In gebundenen Büchern, hochwertig eingeschlagen in weiß, grau und grün, liegen die Abschlussarbeiten der Studenten der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz (HTWG) nun vor. Über fünf Monate haben 25 Studierende in fünf Gruppen das Radolfzeller Stadtmuseum und das dazugehörige Stadtarchiv unter die Lupe genommen und fünf Konzepte entwickelt, wie die Dauerausstellung sich zukünftig präsentieren könne. Diese neuen Ideen werden am 15. Mai dem Gemeinderat präsentiert. Parallel dazu wurde ein Ideenwettbewerb ausgelobt – zum Großteil finanziert durch die Erika- und Werner-Messmer-Stiftung – der den drei besten Konzepten ein Preisgeld zusichert. Noch darf der glückliche Siegerentwurf nicht gezeigt werden, aber alle Beteiligten sind schwer begeistert. "Ich bin von dem durchweg hohen Niveau der Arbeiten überrascht und beeindruckt", sagt Angelique Tracik, Leiterin des Fachbereichs Kultur bei der Stadt Radolfzell und Initiatiorin dieses Projektes.
Diesem Lob konnte sich Eberhard Schlag, Architektur-Professor an der HTWG, nur anschließen. Jedes Jahr führe er mit den Master-Studenten der Studienrichtungen Architektur und Kommunikationsdesign solch ein Projekt durch. Ein echtes Museum umgestalten zu dürfen, sei dennoch etwas Besonderes, sagt er. "Die Studenten merken, wenn sie und ihre Ideen ernst genommen werden und wenn ein kompetenter Kurator auf der anderen Seite ist", erklärt Schlag die hohe Motivation der Gruppen. Alle Konzepte seien unterschiedlich, eines habe sich allerdings als klarer Favorit bei allen Beteiligten herausgestellt.
Ein kleines bisschen darf jedoch bereits verraten werden: Die Studenten wollen dem Museum eine völlig neue Rolle in der Gesellschaft geben. Es soll nicht mehr nur ein Ort sein, an dem die Vergangenheit verwahrt wird, sondern an dem diese erlebbar gemacht werden soll. Das Stadtmuseum soll Teil eines gesellschaftlichen Diskurs werden und auch einen Blick in die Zukunft geben. Ebenfalls soll das Stadtarchiv mit seinen Schätzen enger in das Museum eingebunden werden und dank Digitalisierung mehr für Bürger und Besucher zugänglich sein. Wie das konkret umgesetzt werden soll, werde in der Sitzung des Kulturausschusses verraten.
Die Herausforderung für die Studenten bestand darin, die zwei Erzählstränge des Radolfzeller Stadtmuseums zu verknüpfen, erklärt Schlag. Zum einen sei es eine historische Apotheke, zum anderen das Museum der Stadt. Obwohl sich die Studenten gut in die Radolfzeller Stadtgeschichte eingearbeitet hätten, sei der Blick von Außen wichtig. "Sie sehen das Museum wie potenzielle Besucher", sagt Schlag.
Der Zeitplan für das weitere Vorgehen bleibt sportlich. Nachdem die Gewinner-Konzepte im Gemeinderat präsentiert werden, heißt es, konkrete Maßnahmen für den Umbau und die Umgestaltung zu planen und zu kalkulieren. Das Sieger-Modell wird dabei jedoch nicht eins zu eins umgesetzt, sondern dient als Vorlage und Inspiration. Mit einem Plan und Budget soll es anschließend Ende des Jahres in den Gemeinderat gehen. Falls dieser dem Vorschlag zustimmt, sollen – eventuell mit der HTWG zusammen – in den Jahren 2019 bis 2020 die Maßnahmen durchgeführt werden. Geplante Neueröffnung des Stadtmuseums sind die Heimattage 2021. Die neue Museumsleiterin Angelika Merk steht voll hinter dem Wettbewerb und der weiteren Umsetzung. Aber auch sie sagt: "Es gibt noch viel zu tun." Bis zur Umgestaltung müsse man im Depot der Ausstellungsstücke Ordnung schaffen, allein das sei ein Mammutprojekt.
Zum Projekt
Eberhard Schlag hat bereits in der Vergangenheit mit Master-Studenten der HTWG solche Projekte durchgeführt. Unter anderem das Hermann-Hesse-Museum in Gaienhofen ist von jungen Menschen neu konzipiert und umgestaltet worden. Reale Objekte mit echten Auftraggebern seien für den Kurs wertvoll und für die Studenten lehrreicher als fiktive Projekte, sagt Eberhard Schlag. (ans)