Häuslebauer kennen dieses Problem: Wenn es um das geplante Eigenheim geht, dann muss der Gürtel häufig enger geschnallt werden. Vorsicht bei der Finanzplanung ist besser als Nachsicht. Oder wer früher mit sparen anfängt, ist schneller im Eigenheim. Binsenweisheiten wie diese stehen meistens auf den privaten Sparplänen.

Was für die Sparfüchse daheim gilt, trifft auch auf den städtischen Haushalt zu. Denn mit seiner Haushaltsrede gab Oberbürgermeister Martin Staab in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates die Marschrichtung für den Haushalt 2020 vor.

Dabei griff der Radolfzeller Rathauschef auf die ein oder andere Binsenweisheit zurück, die Häuslebauer aus dem Privaten nur zu gut kennen werden.

Bereits Begonnenes hat Vorrang

Neue Bauvorhaben in 2020? Pustekuchen! Laut OB Staab seien nur jene Maßnahmen im Investitionsprogramm für 2020 hinterlegt, die in irgendeiner Form bereits begonnen hätten. „Laufende Baumaßnahmen, die schon in der Vergabe sind“, so Staab. Für mehr sei aufgrund eines ambitionierten Investitionsprogrammes und der Tatsache, dass die Stadt die Einnahmenseite seit 2014 nicht mehr gestärkt habe, kein Spielraum.

Mit einer Ausnahme: die neue Halle in Markelfingen. Staab rechnet in 2020 mit Investitionen von rund 16 Millionen Euro. „Diese müssten leistbar sein, obwohl es eine größere Summe ist, als in allen vergangenen Jahren.“ Das Problem dabei: acht Millionen Euro, die aus dem Vorjahr 2019 übrig geblieben sind. „24 Millionen Euro sind definitiv nicht leistbar in 2020.“ Für die Bürger bedeutet dies: Vorfahrt bei Bauprojekten haben Bildung und Betreuung. Neuen Projekten droht indes der Weg auf die lange Bank.

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Was du heute kannst besorgen

Vieles was sich die Radolfzeller Bürger wünschen, wird auch 2020 ein Wunsch bleiben. Auch OB Staab geht davon aus, dass angesichts der hohen Investitionen einiges nach 2021 geschoben werden müsse. So wandern zahlreiche notwendige Investitionen, die laut Staab schon 2020 dringlich gewesen wären, aber noch nicht begonnen sind, in den Haushalt 2021.

Dieser umfasse allerdings bereits 27 Millionen Euro an Investitionen und reiche laut Staab für zwei Haushaltsjahre. „Und da sind einige zu erwartende Überträge aus 2020 noch nicht einmal enthalten.“ Für ihn seien erst die Investitionsprogramme für 2022 und 2023 wieder bewältigbar. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Die Stadt und der Gemeinderat müssen bei anstehenden Projekten entscheiden, welche Vorrang haben.

Ein Finanzplan verfehle seine Steuerungswirkung, wenn er als Auflistung bestehender Wünsche angesehen werde und keine klaren Prioritäten erkennen lasse. Eines der größten Bauvorhaben, die bereits im Gange sind, ist die Erweiterung der Radolfzeller Realschule. Sie soll neun Millionen Euro kosten und im November 2020 fertig sein.

Nur das Geld ausgeben, das da ist

„Das Geld, das ausgegeben sein will, muss zuerst eingenommen werden“, so Staab. Für den Straßenbau stehen 3,5 Millionen Euro zur Verfügung. „Barrierefrei ist ein Muss“, so Staab. Der Umbau der Bushaltestellen sei ein zusätzliches Millionenpaket.

Die ersten Maßnahmen für das Sportzentrum Mettnau sollen schnell vorangebracht werden. Rückstände bei Schul- und Kindergartenneubauten müssen aufgeholt werden, so Staab. „Dies wird noch einige Jahre dauern.“ Zudem solle in den nächsten Jahren verstärkt in die Kläranlage investiert und die Radverkehrs-Infrastruktur ausgebaut werden. Hinzu kommt die Umrüstung der Straßenbeleuchtung auf LED.

