Für Veronika Fischer ist das gelbe Haus von 1903 ein Idyll. „Ich fühle mich wie in Bullerbü, wenn ich die kleine Grundschule anschaue“, sagt die Mutter von drei Kindern, eines davon besucht derzeit in Dingelsdorf den Unterricht. Doch Veronika Fischer weiß auch, dass dieses Idyll Risse hat. Denn die Schule leidet unter akutem Platzmangel.
Schulleiterin Anahita Fischer bestätigt: „Wir haben hier keinen Raum, der nicht doppelt genutzt wird. Wir können nichts liegen lassen und haben keinen Platz für Schulversammlungen.“ Bei der Einschulung oder Gottesdiensten hofft die Schulgemeinde, dass es nicht regnet, denn diese Veranstaltungen finden im Freien statt.

Auch Lagerraum fehlt. Nicht benötigte Stühle und das Mathe-Material werden im Flur aufbewahrt, außerdem nutzt die Schule den Keller, hat ein Klassenzimmer im benachbarten Feuerwehrhaus und das Lehrerzimmer im daneben liegenden Rathaus. „Alles ziemlich umständlich, aber wir sind froh, dass wir diese Zimmer überhaupt haben“, so die Schulleiterin.
Zusätzlich nutzen die Schulkindbetreuung und Vereine das Schulgebäude, in einem Klassenzimmer steht ein Klavier für die Musikschule. „Laut einem Gutachten von 2023 fehlen uns 360 Quadratmeter“, sagt Anahita Fischer. „Ein Klassenraum ist um die Hälfte zu klein. Heute wird eben nicht mehr wie vor über 100 Jahren unterrichtet.“

In jüngerer Vergangenheit besuchten die Schule zwischen 70 und 80 Kinder, doch im Jahr 2003 habe Dingelsdorf über 100 Grundschüler gehabt. „Damals habe ich im Dachgeschoss 30 Kinder unterrichtet, da gab es nur Sitzen und Stillsein“, sagt Anahita Fischer und lacht. Doch eigentlich ist ihr nicht zum Lachen zumute, denn das Platzproblem drängt. Auch in den kommenden Jahren werden die Schülerzahlen auf dem heutigen Stand bleiben, sagt sie.
Der Bedarf steigt eher noch
Niklas Becker, selbst ein Dingelsdorfer, hat sich als Stadtrat der Freien Grünen Liste (FGL) noch tiefer in die Entwicklungsprognosen hineingelesen. „Laut der Vorausberechnung bleibt der Bedarf hier bis 2045 bestehen“, sagt er. Durch das geplante Neubaugebiet Steinrennen II steige die Kinderzahl sogar noch. Zudem ist die Dorfschule ein Ganztagsbetrieb.
Selina Hansbauer, die die Kernzeitbetreuung in Dingelsdorf leitet, sagt stolz: „Wir haben von allen Konstanzer Schulen prozentual die höchste Quote an Ganztagsbetreuung. Aber wenn der gesetzliche Anspruch ab 2026 kommt, weiß ich nicht, wie ich hier noch mehr Kinder unterbringen soll.“
Das alles wissen auch die Ortsvorsteher Horst Böttinger-Thyssen (SLWD) und sein Stellvertreter Florian Fuchs (CDU). „Seitdem ich hier in den 1970er-Jahren zur Schule gegangen bin, hat sich baulich nichts verändert“, sagt Florian Fuchs. Auch die Stadtverwaltung sei sich des Problems bewusst. „Es gab eine Begehung mit dem Hochbauamt im Dezember 2024“, berichtet Böttinger-Thyssen. „Damals war allen klar, dass die Erweiterung der Schule keinen Aufschub duldet.“
Für Veronika Fischer ist es „im wahrsten Sinn des Wortes naheliegend“, dass die Schule das alte Feuerwehrhaus nutzt, wenn der Neubau am Ortsausgang Richtung Oberdorf fertig ist und die Löschwagen umgezogen sind. Dann zumindest könnten Sanierung und Umbau des alten Gerätehauses beginnen.

Das wäre im Herbst 2025. Das Problem: Weil die Stadtkasse leer ist, steht diese Maßnahme erst für das Jahr 2027 im Finanzhaushalt. „Und das sind erstmal nur die Planungsmittel, kein Geld für den Umbau selbst“, merkt Florian Fuchs an. Bis tatsächlich Handwerker kommen, könnte also viel Zeit vergehen. Für Mutter Veronika Fischer zu viel Zeit.
Sie rief deshalb eine Petition ins Leben und schreibt dort: „Dass die Finanzen der Stadt Konstanz eine Sanierung angeblich nicht zulassen, können wir zum Wohle unserer Kinder nicht akzeptieren. Wir fordern die Stadt Konstanz daher eindringlich auf: Setzen Sie Prioritäten richtig! Stellen Sie sicher, dass diese Sanierung möglich gemacht wird – und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt.“

Rund 400 Unterschriften (Stand: Montag, 2. Juni) hat ihre Aktion schon. „Das ganze Dorf unterstützt uns“, sagt sie erfreut, denn sie möchte dem Konstanzer Gemeinderat und Oberbürgermeister Uli Burchardt zeigen: „Wir sind keine Minderheit!“ Horst Böttinger-Thyssen pflichtet ihr bei: „Die Schule ist die Basis für die Dorfentwicklung, da ist sich auch der Ortschaftsrat über alle Fraktionen hinweg einig.“
„Zumindest die Planung muss jetzt beginnen“
Er, Florian Fuchs und Niklas Becker wollen erreichen, dass die Planungsmittel für den Umbau des Feuerwehrhauses doch noch in den Nachtragshaushalt 2026 vorrücken. Immerhin knapp 100 Quadratmeter Platz könnte die Schule dabei gewinnen.
„Zumindest die Vorarbeiten müssten schon mal beginnen, denn noch ist gar nicht klar, was überhaupt gemacht werden muss und wie viel das kostet“, sagt Fuchs. „So hat der Gemeinderat keine Entscheidungsgrundlage.“
Als Feuerwehrmann, der mit zehn Jahren in die Dingelsdorfer Jugendfeuerwehr eintrat, fällt ihm der Abschied vom alten Feuerwehrhaus zwar schwer. „Mir blutet das Herz, aber für die Grundschule geben wir das Haus gern her“, sagt er lachend und ergänzt: „Das Schlimmste wäre, wenn es leer steht und die Schule weiter aus allen Nähten platzt.“
Die Petition hält er für richtig, denn: „Was dort gefordert wird, ist nicht der goldene Löffel, sondern das als Minimum Notwendige“, so Fuchs. Dass auch andere Konstanzer Grundschulen schon lange mehr Räume brauchen und alle um das knappe Budget konkurrieren, ist den Dingelsdorfern bewusst. „Wir haben den Vorteil, dass schon ein Gebäude vorhanden ist“, sagt Horst Böttinger-Thyssen.

Niklas Becker will mit seiner Fraktion, falls nötig, einen Antrag in den Gemeinderat einbringen, damit der Umbau des Dingelsdorfer Feuerwehrhauses zügiger angegangen wird. „Es ist ein falsches Signal, an Bildung zu sparen“, begründet der Stadtrat. Damit spricht er nicht nur Veronika Fischer aus der Seele.
Dazu sagt Frank Schädler, Leiter des Amtes für Bildung und Sport: „Auch die Grundschule in Dingelsdorf hat ihre Berechtigung. Wir als Schulträger tragen die Verantwortung, dass der Schule der notwendige Raum für Unterricht und Betreuung zur Verfügung steht.“