Diese Gemeinsamkeit teilen sie in der Vergangenheit: Thorsten Otterbach und Justus Wolf haben sich beide früher politisch bei grünen Listen organisiert. Nun ist Otterbach AfD-Mitglied und Wolf unzufrieden mit der Bundespartei „Bündnis 90/Die Grünen“ und dem Gemeinde-Ableger in Öhningen. Gemeinsam wollen sie als neue Gemeinderatsmitglieder für die „Initiative Gegenwind“ mehr kritische Informationen einbringen. Das stößt auf Kritik, denn neben AfD-Mann Otterbach kandidierte auch ein ehemaliges NPD-Mitglied Teil auf der Liste, Wolf ist hingegen Enkel des sogenannten letzten Juden von Wangen. „Da man gegen mich auch gut Stimmung gemacht hat, war es sehr spannend“, sagt Otterbach über die erste Kommunalwahl, bei der er gewonnen hat.

Etablierte Liste kam nicht in Frage

„Wir wollen nicht als Radaumacher auftreten, sondern zu besseren Lösungen beitragen“, sagt Otterbach. Laut ihm und seinem Listenkollegen Justus Wolf gebe es seit Jahren keine Gegenrede gegen den amtierenden Bürgermeister Andreas Schmid im Rat. Für die beiden neuen Ratsmitglieder kam deswegen keine bereits etablierte Liste in Frage. Otterbach will als harte Opposition auftreten. Das Ziel seien aber „wechselnde Mehrheiten“, wie er sagt. „Wir würden auch für gute Vorschläge von den anderen Listen stimmen.“

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Otterbach hat bereits Erfahrung in der Politik. Seine Laufbahn begann im Jahr 1992 als Mitbegründer der „Grünen offenen Liste Weinstadt“ in der Nähe von Stuttgart. Seit 2017 ist er Mitglied der AfD und kandidierte 2021 für sie bei der Landtagswahl – ohne Erfolg. Auf seiner dafür angelegten Internetseite ist von „Coronawahninn“ und „Fakenews“ die Rede. Zwischenzeitlich war Otterbach im Vorstand des AfD-Gebietsverbands Rielasingen-Worblingen-Höri. Aktuell läuft aber ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn, weil er sich weigerte, mit dem aktuellen AfD-Kreisrat Michael Stauch auf einer Liste zu stehen.

„Es gibt Aussagen von einigen Personen, die ich nicht vertreten kann“, sagt Otterbach. Zum Parteiprogramm der AfD stehe er aber nach wie vor. Seit 2011 wohnt er in Wangen auf der Höri.

Otterbach spricht von 20-Stunden-Woche für den Rat

Sein Hauptanliegen im Öhninger Gemeinderat seien die Stopps einiger Bauprojekte. Größtenteils, weil er die Bedarfsklärung vermisse und zu hohe Kosten bemängele, sagt er. Kritik äußert er etwa am Bau des Augustiner Chorherrenstifts, beim Ausbau des Nahwärmenetzes sowie der Planung der Öhninger Ortsmitte und des Nahverkehrs. Seine politische Motivation erklärt Otterbach nicht genauer.

Fachkenntnisse zu Bau- und Umweltthemen habe sich der ehemals selbstständige Handelsvertreter durch Eigeninteresse und Anstellungen bei Unternehmen im Fertigbau angeeignet, erklärt er. Aktuell arbeitet der 55-Jährige nicht, habe aber eine 20-Stunden-Woche als Gemeinderat, wie er sagt. Er konstatiert außerdem: „Ich habe im Geschäftsleben viel mehr richtige als falsche Entscheidungen getroffen.“

„Wir würden auch für gute Vorschläge von den anderen Listen stimmen“, sagt Thorsten Otterbach.
„Wir würden auch für gute Vorschläge von den anderen Listen stimmen“, sagt Thorsten Otterbach. | Bild: Sebastian Ridder

In bisherigen Gemeinderatssitzungen stimmten Otterbach und Wolf schon gegen ein Gründach für das Haus der Vereine. Bei der Abstimmung erhielten sie sogar Unterstützung, verloren aber mit fünf zu zehn Stimmen. „Es gibt Gemeinderäte, die sich schwer tun, mit uns zu reden“, sagt Otterbach, „mit den drei Gemeinderätinnen und einigen anderen ist aber ein vernünftiger Austausch möglich.“

Wolf ist Nachkomme des letzten Juden von Wangen

Justus Wolf hat diese Erfahrungen auch gemacht. Seit er Teil der „Initiative Gegenwind“ ist, äußerten auch Freunde des 61-Jährigen ihren Unmut und Unverständnis, so Wolf. Das liegt wohl auch an seiner Herkunft. Wolf ist nämlich in Wangen als Enkel des sogenannten letzten Juden von Wangen, Nathan Wolf, aufgewachsen. Ein jüdischer Landarzt, dem kurz vor dem Zweiten Weltkrieg die Flucht in die Schweiz und sogar die Rückkehr als Gemeinderat und stellvertretenden Bürgermeister gelang.

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Der selbständige Bauleiter kandidiere für den Gemeinderat, weil er wie Otterbach Kritik an Bauprojekten vermisste, sagt er. Er ist im Jahr 2018, nach 30 Jahren in Hamburg, wieder mit seiner Familie nach Wangen gezogen. „Ich habe mir das eine Legislatur mit angeschaut“, so Wolf. Bei den Windrädern auf der Höri kritisiert er die ausbleibende Produktion bei Windstille und beschränkten Speicherkapazitäten für Energie. Er wolle nachhaltige aber umwelterhaltende Politik für die nächsten Generationen machen, so Wolf.

Wie passt das zusammen?

Wolfs Vater Gert Wolf, selbst ehemaliger Ortschafts- und Gemeinderat und Mitbegründer der grünen Partei auf Kreisebene, habe Verständnis für sein politisches Engagement. „Der weiß, wie es ist, nicht mit allen im Dorf spielen zu dürfen“, sagt Wolf. Justus Wolf habe sich selbst in der Vergangenheit bei den Grünen in Konstanz engagiert und lange die Grünen gewählt. Seit dem Einstieg in den Kosovokrieg und Fehlern, die er in der Energiewende sehe, könne es aber nichts mehr mit der Partei anfangen, erklärt er.

„Ich bin von der AfD so weit weg, wie man sich nur vorstellen kann“, Justus Wolf.
„Ich bin von der AfD so weit weg, wie man sich nur vorstellen kann“, Justus Wolf. | Bild: Sebastian Ridder

Ihn interessiere Parteipolitik im Gemeinderat allerdings nicht, weil es Personenwahlen wären, wie er sagt. „Ich bin von der AfD so weit weg, wie man sich nur vorstellen kann“, stellt Wolf dennoch klar. Sein Listenkollege Otterbach schätze er aber, weil er „sachpoltisch“ bleibe. „Es gibt in allen Parteien noch vernünftige Menschen“, sagt der 61-Jährige lachend, „Ich habe aber keine Berührungsängste mit Andersdenkenden oder komischen Menschen.“