
Die Treppen sind morsch, manchmal muss man den Kopf einziehen. Doch was hinter den Türen liegt, die knarzen und von denen die Farbe abblättert, ist beeindruckend. Das Öhninger Chorherrenstift ist aktuell noch eine Baustelle, doch die Räume zeugen von einer langen Geschichte und machen neugierig auf die Zukunft. "Ich finde diese Räume so inspirierend", sagt Hilde von Massow während einer Führung durch das Chorherrenstift. Von Massow hat gemeinsam mit Wolfgang Wüster ein hochkarätiges Festival der klassischen Musik aus dem Boden gestampft. Als Bühne für die vielen Konzerte dient das historische Chorherrenstift. Diese Bühne zeigt sie nun Petra Olschowski, Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst und der Grünen-Landtagsabgeordneten Nese Erikli.

Dass es nicht bei dem mehrtägigen Festival bleiben soll, betonen die beiden Organisatoren. Ihre Idee ist es eine Musikakademie in den Räumen einzurichten. Platz wäre ausreichend vorhanden. Schon während den Höri Musiktagen sind einige der jungen Musiker, die beim Festivalorchester mitwirken, in den bereits renovierten Räumen untergebracht. Im vergangenen Jahr konnten so 37 Musiker in den ehemaligen Schlaf- und Studierzimmern der Chorherren nächtigen. Der Öhninger Bürgermeister Andreas Schmied und Pfarrer Stefan Hutterer finden die Idee einer Musikakademie ebenfalls eine gute Nutzungsoption für das Gebäude.

Doch bis es soweit ist, gibt es noch sehr viel zu tun. Draußen finden aktuell noch archäologische Ausgrabungen statt. Und auch innen wird versucht, so viel historische Bausubstanz wie möglich zu erhalten. Bürgermeister Schmid erläutert die Instandsetzung des Dachstuhls. Man habe originalgetreu auf Metall verzichtet und lediglich die morschen Blaken durch neue ersetzt. "Das einzige Stück Metall ist vom Prüfstatiker gefordert worden, ansonsten sind die Balken mit Besenstieldübel verbunden", so Schmid. Und unter dem Dach steckt laut Hilde von Massow noch viel Potenzial. Die großzügigen Räume sollen nach der Fertigstellung ebenfalls für Konzerte genutzt werden. Bereits in diesem Jahr habe man ein Modulkonzert in einem der Dachstuhlräume abgehalten. "Die Besucher sollen das Gebäude kennen lernen", sagt sie.

Was für das Chorherrenstift bereits schlossen ist, ist ein Gastro- und Hotelbetrieb. Andreas Schmid hofft auf einen engagierten Pächter, der das neue Lokal führen soll. Und falls die Musikschule kommen soll, "wäre es doch toll, wenn die Küche schon einmal da wäre", so Schmid. 1,8 Millionen Euro seien bereits verbaut worden, für weitere fünf Millionen soll der weltliche Teil des Chorherrenstifts saniert werden. Die komplizierten Besitzrechte – ein Teil des Gebäudes gehört der katholischen Kirche, ein Teil der Gemeinde – würden eine umfassende Sanierung schwierig machen, so Schmid. Doch alle Beteiligten, Bürgermeister und Pfarrer, hoffen, eine Gesamtnutzung für das Gebäude erreichen zu können.

Petra Olschowski war sichtlich beeindruckt von den vielen großzügigen Räumen und Möglichkeiten des Stiftes. "Ich dachte, es sei in einem schlechteren Zustand", sagte sie nach der Führung. Landtagsabgeordnete Nese Erikli betonte, dass die Sanierung des Gebäudes nur ein Gemeinschaftsprojekt sein könne. Weder Land noch Gemeinde oder Kirche könnten dies alleine stemmen. Für das Festivals hatte sich Erikli bereits stark gemacht und bei der Baden-Württemberg Stiftung einen Zuschuss von 40 000 Euro für die Höri Musiktage erwirkt. Auch bei der Sanierung wolle sie die Gemeinde bei der Bewerbung für etwaige Förderprogramme unterstützen.

Bei den diesjährigen Höri Musiktagen waren rund 1700 Besucher. Im vergangenen Jahr kamen etwa 1200 Gäste. Auch die kleineren Konzertmodule hätten sich bewährt, berichtet Hilde von Massow. Höhepunkte der Höri Musiktage waren das Eröffnungs- als auch Abschlusskonzert sowie das große Orchesterkonzert.
Chorherrenstift
Den Augustiner-Stift gibt es seit Anfang des 12. Jahrhunderts. Die mittelalterlichen Konventgebäude umschließen mit der Kirche den Kreuzhof. Der Chorherrenstift wurde mehrfach baulich erweitert. Innerhalb des Stifts ist die Totenbruderschaftskapelle untergebracht. Erst 1805 wurde der Chorherrenstift aufgelöst, Markgraf Karl Friedrich von Baden war ab diesem Zeitpunkt Eigentümer des Stifts. Nach 1885 zog die Gemeinde mit Verwaltungsräumen ins Erdgeschoss, im ersten OG entstanden Klassenzimmer. Nach Auszug von Schule und Verwaltung entschloss sich der Gemeinderat 2010 zur Sanierung.