Es klingt paradox: Die Arbeitslosigkeit in den Landkreisen Konstanz, Ravensburg und Bodenseekreis steigt, gleichzeitig gibt es einen Anstieg bei den Beschäftigungen. „Das beißt sich nicht“, sagt Mathias Auch, Vorsitzender der Agentur für Arbeit Konstanz-Ravensburg, beim Jahrespressegespräch für das Jahr 2024. Aber wie kann das sein?
Mathias Auch stockt kurz bei dieser Frage. Tatsächlich muss er erst etwas überlegen. Die Zahlen, mit denen er täglich hantiert, sind für ihn logisch. Wie kann er also dieses kleine Mysterium aufklären? „Die Zahlen hängen nicht unbedingt zusammen“, setzt er an. Zum Beispiel können mehr Fachkräfte in der Pflege anfangen, gleichzeitig aber in der Industrie anhören.
Pressesprecherin Eva Schmidt versucht es zu veranschaulichen: „Es ist tatsächlich beides möglich, denn es können auch Menschen eine Beschäftigung aufnehmen, die zuvor nicht arbeitslos gemeldet und somit nicht in der Statistik waren.“ Sie nennt ein Beispiel: Es können Fachkräfte aus dem Ausland kommen und einen Job annehmen. Dann steigen die Beschäftigungszahlen. Gleichzeitig kann ein Industriebetrieb eine Abteilung schließen. Diese Menschen tauchen dann dafür in der Arbeitslosenstatistik auf.

Was zeigt der Blick in die Daten?
Statistiken und Zahlen. Für die meisten Menschen sind das langweilige Daten. In der Agentur für Arbeit steht hinter jeder Zahl ein Mensch und dessen Schicksal. Deshalb ist es Mathias Auch und seinem Team wichtig, dass sie sich die Zahlen genau schauen. „Wir können deutlich sehen: Geringqualifiziert zu sein, erhöht das Risiko, arbeitslos zu werden und zu bleiben. Die beste Investition in die Zukunft ist es daher, sich zu qualifizieren“, sagt Auch.
Entwicklung des Arbeitsmarktes 2024
Das sei aber nicht nur ein Appell an die Arbeitnehmer, sondern auch an Arbeitgeber. Denn auch der Fachkräftemangel zeichne sich besonders in den Tabellen der Agentur ab. „Schaut man sich die Arbeitskräftenachfrage an, wird deutlich, dass vor allem Fachkräfte gesucht werden“, sagt er und deute auf ein Balkendiagramm.
Der Balken ist in vier Rottöne eingefärbt. Der dickste Bereich ist hellrot. Das sind die Fachkräfte – also Menschen mit einer Ausbildung und einen Berufsabschluss. Die Stellengesuche der Unternehmen für Hilfskräfte, im Balkendiagramm Blassrot, fällt wesentlich geringer aus. „Das sind die sogenannten Nicht- oder Geringqualifizierten. Also Menschen, die entweder keinen Abschluss haben oder in einem Beruf arbeiten, den sie nicht erlernt haben“, erklärt er.

Kreis Ravensburg hat weniger Arbeitslose
Eine gute Nachricht hat Mathias Auch dennoch: Die Arbeitslosenquote im Bezirk liegt bei 3,5 Prozent für das Jahr 2024. „Das ist die zweitniedrigste in ganz Baden-Württemberg“, sagt er mit etwas Stolz in der Stimme. Im Kreis Ravensburg ist die Arbeitslosenquote für das Jahr 2024 am geringsten. Dort liegt sie bei 3 Prozent, im Bodenseekreis bei 3,5 und im Landkreis Konstanz bei 4,1 Prozent.
Wie kommt es zu diesen regionalen Unterschieden? Auch muss bei dieser Frage kurz innehalten. „Die Landkreise sind sehr unterschiedlich“, sagt er. In Ravensburg gebe es eine sehr diverse Gewerbestruktur. „Die Ökonomie des Landkreises Ravensburg ist sehr mittelständisch und exportorientiert geprägt. In diesem Bereich gibt es traditionell eine gute Beschäftigung“, sagt Mathias Auch. Im Bodenseekreis gibt es schon deutlich mehr Industriebetriebe, und der Landkreis Konstanz teile sich mit Konstanz und Singen in Dienstleistung, Verwaltung und Industrie auf.
Bedeutet das, dass Landkreise mit mittelständischen Unternehmen oder viel Industrie eher weniger Arbeitslose verzeichnen? Wie wirkt sich der Tourismus negativ auf die Quote aus? Mathias Auch überlegt. „Nein, das würde ich so nicht sagen“, widerspricht er. „In absoluten Zahlen sehen wir, dass knapp 100.000 Menschen im verarbeitenden Gewerbe tätig sind.“ Damit meint er, dass fast ein Drittel der Beschäftigten in einem Industrie- oder Produktionsbetrieb arbeiten.
„Hotellerie, Gastgewerbe und Tourismus sind wichtige Säulen und unverzichtbar. Aber in der Relation sind die Beschäftigtenzahlen in der Industrie deutlich höher“, sagt der Chef der Arbeitsagentur. Was außerdem noch zu beachten sei: je städtischer ein Landkreis, desto größer in der Regel die Arbeitslosenquote. Und der Landkreis Ravensburg sei ländlicher geprägt als der Kreis Konstanz.