Es ist jetzt 60 Jahre her, da kam Alberto Crivellari von Italien nach Deutschland. Sechs Monate, so sagt er, habe er bleiben wollen, um Deutsch zu lernen. Doch dann fand er hier Arbeit und gründete eine Familie. Sein Sohn Fabio Crivellari ist bekannt als Vorsitzender des CDU-Stadtverbands und früherer Landtagskandidat für den Wahlkreis Konstanz-Radolfzell. Jetzt, mit fast 80 Jahren, hat sich Alberto Crivellari einbürgern lassen. Mit dem Italien, in dem der Rechtspopulist Matteo Salvini als Vizepremier und Innenminister das Sagen habe, fühle er sich nicht mehr verbunden. Er habe sich deshalb um den deutschen Pass bemüht.

Alberto Crivellari gehörte zu rund 80 Gästen, die im Landratsamt feierten, dass sie Deutsche geworden sind. Unter den Neubürgern waren einige, die sich wie Crivellari nach Jahrzehnten in diesem Land entschlossen hatten, nun auch formal Deutsche zu werden. Nach Angaben von Landrat Zeno Danner hatten sich im vergangenen Jahr im Landkreis Konstanz 532 Bürger aus 74 Nationen einbürgern lassen.

Deutschland ist weniger bürokratisch als Frankreich

Veronique Marsaudon lebte 40 Jahre lang als Französin in Deutschland, sie hat hier gearbeitet, geheiratet, einen Sohn adoptiert. Jetzt hat sie neben dem französischen auch den deutschen Pass. Die Möglichkeit, sich hierzulande an allen Wahlen beteiligen zu können, habe sie motiviert, sich um die deutsche Staatsbürgerschaft zu bemühen, sagt sie auf Nachfragen.

Veronique Marsoudon hielt beim Einbürgerungsfest im Landratsamt die Rede für die Eingebürgerten. Sie sprach darüber, wie sie manchmal die französische Leichtigkeit vermisse, wie sie aber auch die Offenheit Deutschlands gegenüber anderen Kulturen schätze, die weniger komplizierte Bürokratie als in Frankreich ebenso wie die Ökobewegung sowie die alternative Bildung. Die Waldorfpädagogik und den Biolandbau habe sie erst hier kennengelernt.

Freude über das Wahlrecht in Deutschland

„Es ist mir eine Ehre“, sagte Mirjana Lukenda-Bachmaier aus dem ehemaligen Jugoslawien, warum sie sich nach 31 Jahren in Deutschland für den deutschen Pass entschieden habe. Sie freue sich darauf, mit 70 Jahren nun an allen Wahlen und Abstimmungen im Land teilnehmen zu können.

Wie es ist, neu in einem Land anzukommen, weiß Zahide Sarikas ganz genau. Die SPD-Kreisrätin war als die Älteste von vier Geschwistern mit 14 Jahren von der Türkei nach Deutschland gekommen, mit Eltern, die Analphabeten waren. Mit 18 Jahre, so sagte sie, habe sie 70 türkischstämmigen Frauen und ihren Eltern in einem Kurs das Lesen und Schreiben beigebracht. „Unser Weg war oft lang und beschwerlich.“ Nette Nachbarn hätten aber geholfen. Inzwischen lebt sie seit 40 Jahren in Deutschland und hat sich schon vor längerer Zeit einbürgern lassen.

Aufruf zur Teilnahme an der Kommunalpolitik

Zahide Sarikas rief die Neubürger dazu auf, die Möglichkeiten zur Mitgestaltung in der neuen Heimat zu nutzen. „Gehen Sie in Vereine. Machen Sie gemeinsam Musik. Nehmen Sie ein Ehrenamt wahr.“ Die Kommunalpolitik könne sie besonders empfehlen. Sie sei vielfältig und bunt. Ihr mache es Spaß, sich dort einzubringen. Sarikas wurde für die SPD in den Kreistag und auch in den Konstanzer Gemeinderat gewählt. Mit Blick auf die vielen Herkunftsländer der Eingebürgerten sagte sie: „Das ist eine bunte Mischung. Sie ist so vielfältig wie der Landkreis selbst.“ Es sei schön, dass die Einbürgerung nicht mehr nur ein formaler Akt im Büro sei, sondern es auch die Möglichkeit gibt, an der Empfangsfeier im Amt teilzunehmen.

Landrat legt Wert auf vielfältige Gesellschaft

Zur zwölften Einbürgerungsfeier des Landkreises sagte Landrat Zeno Danner: Mit der Entscheidung für den deutschen Pass hätten sich die Neubürger auch für die im Grundgesetz festgelegten Werte entschieden und für deren Pflege. Zu den wichtigsten Grundsätzen gehöre der gegenseitige Respekt, jeden nach seiner Art glücklich werden zu lassen. Auch der Landrat ermunterte die Neubürger zum bürgerschaftlichen Engagement: „Die Gesellschaft lebt von der großen Vielfalt.“

Junge Musiker setzen besondere Akzente

Die Jugendmusikschule Westlicher Hegau unter Leitung von Ulrike Brachat gestaltete die Feier musikalisch. Die Familie Freiberg und die Sängerin Carina Müller aus Rielasingen-Worblingen setzten dabei besondere Akzente. Die junge Sängerin beeindruckte mit ihrem großen Ausdruck. Ihr Repertoire umfasst Musik aus sechs Jahrhunderten.

Sie kommen aus mehr als 70 Nationen

  • Die Landkreis-Statistik: Im vergangenen Jahr ließen sich im Landkreis 532 Menschen aus 74 Nationen einbürgern. Die meisten Neubürger kamen aus der Türkei (60), dem Kosovo (54), Italien (46) und Rumänien (44).
  • Der Anspruch auf Einbürgerung: Er besteht, wenn ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder eine Aufenthaltserlaubnis vorliegt, oder wenn eine Person seit acht Jahren ihren gewöhnlichen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland hat. Es müssen allerdings auch noch eine Reihe weiterer Voraussetzungen erfüllt sein.
  • Die Voraussetzungen: Der Antragsteller muss seinen Lebensunterhalt für sich und die unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II bestreiten können. Er muss über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen (Nachweis über Schulzeugnisse oder Sprachprüfungszertifikate), ebenso über die Rechtsordnung sowie die Lebensverhältnisse in Deutschland Bescheid wissen (Nachweis im Einbürgerungstest). Der Antragsteller darf nicht wegen einer gravierenden Straftat verurteilt sein. Es dürfen keine Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche oder extremistische Betätigungen vorliegen. In der Regel muss der Antragsteller seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben. Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder der Schweiz können die bisherige Staatsangehörigkeit behalten.
  • Der Einbürgerungstest: Wer keinen deutschen Schulabschluss hat, muss im Test nachweisen, dass er einfache Fragen zu den Grundzügen der deutschen Rechtsordnung, Kultur und Geschichte beantworten kann. Es geht um Themen wie Gleichberechtigung und Religionsfreiheit. (rin)