In der Nacht vor Weihnachten ist es fast schon Tradition, dass die meisten Kinder ein bisschen unruhiger schlafen. Die Nervosität stellt sich bei ihnen langsam ein, was sie wohl am Heilig Abend so für Päckchen unter dem Weihnachtsbaum finden werden. Dieses Gefühl werden die Mitarbeiter der städtischen Kämmerei um Kämmererin Petra Ohmer und Heiko Förstner, Leiter der Abteilung Finanzen und Steuern, kennen. Was für die Radolfzeller Kinder die Nacht vom 23. auf den 24. Dezember ist, wird für sie die Nacht von Montag, 16. Dezember, auf Dienstag, 17. Dezember, werden.
Weshalb ihr Puls gerade in dieser Nacht leicht ansteigen wird und sie sich vielleicht auf eine etwas unruhigere Nacht einstellen müssen? Am Dienstag, 17. Dezember, soll der Gemeinderat den städtischen Haushalt für das Jahr 2020 beschließen. „An diesem Tag sind wir schon ein bisschen angespannter als sonst“, gibt Petra Ohmer in einem eigens einberaumten Pressegespräch vor der Haushaltsberatung zu. Man merkt: Die routinierte Mitarbeiterin der Stadtverwaltung hat Respekt vor der Mammutsitzung, in der die finanzielle Ausrichtung der Stadt für die kommenden Jahre vorgegeben wird. „Wir sind vorbereitet“, sagt sie.
Vorbereitung ist alles
Vorbereitung ist in diesem Falle nicht nur gut, sondern vielleicht auch wichtiger als jemals zuvor: Denn die Situation vor dem kommenden Dienstag ist angespannt. 16 Millionen Euro will die Stadtverwaltung nach dem Haushaltsentwurf im kommenden Jahr in Bauvorhaben und -Projekte investieren. „Diese Millionen im Investitionshaushalt müssten leistbar sein, obwohl es eine größere Investitionssumme ist, als in allen vergangenen Jahren“, betont OB Staab. Die geplanten Investitionen für 2020 sind zwar nicht die höchsten der Stadt, aber sie liegen laut Staab weit über den durchschnittlichen: Diese bezifferte er auf elf bis zwölf Millionen Euro.
Der Gürtel wird enger geschnallt
Ein strenger Sparkurs steht der Stadt bevor, denn die Verwaltung scheint dieses Jahr bei den Beratungen ernst zu machen: „Das Investitionsprogramm ist ambitioniert. Um es realistischer zu gestalten, hat die Verwaltung sehr strenge Maßstäbe angelegt. So sind im Investitionsprogramm für 2020 nur Maßnahmen hinterlegt, die in irgendeiner Form bereits begonnen wurden“, sagt Staab. Sprich laufende Baumaßnahmen, die schon in der Vergabe sind.

Ein Beispiel hierfür: die Erweiterung an der Gerhard-Thielcke-Realschule. 2018 wurden dort 646 000 Euro ausgegeben, 2019 waren es rund 2,36 Millionen Euro. Im kommenden Jahr stehen noch einmal 4,5 Millionen Euro im Haushalt. Den Abschluss macht das Jahr 2021 mit rund 1,54 Millionen Euro. Insgesamt sollen sich die Kosten auf rund neun Millionen Euro belaufen. Zahlreiche notwendige Investitionen, die schon in 2020 dringlich wären, aber noch nicht begonnen wurden, finden sich hingegen erst im Investitionsplan 2021 wieder. Einzig die Markolfhalle genießt einen Sonderstatus, sie wurde vorgezogen. „Die neue Halle für Markelfingen war bei allen Überlegungen unantastbar“, so Staab.
Der Gemeinderat wird sich auf das Wesentliche konzentrieren müssen. Deshalb wird die Beratung wohl nicht zu einem Wunschkonzert werden, sondern zu einem Pflichtprogramm. „Ich weiß nicht, wo und wie größere Projekte vorgezogen werden können“, sagt Oberbürgermeister Martin Staab. Bei Anträgen aus Reihen der Stadträte gilt deshalb die Regel: Wer mehr Projekte will, muss eine Gegenfinanzierung vorlegen. Auf die Frage, bei welchen Projekten er Einsparpotenzial sehe, ließ Staab mitteilen: „Die Projekte, die im Haushaltsplan 2020 enthalten sind, wurden vom Gemeinderat gewünscht oder sind bereits beschlossen. Die Verwaltung ist verpflichtet, diese aufzunehmen und hat hier keine Einflussmöglichkeiten.“
OB Staab rechnet mit Gegenwind der Seetor-Gegner
Die Gegner der Seetorquerung werden dies mit großer Wahrscheinlichkeit anders sehen: Auch Oberbürgermeister Staab rechnet damit, dass die ersten Vorschläge aus diesem Lager kommen werde. Für den zentralen Seezugang stehen laut seiner Aussage in der mittelfristigen Finanzplanung für 2023/24 rund zwölf Millionen Euro zur Verfügung. Aber ob dieses Geld überhaupt gebraucht wird, wird erst das nächste Jahr bringen.
So läuft die Beratung ab
- Der Termin: Die Haushaltsberatung findet am kommenden Dienstag, 17. Dezember, um 13 Uhr im Milchwerk statt. Neben dem Haushalt für 2020 wird auch der Wirtschaftsplan 2020 für die Tourismus und Stadtmarketing GmbH, sowie für die Mettnau-Kur und das Strandcafé beraten.
- Die größten Investitionen: Laut Kämmererin Petra Ohmer stellen die Erweiterung der Gerhard-Thielcke-Realschule (rund neun Millionen Euro), der Neubau des Kindergarten Sankt Hedwig (1,25 Millionen Euro), das Kinderhaus in Böhringen (rund 1,8 Millionen Euro), der Neubau der Markolfhalle (877.000 Euro), die Schaffung einer barrierefreien Infrastruktur, allen voran der Bushaltestellen (475.000 Euro) und weitere Arbeiten an der Konstanzer Straße (650.000 Euro) die größten Investitionen dar.
- Der Fall der Fälle: Die Stadtverwaltung erwartet es zwar nicht, aber dennoch ist es möglich: Der Gemeinderat könnte keinen Haushalt für 2020 verabschieden. Sollte das Gremium sich wider Erwarten nicht auf einen Beschluss einigen können, greift folgendes Szenario: „Sofern der Haushalt 2020 doch nicht am Dienstag verabschiedet wird, wird der Beschluss in einer Sitzung Anfang 2020 gefasst“, teilt die Stadtverwaltung auf Nachfrage mit.
- Endlich mitreden: Nach der Haushaltsrede von OB Martin Staab in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates dürfen am Dienstag nun auch die Fraktionen ihre Stellungnahmen für den Haushalt 2020 abgeben.