Nicht ein kommunaler Ordnungsdienst (KOD) soll an problematischen Orten in der Stadt für Ordnung sorgen, sondern die Polizei. Da waren sich die Räte im Ausschuss für Bildung, Soziales und Sicherheit des Gemeinderats Radolfzell am Dienstagabend weitgehend einig: "Warum sollen wir das machen, wenn es andere tun müssen?", fragte Helmut Villinger (CDU) und traf damit die Meinung vieler seiner Ratskollegen.

Die Mehrheit der Räte sah einen KOD nicht als Lösung, daher wurde der Vorschlag mit sechs Gegenstimmen abgelehnt. Vier Räte waren für die Einrichtung eines KOD, zwei enthielten sich. Bei einigen Punkten gab es für die Ausschussmitglieder noch Diskussionsbedarf:

  • Notwendigkeit: "Wir werden beinahe täglich aufgefordert, einzugreifen", sagte Bürgermeisterin Monika Laule über Nutzungs- und Interessenskonflikte an einigen Orten der Stadt. Als Beispiel werden in der Sitzungsvorlage etwa der Stadtgarten, Philipp-Neuer-Platz, Luisenplatz, Seeufer und Bahnhof, Kurpark sowie die Seemeile genannt. Pro Woche geht laut Laule mindestens eine Beschwerde ein. Auf Nachfrage von Martina Gleich (CDU) verlas Oberbürgermeister Martin Staab einige davon: Alkoholisierte laute Menschen, schlechte Hobbymusikanten und hohe Flammen am Grillplatz. Ein KOD solle ein niederschwelliges Zeichen dafür sein, dass die Stadt präsent ist und für Ordnung sorgen will. "Wir sind an einem Punkt angelangt, wo die Einrichtung eines KOD angezeigt ist", sagte Laule. "Wenn wir nichts unternehmen und die Polizei nichts unternimmt, dann eskaliert es. So weit dürfen wir es nicht kommen lassen."
  • Zuständigkeit: Susanne Göhler-Krekosch (SPD) erinnerte sich, dass sie selbst abends schon die Polizei rief und niemand kam, weshalb die "prekäre Situation der Polizei" kaum eine andere Wahl zulasse als die Einrichtung eines KOD. Zuständig ist aber die Polizei, wie andere Ratskollegen eindringlich betonten: „Das ist nicht unsere Aufgabe“, stellte etwa Siegfried Lehmann (FGL) fest und nannte Freiburg als Beispiel, wo die Stadt mehr Polizisten gefordert und schließlich erhalten habe. "Wir sind nicht Freiburg", antwortete OB Staab. Zur Polizei soll es eine klare Abgrenzung geben: Der KOD sei für Ordnungswidrigkeiten zuständig, die Polizei für Straftaten. "Dass wir da so ohnmächtig sind, kann ich nicht verstehen", erwiderte wenig später Helmut Villinger. Martina Gleich (CDU) befürchtete, dass die Polizei sich nach Einrichtung eines KOD noch mehr zurückziehe. Außerdem frage sie sich, wie der Ordnungsdienst in den Ortsteilen präsent sein sollte.
  • Handlungsfähigkeit: "Die haben als einziges Selbstverteidigungsgerät ein Pfefferspray dabei und nicht die Mittel, gegen jemanden vorzugehen", sagte Lehmann (FGL). Somit würden KOD-Mitarbeiter nur Sicherheit suggerieren, tatsächlich müssten sie sich in brenzligen Situationen aber zurückziehen. Und wenn sie dann selbst die Polizei rufen müssten, stecke man wieder im Dilemma, dass diese teils nicht zeitnah kommen könne. Die Antwort von OB Staab, demzufolge eine Absprache mit der Polizei denkbar sei und diese nach Verständigung durch den KOD umgehend kommen könne, überzeugte Lehmann nicht.
  • Aufgabenteilung: Nicht nur die Abgrenzung zur Polizei sorgte für Fragen der Räte, sondern auch die Aufgabenteilung mit Sicherheitskräften und dem Gemeindevollzugsdienst. Die Stadtverwaltung hat bereits vereinzelt Sicherheitskräfte engagiert – das kostet rund 35 000 Euro pro Jahr. Der Aufgabenbereich ist allerdings auf den Objektschutz begrenzt, wie Laule erklärte – sie dürfen nicht in Konflikte eingreifen oder präventiv arbeiten. Ein KOD könne aber die Arbeit von diesen Sicherheitskräften übernehmen, weshalb der KOD diese ersetzen soll. Laut OB Staab könnten auch die Bereiche von Gemeindevollzugsdienst (GVD) und KOD verschmelzen: Wenn der KOD schon Streife läuft, könne er auch mal einen Strafzettel ausstellen. Laut Sitzungsvorlage kann beim GVD danach eine Teilreduzierung erfolgen. "Sind die nicht zu teuer und zu gut ausgebildet für Knöllchen?", widersprach Helmut Villinger. Seine CDU-Kollegin Martina Gleich bemängelte, dass mögliche Arbeitszeiten in der Vorlage fehlen.
  • Kosten: Für sechs KOD-Mitarbeiter rechnet die Verwaltung mit Personalmehrkosten in Höhe von 300 000 Euro, außerdem würden 77 000 Euro als einmalige Kosten entstehen für die Ausbildung und Ausstattung. Dem stehen geplante jährliche Mehreinnahmen von 335 000 Euro gegenüber: 35 000 Euro für den Sicherheitsdienst würden eingespart, außerdem sollen Buß- und Verwarnungsgelder rund 300 000 Euro bringen. "Ich weiß nicht, wie Sie das machen wollen", sagte Lehmann dazu. Bürgermeisterin Laule erklärte, dass dabei Vandalismusschäden, die durch einen KOD verhindert werden könnten, einkalkuliert seien.
  • Die weitere Vorgehensweise soll noch beraten werden. "Wir haben den Auftrag, noch weitere Informationen den Räten zur Verfügung zu stellen", sagt OB Staab nach dem Beschluss. In der Sitzung hatte Laule bereits angekündigt, dass im nächsten Schritt die Aufgabenverteilung genauer geschildert werden sollte. Außerdem wollte die Verwaltung prüfen, ob auch ein Start mit vier statt sechs Ordnungsdienst-Mitarbeitern möglich sei.