Redet die AfD bald in der Kommunalpolitik auf der Höri mit? Bei der Kommunalwahl treten in Moos und Öhningen zwei neue Gruppen an. Während die Ziele und Hintergründe der Liste „Wir für Moos“ zumindest auf den ersten Blick noch unklar bleiben, springen dem Betrachter bei der „Initiative Gegenwind“ in Öhningen sofort drei Dinge ins Auge. Zum einen ist da der Name. Man ist offensichtlich gegen Windkraft. Zum anderen sind es zwei der 19 Kandidaten: Thorsten Otterbach ist prominentestes AfD-Mitglied in der Region und Sprecher der AfD-Wahlliste in Rielasingen-Worblingen.

Und Justus Wolf ist Nachfahre der berühmten jüdischen Familie Wolf aus Wangen, die sich seit Jahrzehnten politisch engagiert. Ihr Familienarchiv ist als Sammlung über jüdisches Leben und die Verfolgung im Dritten Reich seit 2018 im „Haus der Geschichte“ in Stuttgart ausgestellt. Im Internet informieren zudem Anne Overlack und Uli Braun über die Geschichte der Familie und die Gräueltaten der Nazis gegen sie. Wie passt das zusammen?

Wie nahe steht die Initiative der AfD?

AfD-Mann Otterbach war zunächst sogar für die offizielle Kommunikation der Gruppierung zuständig. Eine Nähe der „Gegenwind“-Liste zur AfD verneint Kandidatin Karin Glasze-Kolitzus, die inzwischen die Sprecherin ist, jedoch. Otterbach sei das einzige AfD-Mitglied auf der Liste. Justus Wolf habe einst die Grünen in Öhningen mitgegründet, sie selbst sei in der FDP gewesen. Zudem stehe ein ehemaliges SPD-Mitglied auf der Liste, so Glasze-Kolitzus.

Die Initiative Gegenwind

Die übrigen „unabhängigen und kritischen Kandidaten“, so Glasze-Kolitzus, hätten keine Bedenken, dass der politisch erfahrene Otterbach den Ton in der Gruppe angeben und seine Kollegen beeinflussen könnte. Auch den möglichen Eindruck, es handle es sich um eine inoffizielle AfD-Liste, kann sie nicht nachvollziehen. Zu möglichen thematischen Überschneidungen mit der AfD antwortet sie ausweichend: „Wir verstehen uns als überparteiliche Wählervereinigung und werden sicherlich immer wieder thematische Überschneidungen mit allen anderen politischen Akteuren haben.“

Einige Kandidaten der Öhninger Initiative Gegenwind: Walerij Schleining, Benita Merkle, Justus Wolf, Lydia Güntert, Katarina Otterbach, ...
Einige Kandidaten der Öhninger Initiative Gegenwind: Walerij Schleining, Benita Merkle, Justus Wolf, Lydia Güntert, Katarina Otterbach, Barbara Profeiser, Karl-Michael Budcke, Ulrich Ruth, Thorsten Otterbach, Karin Glasze-Kolitzus, Marc Schaffer und Michael Dreher. Mit dieser offenkundigen Bildmontage stellt sich die Liste vor. Wie nahe stehen sie der AfD? | Bild: Natalia Otterbach

Auch mit dem Mitglied einer Partei anzutreten, deren Landesverband als rechtsextremistischer Verdachtsfall vom baden-württembergischen Verfassungsschutz beobachtet wird, stört Glasze-Kolitzus nicht. Otterbach selbst sei schließlich nicht vom Verfassungsschutz erwähnt worden. Und, schreibt sie: „Thorsten ist Justus Wolf und mir seit 2011 bestens bekannt, da er seitdem unser direkter Nachbar ist. Wir pflegen eine gute Nachbarschaft.“

Die Wolfs: Verfolgung durch die Nazis und Engagement bei den Grünen

Und das trotz der Familiengeschichte von Justus Wolf. Einige seiner jüdischen Vorfahren starben in Konzentrationslagern, sein Großvater Nathan Wolf war in Dachau, wie im digitalen Familienarchiv steht. Im Kapitel ‚Im Gegenwind‘ informieren Anne Overlack und Uli Braun zudem über die Hilfe von Justus Wolfs Vater Gert bei der Tätersuche nach der Verwüstung des jüdischen Friedhofs in Wangen im Jahr 1992. Dieser war auch der Grabstein des Großvaters zum Opfer gefallen.

