Es ist ein kalter Herbsttag in Radolfzell. An der Unterführung, die Schlesierstraße und Dammweg auf Höhe des Kindergartens St. Hedwig verbindet, ist viel los: Kinder und Jugendliche kommen mit Fahrrädern vorbei, Mütter mit Kinderwagen und ältere Mitmenschen mit Rollatoren. So auch Edith Niche. Die Seniorin lebt seit mehr als 60 Jahren im Altbohl. Und wünscht sich dort eine barrierefreie Bahnunterführung, um diese mit dem Rollator sicher passieren zu können.
Anwohnerin zufriedengestellt
„Ich bin soweit voll und ganz zufrieden. Für mich ist der derzeitige Zustand eine Erleichterung“, sagt Edith Niche. Seit ein paar Wochen ist bei dem Tunnel in ihrem Wohngebiet nämlich eine neue Schiene verbaut. Diese ist laut Julia Theile von der städtischen Pressestelle installiert worden, nachdem Mitarbeiter der Stadtverwaltung die Unterführung Anfang August gemeinsam mit zwei Bürgerinnen und Seniorenrätin Katharina Gätjens begutachteten. „Grund für den Ortstermin waren Hinweise von Altbohl-Bewohnern, wonach besonders betagte Mitbürger mit Rollatoren die Unterführung nur mit Schwierigkeiten nutzen konnten. Gleiches gilt für Personen mit Kinderwagen oder Rollstühlen“, so Theile. Da der barrierefreie Ausbau mit geschätzten Kosten von rund zwei Millionen Euro bereits geplant sei, gehe es allen Beteiligten darum, eine vernünftige Zwischenlösung zu finden.
Situation hat sich verbessert
Durch die neue Schiene habe sich für Menschen mit Rollator, Rollstuhl oder Kinderwagen eine deutliche Verbesserung eingestellt, schildert Julia Theile. Dies habe ihr auch Katharina Gätjens bestätigt. „Sie teilte uns mit, dass es zwar noch immer beschwerlich sei, die Stufen mit Rollator hinunter zu laufen, aber bereits wesentlich besser als zuvor. So könne es bleiben, bis ein besserer Zugang gebaut werde.“

Gunilla Fehr, stellvertretende Behindertenbeauftragte der Stadt Radolfzell, sieht trotz der Verbesserung weiter Handlungsbedarf. „Ist man beispielsweise mit einem Rollator unterwegs und hat auch noch Einkäufe dabei, ist das eine echte Herausforderung“, sagt sie. Fehr selbst ist auf einen Rollstuhl angewiesen und fühlt sich an dieser Stelle nicht sicher. Die Bahnunterführung im Altbohl gleiche derzeit einer „guten Notlösung, muss aber dringend gemacht werden“. Sie wolle sich nicht vorstellen, wie es bei Eisglätte in den kalten Wintermonaten aussehe. Wegen nassem Laub sei es auch jetzt schon gefährlich, worüber sie die Stadtverwaltung informieren wolle.
Wunsch nach mehr Sicherheit
Fehr wünscht sich, dass die Treppen abgesenkt werden und allgemein die Steilheit eingedämmt wird. „Die Menschen sollen sich einfach sicher fühlen“, fasst sie zusammen. „Für Blinde wäre ein gut sichtbarer weißer Streifen vor der Treppe wichtig. Dieser weist dann darauf hin, dass gleich Stufen kommen und es heruntergeht.“ Die Unterführung im Dammweg und der Schlesierstraße sei stark frequentiert, schließlich gebe es in der Nähe Einkaufsmöglichkeiten, eine Schule, einen Kindergarten, eine Halle und die Post. Allein deshalb müsse sich zügig um die Sanierung gekümmert werden. „Diese Bauweise entspricht in keiner Weise den Anforderungen an die Barrierefreiheit nach heutigen Richtlinien“, schreibt auch Uwe Negraßus, Abteilungsleiter Tiefbau in der Stadtverwaltung, in einer Beschlussfassung des Ausschusses für Planung, Umwelt und Technik.
Auch anderswo herrscht Bedarf
Handlungsbedarf herrscht laut Seniorenrätin Katharina Gätjens derweil auch bei der Bahnunterführung im Libellen- und Schießhüttenweg. „Dort aber ist es ein Freizeitweg auf die Mettnau, ein Schleichweg zum See. Und nicht wie im Dammweg ein Lebensweg, der ständig genutzt wird“, schildert sie. Dementsprechend müsse die Verwaltung die Prioritäten setzen und tätig werden. Auf Nachfrage teilt diese mit: „Dort ist die Situation so, dass die bei der Unterführung angebrachten Schienen bereits einen Abstand von 30 Zentimetern haben – nicht wie zuvor 40 Zentimeter im Dammweg. 30 Zentimeter sind vergleichsweise zu bewältigen.“