Radolfzell-Stahringen – Was macht eine Firma, die ständig wächst und weiter wachsen will, wenn sie 60 Jahre alt wird? Der Pharma-Zulieferer Metall und Plastic im Radolfzeller Ortsteil Stahringen hat sich entschieden: „Wir machen einen Familientag, Frau, Mann, Mutter, Vater, Großeltern, Kinder bekommen das doch sonst nicht mit, was wir hier machen“, sagt Geschäftsführer Stefan Kleinmann. Und auch das ist dem Chef von derzeit 110 Mitarbeitern bewusst: „Die Familie trägt alles mit.“

Dazu gehören bei Metall und Plastic auch Auslandsreisen. Die Pharma-Konzerne dieser Welt in USA, Asien, Europa bestellen beim Maschinenbauer in Stahringen reinraumtechnische Anlagen für eine keimfreie Produktion. Das sind etwa Isolatoren, große Metallkisten mit doppelwandigen Fenstern und fixierten Handschuhschläuchen, in denen Wirkstoffe steril abgefüllt werden. Sie sollen auch den Abfüller vor giftigen Stoffen schützen: „Bei Isolatoren geht es um die physische Trennung zwischen Produkt und Außenatmosphäre“, sagt Kleinmann.

Einzeln oder in der Kombination mit den Isolatoren wird in Stahringen auch der E-Beam-Tunnel (Elektronenbeschleuniger) gebaut. Dieses Gehäuse beherbergt ein System, um von Fertigspritzen Verunreinigungen zu entfernen (dekontaminieren). Das Angebot der Stahringer Sicherheitssysteme für die Produktion in der Pharmaindustrie komplettieren Handschuhprüfsysteme, Schleusen, gasdichte Türen und Dekontaminationssysteme.

Von den großen Anlagen sei kein Produkt wie das andere, sagt Kleinmann: „Sie sehen immer anders aus.“ In Stahringen werden Isolatoren und Tunnels nach den Wünschen der Kunden konstruiert. „Vom Auftragseingang bis zur Endmontage liegen in der Regel zwischen 24 und 36 Monate.“ Die Preise für die maßgefertigten Produktions­isolatoren liegen im Schnitt bei rund 3,5 Millionen Euro, größere können auch über sechs Millionen kosten. Der Stückpreis für einen E-Beam-Tunnel beträgt rund zwei Millionen Euro.

Das Geschäft läuft und Metall und Plastic will wachsen. Am Ende des Jahres sollen es schon 120 Mitarbeiter in Stahringen sein, „in den nächsten fünf Jahren wollen wir den Umsatz verdoppeln“. Das wären dann 50 Millionen Euro statt aktuell 25 Millionen Euro. „Das ist die Vorstellung“, sagt Kleinmann. Sein Problem: „Wir haben keine freien Büroflächen mehr. Wo wollen wir die zusätzlichen Leute hinsetzen, die uns diesen Umsatz erwirtschaften?“ Die Lösung: Metall und Plastic will bauen. Hinter dem Firmengelände hat das Unternehmen nach Vermittlung von Ortsvorsteher Hermann Buhl eine 3100 Quadratmeter große Wiese Richtung Bundesstraße gekauft. Dort will Metall und Plastic einen neuen Verwaltungstrakt errichten. „Was noch fehlt, ist ein rechtskräftiger Bebauungsplan, dann wollen wir bauen“, sagt Kleinmann. Den Plan mit Namen „Gemeine Wiesen“ ist auf den Weg gebracht, der Gemeinderat hat im Februar die Aufstellung beschlossen.

Mit dieser Baubotschaft geht Geschäftsführer Stefan Kleinmann am Sonntag in den Familientag zum 60-jährigen Bestehen der Firma. Seit drei Jahren hält die Optima-Gruppe aus Schwäbisch Hall alle Anteile des Unternehmens, das sie in zwei Tranchen 2009 und 2014 von der früheren Eigentümerfamilie des Firmengründers Jürgen von Stenglin übernommen hat. Kleinmann sieht in der Baubotschaft der Gruppe ein klares Bekenntnis zum Standort: „Das würde Optima nicht machen, wenn der Standort in Stahringen nicht sicher wäre.“ Stefan Kleinmann spricht mit hohem Respekt von der strategischen Weitsicht seines Geschäftsführer-Vorgängers Christoph von Stenglin, mit der Optima-Gruppe den richtigen Käufer für Metall und Plastic ausgesucht zu haben. Der namhafte Hersteller von Verpackungs- und Füllmaschinen für medizinische und pharmazeutische Produkte in Schwäbisch Hall sei ein in der vierten Generation geführtes Familienunternehmen. „Die Gruppe ist sehr sozial und auf langfristigen Erfolg ausgerichtet.“

Das heißt für Metall und Plastic, die Firma ist rechtlich selbstständig und darf mit Wettbewerbern von Optima zusammenarbeiten. Das Familiäre zahlt sich für die Mitarbeiter auch wortwörtlich aus, die Mitarbeiter profitieren von einem Gewinnbeteiligungsmodell. Kleinmann: „Geht es uns gut, wird etwas ausgeschüttet.“

Von Kronkorken und Münzalben hin zu komplexen Isolatoren

Wie das C in den Namen der Firma Metall und Plastic gekommen ist

  • Zu den Anfängen: Die Firma Metall und Plastic ist als SKG Verpackungsmittelwerk von Stenglin KG 1957 von Jürgen von Stenglin gegründet worden. Erste Produkte waren Kronkorken, dazu spezialisierte sich die Firma im Hochfrequenzschweißen. Damit wurden die Folien für Münzalben "genäht". Wegen dieser Fertigkeiten in der Verarbeitung von Metall und Plastik ist Jürgen von Stenglin auf die Idee gekommen, Isolatoren zu bauen. 1969 konstruierte die Firma Isolierzelte für immunschwache Kinder und Isolatoren für die Versuchstierkunde. Von Stenglin änderte den Namen seiner Firma in Metall und Plastic. "Die englische Schreibweise für Plastic mit einem C am Ende wählte er vorausschauend für die Ausrichtung auf dem internationalen Markt", berichtet der heutige Geschäftsführer Stefan Kleinmann.
  • Wechsel in der Geschäftsführung: Nach dem Tod des Firmengründers Jürgen von Stenglin im Jahr 1991 übernahmen sein Sohn Christoph von Stenglin und Ewald Springmeier die Geschäftsführung. 2009 holte Christoph von Stenglin die Optima-Gruppe aus Schwäbisch Hall als Teilhaber in die Firma, 2014 übernahm die Optima-Gruppe dann Metall und Plastic zu 100 Prozent. Geschäftsführer Christoph von Stenglin sei noch selbst an der Suche seines Nachfolgers beteiligt gewesen. "Ihm war wichtig, dass es jemand aus der Region ist." Das konnte Stefan Kleinmann (50) bieten. Der promovierte Maschinenbauer ist in Stockach aufgewachsen und war vor seinem Engagement bei Metall und Plastic bei Allweiler in Radolfzell tätig.
  • Die Optima-Gruppe mit Stammsitz in Schwäbisch Hall beschäftigt an deutschen und internationalen Standorten etwa 2300 Mitarbeiter. Über 80 Prozent der Maschinen zum Füllen, Verschließen, Verpacken gehen in den Export. Otto Bühler gründete die Optima Maschinenfabrik zur Herstellung von Abfüllwaagen für Lebensmittel und anderer Produkte 1922.