Ein Team von Ehrenamtlichen des Mühlinger Vereins „Hilfe für Menschen in der Ukraine“ und weiteren Helfern war erneut in der Ukraine. Vier Transportfahrzeuge mit Anhänger fuhren hin, um 12,5 Tonnen Hilfsgüter in die Region Transkarpatien zu bringen. Meinrad Joos aus Mühlingen, der Bauunternehmer in Radolfzell ist, saß am Steuer. Die Entwicklungen in der Ukraine täglich in den Medien zu sehen, ließ ihm keine Ruhe. Die Erzählungen von älteren Menschen aus Zeiten der Weltkriege, über Flucht und der Gedanke daran, sein Lebenswerk oder die Heimat verlassen zu müssen, berühren ihn täglich. Er wollte etwas tun.

So unterhielt er sich nicht nur in seinem Unternehmen mit Mitarbeitern und Geschäftspartnern, sondern sprach auch zu Hause mit seiner Frau und deren Sohn Mike Auer. Alle teilten seine Meinung, dass man nicht tatenlos zusehen sollte. Also wandten sie sich per E-Mail an den Mühlinger Hilfsverein und boten sich aktiv als Fahrer an. „Wir haben unseren Werkstattwagen komplett ausgeräumt, um mit ihm zu fahren, ebenso hatten wir einen großen Anhänger“, so Joos.

Die Fahrzeuge werden am Rathaus in Kamyanytsya entladen. Schnell werden die Hilfsgüter gesichtet und verteilt.
Die Fahrzeuge werden am Rathaus in Kamyanytsya entladen. Schnell werden die Hilfsgüter gesichtet und verteilt. | Bild: Tetyana Hirsch

Mike Auer bewegt als junger Mensch mit gerade einmal 20 Lebensjahren besonders die Tatsache, dass er vorher noch nie einen Krieg in Europa erlebt oder die Kriegsgefahr wahrgenommen habe. Er sei im Frieden aufgewachsen, auch den Mauerfall und die Entwicklungen, die damit verbunden waren, kenne er nur aus Geschichtsbüchern. Dass nun ein einzelner Mensch ein Land in Europa angreife und es zu so viel persönlichem Leid in Familien komme, berühre ihn sehr.

Freiwillige finden sich zusammen

„Ich bewundere die ukrainische Bevölkerung für ihren Mut, den Besatzern entgegenzutreten und für Demokratie und Freiheit einzutreten“, sagt Meinrad Joos und erzählt, die Entscheidung zu helfen, sei gemeinsam gefallen und habe Kreise im Umfeld gezogen. Meinrad Joos hatte alsbald die Zusage seines Disponenten Samuel Roth aus Orsingen und von dessen Frau Birgit Unger. Auch Mitarbeiter Christian Muffler aus Nenzingen sowie Hermann Schneckenburger aus Friedrichshafen, der als Subunternehmer für ihn arbeitet, stellten sich als Fahrer zur Verfügung. Neben der entsprechenden Zivilcourage und Fahrzeugen brauchten die Fahrer noch einen gültigen Reisepass, um die Fahrt antreten zu können. Dann ging es los.

Die Fahrt verlief laut Joos zunächst wie geplant. Immer wieder gab es kurze Vesper-, Tank- und Trinkpausen sowie einen Fahrerwechsel. Erst im Bereich Budapest in Ungarn sei man ins Stocken geraten. Ein Stau habe letztlich zu einer Verspätung von vier Stunden geführt. Die Grenzübertritte seien verlaufen wie in der Vergangenheit. Ausgiebig seien Fahrzeuge, Personen und die Ladung von Zöllnern anhand gut vorbereiteter Listen kontrolliert worden. Erst in der Ukraine sei durch die Militärpräsenz und das Ausstellen von Passagierscheinen, die bei der Rückfahrt wieder zurückgegeben wurden, an bewaffneten Posten klar geworden, dass sich im Vergleich zu den ersten Fahrten etwas verändert hatte.

Bürgermeisterin Maria Koval-Mazuta, rund 30 Personen und zwei Kinder in Tracht begrüßen die Fahrer.
Bürgermeisterin Maria Koval-Mazuta, rund 30 Personen und zwei Kinder in Tracht begrüßen die Fahrer. | Bild: Tetyana Hirsch

Die Ankunft der Transporter des Mühlinger Hilfsverein hatte auch das Interesse eines ukrainischen Lokalsenders geweckt. Beim Entladen der Fahrzeuge wurden Meinrad Joos und Viktor Krieger, Vorsitzender des Mühlinger Hilfsvereins, interviewt. Insgesamt 12,5 Tonnen Hilfsgüter wurden laut Joos in Windeseile per Menschenkette ausgeladen.

Das könnte Sie auch interessieren

Fliegeralarm in der Stadt

Während Viktor Krieger daraufhin in einem Baumarkt der Region noch Baumaterial eingekauft hatte, sei es zu einem Fliegeralarm gekommen. „Nicht nur der Baumarkt, in dem ich mich befand, alle Geschäfte wurden geräumt und erst nach drei Stunden wurde wieder geöffnet“, erzählt Krieger. Man habe ihm allerdings nicht sagen können, ob es nur eine Übung gewesen sei.

Währenddessen hatten die Mitfahrer mehrere Einrichtungen und Projekte besichtigt, die von der Ukrainehilfe in der Vergangenheit aufgebaut oder unterstützt worden waren. „Wir konnten auch mit Geflüchteten sprechen, in den Augen der Menschen spiegelten sich oft die Schrecken des Krieges wider“, so Mike Auer.

Notwendige Pausen: Die Fahrer bei einer Rast mit Kaffee, Broten und Süßigkeiten.
Notwendige Pausen: Die Fahrer bei einer Rast mit Kaffee, Broten und Süßigkeiten. | Bild: Christian Muffler

Unterstützung weiter notwendig

Nach wie vor werden Spenden benötigt. Flüchtlinge, die die Ukraine nicht verlassen wollen, sorgen dafür, dass strukturelle Umbauten in Gemeindehäusern notwendig werden. Laut Joos müssten Duschen eingebaut oder Kochmöglichkeiten für große Personenzahlen eingerichtet werden. Die Unterstützung vieler Firmen durch die unentgeltliche Bereitstellung ihrer Fahrzeuge, durch die Übernahme von Treibstoff und Mautkosten sei ein erheblicher Faktor für die Ermöglichung dieser Fahrten.

Gemeinsam mit Bürgermeisterin Maria Koval-Mazuta empfangen rund 30 Personen und zwei in Tracht gekleidete Kinder mit dem nach alter ...
Gemeinsam mit Bürgermeisterin Maria Koval-Mazuta empfangen rund 30 Personen und zwei in Tracht gekleidete Kinder mit dem nach alter Tradition zur Begrüßung von Gästen angebotenen Karawei die Fahrer beim Rathaus in Kamyanytsya. Auch im Bild der Reporter des lokalen ukrainischen Senders, welcher im Nachgang mit Meinrad Joos und Viktor Krieger ein Interview führt. | Bild: Tetyana Hirsch

„Noch lange werden die Menschen in der Ukraine auf unsere Hilfe angewiesen sein. Sie sind sehr dankbar für die große Spendenbereitschaft, das haben wir überall gespürt“, sagt Meinrad Joss. Er hofft, dass die Bereitschaft von Firmen – wie unter anderem von der Stockacher Firma Mega – und von den Menschen in der Region, den Mühlinger Hilfsverein zu unterstützen, erhalten bleibt.