Frau Knopki und Herr Mehlin, Sie beide haben im April den Vorsitz des Kreismietervereins Waldshut übernommen. Wie kam es dazu?

Helga Knopki: Der bisherige Vorstand schied aus und die Zukunft des Vereins war ungewiss. Wir haben ihn gerettet. Mir war es sehr wichtig, weil der Kreismieterverein vielen Menschen in Notlagen Beistand leistet. Vor vielen Jahren auch mir persönlich. Alleine wollte ich es aber nicht machen. Mit so einem jungen, dynamischen Mann an meiner Seite freue ich mich auf die neue Aufgabe!

Marius Mehlin: Ich hatte selbst noch nie Probleme mit einem Vermieter, bin sogar sehr glücklich mit meinem. Aber ich habe von der Notlage des Vereins erfahren, wollte helfen und habe mich aus sozialen Gründen bereiterklärt, den Vorsitz zu übernehmen.

Was macht der Kreismieterverein eigentlich genau?

Helga Knopki: Vor allem Mietern beistehen, die in irgendeiner Form Probleme mit ihrem Vermieter haben. Mitglied wird in der Regel, wer sich bereits in einer Situation befindet, in der er selbst nicht mehr ohne professionelle Unterstützung weiter weiß.

Marius Mehlin: Wir haben aktuell über 1100 Mitglieder – fast alles Mieter, die im Landkreis Waldshut rechtliche fragwürdige Situationen mit ihren Vermietern erlebt und bei uns Hilfe gesucht haben. Unsere beiden festangestellten Bürokräfte vermitteln Betroffene möglichst zeitnah an Fachanwälte, die in Mietrechtsfragen beraten.

Was sind die häufigsten Anliegen?

Marius Mehlin: Streitigkeiten um Mieterhöhungen, Kündigungen wegen Eigenbedarfs, Nebenkostenabrechnungen, Kautions-Probleme oder Fragen zur Beseitigung von Wohnungsmängeln bei Ein- oder Auszug sind häufige Anliegen der Mieter, die sich an uns wenden.

Und wo tricksen Vermieter gerne, oder anders gefragt: Wo sollten Mieter genauer hinschauen?

Helga Knopki: Immer wieder kommt es vor, dass Mieter unter dem Vorwand des Eigenbedarfs gekündigt werden und danach neu zu einem höheren Preis vermietet wird. Das ist natürlich rechtswidrig. Außerdem wird oft bei Nebenkostenabrechnungen getrickst: Kosten auf Mieter umgelegt, die eigentlich der Vermieter zahlen muss, zum Beispiel Verwaltungskosten, Reparaturen oder Instandhaltungskosten. In einigen Fällen werden nur Nebenkostenabrechnungen gesendet, wenn es um Nachzahlungen durch den Mieter geht, während in Jahren, in denen Mieter etwas zurückbekommen würden, gar keine Abrechnungen versendet werden.

Frau Knopki, Sie sind damals Mitglied geworden, weil Sie persönlich betroffen waren. Was haben Sie erlebt?

Helga Knopki: Als junge Frau lebte ich in einer Wohngemeinschaft in Stuttgart, in der ich mich eigentlich sehr wohlgefühlt habe. Nach einem Vermieterwechsel fingen aber die Probleme an: Der neue Eigentümer hat unsere Privatsphäre nicht akzeptiert, betrat in unserer Abwesenheit die Wohnung, wühlte in unseren Privatsachen herum und begann auch, Kontakt mit den Bewohnerinnen einzufordern. Der Kreismieterverein Stuttgart half uns dabei, dem Vermieter unsere Mieterrechte klarzumachen. In so jungen Jahren waren wir sehr erleichtert, diesen rechtlichen Beistand zu haben.

Sind es oft junge Menschen, die Beistand im Mieterverein suchen?

Helga Knopki: Auf jeden Fall sind es oft Menschen, die ohnehin mehr zu kämpfen haben, in der Gesellschaft: Menschen mit Migrationshintergrund, alleinerziehende Elternteile, Menschen mit wenig Geld, wenig familiärer Unterstützung und Netzwerk. All diesen Menschen verhelfen wir zu rechtlichem Beistand.

Welche Anwälte leisten diesen Beistand in unserer Region und wie viel kostet die Beratung?

Marius Mehlin: Die Aufnahmegebühr in den Verein kostet einmalig 30 Euro, die Jahresmitgliedschaft ab 80 Euro. Die Beratungen selbst sind im Mitgliedsbeitrag inbegriffen, das Aufsetzen von anwaltlichen Schreiben wird nach Aufwand zu vergünstigten Preisen abgerechnet. Unsere Partneranwälte sind Thorsten Brück für den östlichen Landkreis und Ulrich Cramm für den westlichen Landkreis. Sie arbeiten auf Honorarbasis. Aktuell sind die Wartezeiten leider etwas länger, weil sich die Lage auch in unserer Region verschärft hat.

Dieses Jahr gibt es den Kreismieterverein schon 40 Jahre. Wie haben sich die Anliegen in dieser Zeit verändert?

Helga Knopki: Mit der herrschenden Knappheit von bezahlbarem Wohnraum hat sich die Lage für Mieter generell verschärft. Mieter sind auf die vorhandene Wohnung angewiesen und Vermieter nutzen das oft schamlos aus. Beschwerden über überzogene Mietpreiserhöhungen und horrende Nebenkostenabrechnungen häufen sich.

Marius Mehlin: Seit 2019 hat der Verein deshalb auch zwei Festangestellte Bürokräfte, die sich um die Anliegen der Betroffenen kümmern, die Daten pflegen und Termine koordinieren. In den letzten zehn Jahren sind die Mitgliederzahlen von rund 800 auf über 1100 gestiegen. Das zeigt, wie wichtig der Erhalt dieses Vereins ist.

Warum ist der Wohnraum so knapp und welche Gemeinden sind in unserer Region besonders betroffen?

Marius Mehlin: Als Kreismieterverein führen wir dazu keine Statistik. Aber teurer sind die Wohnungen sicher entlang der Hochrheinschiene. In den Höhenlagen des Südschwarzwaldes wird der Wohnraum günstiger. Hier müssen aber oft Abstriche in puncto Infrastruktur in Kauf genommen werden: schlechtere Anbindungen an den öffentlichen Nahverkehr, an Einkaufsmöglichkeiten und Kommunikationsstrukturen.

Helga Knopki: Die Preise im Landkreis Waldshut werden sicher auch durch die Nähe zur Schweiz und das Interesse von Schweizern an bezahlbarem Wohnraum auf der deutschen Seite des Rheins in die Höhe getrieben.

Was wünschen Sie sich von der Politik, um diese Probleme zu lösen?

Helga Knopki: Ich weiß aus Gesprächen und Ortsbegehungen, dass die Bürgermeister in unserem Landkreis die Problematik kennen und lösen möchten. Aber auch Rathauschefs können nicht einfach Wohnraum herbeizaubern, wo keiner ist. Ich denke, da ist die Bundespolitik gefragt. Bezahlbarer Wohnraum sollte in einem Sozialstaat wie Deutschland ein Menschenrecht sein.