Für einen kurzen Moment herrscht scheinbar Ratlosigkeit in Sitzungssaal 107. Vor dem Amtsgericht Konstanz läuft an diesem Tag ein Verfahren wegen des Vorwurfs der schweren Körperverletzung gegen drei Angeklagte. Sie sollen gemeinsam im August 2024 einen Mann in der Max-Stromeyer-Straße geschlagen und leicht verletzt haben. Doch an dem Verhandlungstag fehlt ein wichtiger Zeuge – das Opfer selbst.

Der Prozess wird an diesem Tag nicht beendet, die vorsitzende Richterin will die Aussage des Mannes hören. Wenn geladene Zeugen unentschuldigt nicht vor Gericht erscheinen, gibt es Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Die Strafprozessordnung regelt, dass dem Zeugen die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt werden können. Auch die „zwangsweise Vorführung des Zeugen ist zulässig“, heißt es in Paragraf 51. Zudem können ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft festgesetzt werden.

Das könnte Sie auch interessieren

In dem speziellen Fall ist das allerdings nicht ganz so leicht. „Grundsätzlich unterliegen auch Schweizer im Inland der Aussagepflicht. Allerdings können gegen einen nicht zur Verhandlung in Deutschland erschienen, im Ausland aufhältlichen ausländischen Zeugen, keine Ordnungsmittel verhängt werden“, sagt Franz Klaiber, Direktor des Amtsgerichts Konstanz, auf SÜDKURIER-Anfrage.

Das bedeutet also konkret, dass weder Ordnungsgeld oder Ordnungshaft verhängt werden können, noch die Vorführung des Zeugen durch die Polizei zulässig ist. In solchen Fällen, wie auch im aktuellen Verfahren am Amtsgericht Konstanz, bedeutet das also zunächst, dass die Aussage eines Zeugen für die Beweisaufnahme schlicht fehlt.

Bitte um Rechtshilfe bei Schweizer Justiz

In dem konkreten Fall der gefährlichen Körperverletzung will die vorsitzende Richterin nicht auf die Aussage des wichtigen Zeugen verzichten. Dafür hat die Justiz allerdings auch Optionen. „In solch einem Fall ist es aber möglich, die Schweizer Justizbehörden über ein Rechtshilfeersuchen zu bitten, den Zeugen in der Schweiz zu vernehmen“, so Klaiber. Dann könne das dort erstellte Protokoll in der deutschen Verhandlung verlesen werden.

In der Grenzregion sind solche Fälle keine Seltenheit. Dass Schweizer Zeugen nicht vor einem deutschen Gericht erscheinen, kommt laut Klaiber öfter vor. Für die Gerichte heißt das auch, dass sich Verfahren hinziehen können. In dem konkreten Fall vor dem Amtsgericht um mehrere Wochen.

Das könnte Sie auch interessieren

Voraussetzung für die Rechtshilfe ist laut dem Schweizer Bundesamt für Justiz ein Strafverfahren in dem Land, das das Ersuchen stellt. Beim Vollzug des Rechtshilfeersuchens können demnach auch Zwangsmaßnahmen angeordnet werden, darunter etwa eine formelle Befragung durch Ermittlungsbehörden oder Gerichte.

Die Rechtshilfe unterscheidet sich vom polizeilichen Nachrichtenaustausch, bei dem es um die Informationsbeschaffung ohne Anwendung von Zwangsmaßnahmen geht. Etwas anderes ist auch die Amtshilfe, also die Zusammenarbeit zwischen Steuerbehörden und anderen Verwaltungsbehörden.