Der Start der Nachbarschaftshilfe Möggingen war eher holprig. Denn praktisch unmittelbar nach der Gründung im November 2019 in der Mindelseehalle musste man die geplanten Tätigkeiten ruhen lassen. Die Pandemie ließ einen persönlichen Kontakt nicht zu. „Ein blöderes Timing hätte es gar nicht geben können“, erinnert sich der Vorsitzende des Vereins, Sven Jochem, im Gespräch mit dem SÜDKURIER.
Verleihung am 5. Juli auf der Mettnau
Dennoch ist das Projekt eine Erfolgsgeschichte. Und dieses Engagement wird nun auch gewürdigt. Am Mittwoch, 5. Juli, wird der Verein Nachbarschaftshilfe Möggingen von der SPD Radolfzell mit ihrem Bürgerpreis ausgezeichnet. Die Übergabe des Preises findet in der alten Konzertmuschel auf der Mettnau statt. Damit will der Ortsverein das besondere ehrenamtliche Engagement des Vereins ehren, der Menschen in Radolfzell und seinen Ortsteilen helfend zur Hand geht, um so deren Lebensqualität zu erhöhen.
Einsätze stiegen rasant an
Spätestens nach dem zögerlichen Beginn entwickelte sich die Idee, die aus dem Bürgerbeteiligungsprojekt in Möggingen hervorgegangen war, zu einem echten Renner. Nach den 130 Einsätzen im Coronajahr 2020 stiegen diese im Jahr 2021 auf 524 und noch einmal im vergangenen Jahr auf 1250 auf mehr als das Doppelte.
Der rasante Anstieg ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass die Nachbarschaftshilfe mittlerweile auch in der Kernstadt und den anderen Radolfzeller Ortsteilen tätig ist. Auch wenn das von der Idee her so nicht geplant war, zeigt dies, wie groß der Bedarf für einen derartigen Service ist. Zweifellos gebe es immer mehr ältere Menschen und Personen, deren eigene Familienmitglieder nicht mehr in der Umgebung wohnen und so im täglichen Leben helfen können. „Wir wollen die Familien entlasten. Die Nachfrage ist riesig“, stellt Sven Jochem fest.
Vielseitige Hilfe in allen Lebenslagen
Der Verein, der mittlerweile rund 300 Mitglieder hat, hat es sich zur Aufgabe gemacht, hilfsbedürftigen Menschen bei den Herausforderungen des täglichen Lebens zu Helfen. Das können Arztbesuche, Einkäufe, Behördengänge aber auch Besuche in kulturellen und kirchlichen Einrichtungen sein.
Aber auch ganz triviale Dinge wie der Umgang mit dem Telefon, Fernsehen oder Computer, gemeinsame Spaziergänge und kleine Arbeiten im Haushalt werden von den freiwilligen Helfern gerne erledigt. „Wir sind nicht eine billige Reinigungsfirma, ein Taxiunternehmen, die Feuerwehr oder gar eine Konkurrenz zu professionellen Unternehmen“, stellt der Vereinsvorsitzende klar.
Um die eigenen Helfer zu schützen, werden diese regelmäßig geschult. Seit dem Frühjahr arbeitet man sogar mit einer Supervision, die Konfliktsituationen entschärfen solle. Finanziert wird dies durch eine Aufwandsentschädigung von 12 Euro pro Stunde. Davon erhalten die eigentlichen Helfer 10 Euro, die anderen zwei werden für die Verwaltung und Organisation benötigt.
Ständige Suche nach neuen Helfern
Während der Vereinsvorstand eine rein ehrenamtliche Tätigkeit ist, kümmern sich drei Teilzeitkräfte im Büro, dass sich im alten Rathaus Möggingen befindet, um die Organisation und Vermittlung der Helferdienste. Aufgrund der hohen Nachfrage sucht man ständig nach Helfern, vor allem in der Kernstadt und den Teilorten.
Denn die Wege sollen kurz gehalten werden und die Personen kennen sich im Idealfall schon aus ihrem Alltag. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass am Ende nicht nur die Nutzer der Nachbarschaftshilfe davon profitieren. „Das ist eine bereichernde Tätigkeit, das erfahren wir an uns selbst“, berichtet Eduard Matuszak, einer der Beisitzer des Vereins.
Die Auszeichnung durch die SPD mit dem Bürgerpreis kam für ihn nicht nur überraschend, sondern empfindet er als „Wertschätzung“, wie er sagt. „Die Nachbarschaftshilfe ist ein Beispiel für den gelebten sozialen Unterbau einer Gesellschaft, der einfach da sein muss“, stellt er fest. An den Mitgliedern der Nachbarschaftshilfe Möggingen soll es nicht scheitern. „Wir werden den Weg weitergehen“, verspricht Vereinsvorstand Sven Jochem.