fraktion das Thema jüngst auf die politische Agenda gesetzt hatte, verweist auf den Spagat. So bräuchten die Veranstalter Klarheit, was von ihnen erwartet werde, und zugleich sei die Regelungsdichte enorm – was auch davon abhänge, mit welchem Teil der Verwaltung man es zu tun habe: Fürs Volleyballturnier ist in der Tat das Schul- und Sportamt zuständig, für den Brandschutz die Feuerwehr, für Veranstaltungen auf der Straße das Bürgeramt. Welschs Eindruck: „Es stellt sich immer die Frage der Verhältnismäßigkeit.“
Schnell heißt es dann: „Wer ist verantwortlich?“
Für Jürgen Faden von den Freien Wählern stellt sich die Situation etwas anders dar: „Vor lauter Vorschriften sehen wir die Festwiese nicht mehr“, beklagt er und fordert, Bund und Land sollen endlich mit dem Bürokratieabbau Ernst machen. Roger Tscheulin (CDU), selbst Anwalt, glaubt nicht, dass es die Stadt Konstanz ist, die die Verwaltung künstlich verkompliziert. Ja, es gebe „hohe Hürden“, aber eben auch „hohe Erfordernisse“. Und er erinnert daran, in welcher Verantwortung alle Beteiligten stehen: „Wenn irgendetwas geschieht, ist die erste Frage: Wer ist verantwortlich?“
Thomas Traber, Verwaltungsdezernent, ist unterdessen durchaus selbstkritisch. Er räumt ein, dass es „Kommunikationsdefizite“ gegeben habe, das sei eine „Thematik, die wir auch erkannt haben“. Für Vereine wolle die Verwaltung nun einen Leitfaden mit Hinweisen erarbeiten, denn „wir versuchen wirklich, Dinge zu ermöglichen“, freilich immer „im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten“.
OB sagt: „Es gibt bei uns viele Leite, die es möglich machen“
Das bekräftigt auch Oberbürgermeister Uli Burchardt. Die Verwaltung, sagte er neulich vor Stadträten, könne jede Veranstaltung sofort unterbinden, wenn das ihr Ziel sei. Aber genau so sei es ja nicht: „Es gibt bei uns viele Leute, die es möglich machen“. In der Stadtverwaltung habe mach sich „ein Bein ausgerissen, das Dorffest Dettingen möglich zu machen“. Aber Burchardt erinnert auch an den Verbrühungs-Unfall in einem sogenannten Hexenkessel bei der Fasnacht im badischen Eppingen und an den Brand bei einem Umzug in Kehl.
Ist die Kritik an der Konstanzer Verwaltung aus Vereinen und Initiativen also falsch? Dass der Frust stellenweise tief sitzt, bestreitet von den Akteuren aus dem Rathaus eigentlich niemand. Das Bürgeramt stellt aber doch klar, dass die dort erlassenen Anordnungen kurz und knapp seien. Die Stadtspitze räumt ein, dass „Dinge nicht optimal gelaufen“ seien, „man kann das immer noch besser machen.“ Aber dass es ein spezifisches Konstanzer Problem ist, bestreitet Oberbürgermeister Uli Burchardt energisch: „Ich will in aller Deutlichkeit zurückweisen, dass wir hier für überbordende Bürokratie verantwortlich sind.“