Sohn Justus steht nun auf Platz eins einer Liste mit eben jenem Namen: Gegenwind. Und ist nur vier Plätze von Thorsten Otterbach entfernt, der einer Partei angehört, in der auch gesichert Rechtsextreme wie Björn Höcke ein Zuhause haben. Dieser ist derzeit angeklagt, weil er die verbotene Nazi-Parole ‚Alles für Deutschland‘ verwendet haben soll, und hat bereits mehrfach den Nationalsozialismus relativiert.

Was sagt Wolf dazu? Zu möglichen Differenzen mit Otterbach erklärt er, er sei nicht verpflichtet, alle Menschen auf seiner eigenen Liste auch selbst wählen zu wollen. Eine Kommunalwahl sei eine Personenwahl, es herrsche kein Fraktionszwang. Auf einer Liste anzutreten, ergebe dennoch Sinn, wenn man ein gemeinsames Hauptziel verfolgt.

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Bereits Wolfs Großvater Nathan war Ortsvorsteher von Wangen. Vater Gert Wolf war Gründungsmitglied der Grünen im Landkreis und setzte sich in den 1970er-Jahren gegen die Ortsdurchfahrt der L192 durch Wangen ein. Doch dieses langjährige politische Engagement seiner Familie sei nur gelungen, da diese sich von ihrem Schicksal „insoweit distanzieren konnte, wie ihnen das Gelingen von einem guten Zusammenleben in der Gemeinde am Herzen lag“, erklärt Wolf weiter. Nun wolle auch er sich für den Erhalt von Wangen einsetzen.

Bekannter Windkraftgegner bei „Wir für Moos“

Auch in Moos tritt eine neue Liste an: „Wir für Moos“. Zu einem Gespräch mit dem SÜDKURIER über ihre Positionen war der auf Listenplatz eins kandidierende Uwe Renz zunächst bereit. Es ging um die Ziele und gemeinsamen Standpunkte der Kandidaten, um Windkraft auf der Höri und die Nähe zu anderen politischen Parteien. Wenige Tage nach dem Gespräch zog Renz die Freigabe für seine Aussagen allerdings zurück.

Johannes Ebbers, Sprecher der Bürgerinitiative Freunde der Höri, die sich gegen Windkraftanlagen engagiert. Nun tritt er auf der Liste ...
Johannes Ebbers, Sprecher der Bürgerinitiative Freunde der Höri, die sich gegen Windkraftanlagen engagiert. Nun tritt er auf der Liste „Wir für Moos“ an. | Bild: Petra Reichle

Doch auf Facebook nennt die Liste zumindest einige ihrer Vorhaben. Sie schreibt, wichtige Entscheidungen, wie zur Windkraft auf dem Schienerberg, sollten „im Konsens mit der Bevölkerung“ getroffen werden. Hierfür fordert sie unter anderem Bürgerbefragungen. Weitere auf Facebook genannte Themen sind die Grundsteuer, die Parkraumbewirtschaftung sowie die Belegung der Leerstände im Industriegebiet, die „Zulässigkeit von Heizsystemen“ und die „Anliegen von Hundehaltern“.

Auffällig ist zudem Kandidat Johannes Ebbers. Er ist einer der Sprecher der Bürgerinitiative „Freunde der Höri“, die sich gegen Windkraft auf der Höri engagiert. Und ein weiterer Kandidat, Berndt Hierling, teilte auf seinem Facebook-Account mehrere impfkritische Posts während der Corona-Pandemie, unter anderem von Milosz Matuschek. Ein Faktencheck des Bayerischen Rundfunks zu dessen Dokumentarfilm über die Pandemie ergab, dass der Film Aussagen von Querdenkern und bekannten Verschwörungstheoretikern sammle.

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Alle Listen eint aber in jedem Fall das Interesse und Engagement für die jeweiligen Gemeinden – abseits von allen Parteibüchern, wie sie betonen. Auf der Höri formiert sich dennoch schon erster Widerstand gegen die beiden Windkraftgegner-Listen. Ein überparteiliches Bündnis auf der Höri hat für Samstag, 4. Mai, um 15 Uhr eine Veranstaltung vor dem Rathaus angekündigt. Ziel sei es, dass „die Bevölkerung der Höri und alle demokratischen Gemeinderats-Kandidaten für Demokratie, Zusammenhalt und gegen Rechtsextremismus demonstrieren“.