Helfen, irgendwann einmal die Einnahmenseite zu stärken, soll zudem das klimaneutrale Gewerbegebiet Blurado. „Mit den weiteren Maßnahmen ist ein Paket geschnürt, das bewältigt sein will“, sagt Staab.

Die fetten Jahre sind vorbei

Schlechte Nachrichten für die Radolfzeller. Laut Staab werde die schwarze Null nur 2020 erreicht. Auch dies resultiere aus den hohen Investitionssummen in die Kinderbetreuung. Derzeitige Hochrechnungen ergeben, dass das Gesamtergebnis für 2021 ein Minus von 1,3 Millionen Euro ausweise, das sich bis 2023 auf rund 3,4 Millionen Euro verschlechtern werde.

„Die fetten Jahre sind vorbei“, so Staab. Ein Beispiel: Der Einbruch der Gewerbesteuer. Sie ging von rund 23,6 Millionen Euro in 2018 auf 16,3 Millionen Euro zum Ende dieses Jahres zurück.

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Wenn alles schweigt und einer spricht

Wenn einer spricht und alle anderen im Ratssaal schweigen müssen, bedeutet dies in Radolfzell zum Jahresende meist: Haushaltseinbringung im Gemeinderat. Denn nur dem Oberbürgermeister ist es gestattet, seine Rede zu halten. Die Gemeinderäte müssen schweigen. Vorerst. Sie dürfen am Dienstag, 17. Dezember, in einer öffentlichen Sitzung ihre Stellungnahmen zum Haushalt abgeben. Vier Stimmungsbilder gab es dennoch in der jüngsten Sitzung des Gremiums – auch wenn Gegenreden der Stadträte eigentlich noch nicht erlaubt waren.

  1. .Das Gleiche wie jedes Jahr: Siegfried Lehmann, Fraktionssprecher der FGL, ist ein bekennender Gegner dieser Vorgehensweise. Damit hielt er auch bei der diesjährigen Haushaltsrede von OB Staab nicht hinterm Berg zurück. „Wir nehmen uns das Recht heraus, Anträge zu stellen, wenn wir in den Fraktionen so weit sind.“ Als soziale Stadt müsse der Ausbau der Schule und Kinderbetreuung funktionieren. „Dafür brauchen wir aber eine Priorisierung“, so Lehmann weiter. Projekte aus dem Nicht-Pflichtbereich würden den Haushalt hingegen strangulieren.
  2. .Neue Gewerbegebiete braucht Radolfzell: Für den Fraktionssprecher der FDP, Jürgen Keck, gebe es nur eine Möglichkeit die Einnahmenseite zu stärken: die Ausweisung neuer Gewerbegebiete. „Sonst gehen uns wichtige Einnahmen flöten, weil Betriebe in andere Kommunen abwandern“, so Keck. Ein wichtiger Punkt bei den Einnahmen sei nun einmal die Gewerbesteuer.
  3. .Kein Wunschkonzert: Dietmar Baumgartner, Fraktionssprecher der Freien Wähler, kann nicht in die Glaskugel schauen. Aber eines wisse er ganz genau: „Eine Haushaltsberatung ist kein Wunschkonzert.“ Er erwarte deshalb, dass jeder Antrag mit einem Vorschlag zur Gegenfinanzierung einhergehen müsse. Seine Warnung: Steuererhöhungen seien mit seiner Fraktion nicht zu machen.
  4. .Abwarten und Tee trinken: Derya Yildirim (SPD) und Bernhard Diehl, Fraktionssprecher der CDU, hielten sich mit großen Reden zurück. „Die Stunde der Gemeinderäte kommt noch“, so Yildirim. Damit spielte sie auf die Haushaltsberatung Anfang 2020 an.