„Unser Dorf hat Zukunft“ – nur selten spürt man die Wahrheit dieses Satzes so deutlich wie in Möggingen. Dabei war er lediglich der Slogan eines Landeswettbewerbs, an dem die Ortschaft teilnahm und bei dem das Dorf 2018 vom Land mit einer Silbermedaille ausgezeichnet wurde.

Ein Arbeitskreis befasste sich damals mit dem, was Ortsvorsteher Ralf Mayer als soziale und kulturelle Selbsthilfe bezeichnete – mit dem Ziel, Bürger zu vernetzen, Generationen zu integrieren und die Gemeinschaft zu stärken. Ein Ableger davon war das Projekt Nachbarschaftshilfe, das im letzten Jahr als Verein an den Start ging.

Möggingen als Vorreiter

Mittlerweile zählt dieser 170 Mitglieder. Nun feierte der Verein den ersten Schulungsjahrgang mit 16 Absolventen. „Möggingen war immer ein Vorreiter und Vorbild für andere Ortsteile“, so Oberbürgermeister Martin Staab bei der feierlichen Zertifikatsübergabe.

Diese überreichte Maria Hensler aus Gaienhofen. Die Pionierin der Nachbarschaftshilfe wertete den Aufbruch so: „Wenn einer alleine träumt, ist es ein Traum. Wenn ihn viele gemeinsam träumen, ist das der Beginn einer neuen Wirklichkeit.“

Oberbürgermeister Martin Staab (links) würdigte das Engagement der Nachbarschaftshilfe. Maria Hensler (Vorsitzende der ...
Oberbürgermeister Martin Staab (links) würdigte das Engagement der Nachbarschaftshilfe. Maria Hensler (Vorsitzende der Nachbarschaftshilfe von Haus zu Haus, Gaienhofen) erläuterte Triebfedern bürgerschaftlichen Engagements. Sven Jochem (Vorsitz Nachbarschaftshilfe Möggingen) führte durch die feierliche Übergabe der Zertifikate an die Helferinnen. | Bild: Georg Lange

Nahezu jeder hat den Wunsch, in einer vertrauten Umgebung alt zu werden. Derzeit werden rund 80 Prozent der pflegebedürftigen Personen zuhause umsorgt und gepflegt. Meist von Familienangehörige oder von Nachbarn.

Dass diese Menschen in ihrer Freizeit die Pflege eines geliebten Menschen übernehmen, bleibe der Öffentlichkeit oft unbekannt. Was sie benötigen, sei eine Unterstützung und Entlastung, erläutert Maria Hensler von der „Nachbarschaftshilfe von Haus zu Haus“. Sie spricht aus Erfahrungen mit Angehörigen aus dem ländlichen Raum.

Ehrenamtliche als Unterstützer

Ihre Idee war im Grunde einfach: Hilfe für alte und kranke Menschen zu schaffen, pflegende Angehörige zu entlasten sowie eine Hilfe für Familien anzubieten. Daraus sei dann die Nachbarschaftshilfe entstanden, bei der sich Ehrenamtliche engagieren.

Für Hensler lohne sich ein Ehrenamt. Denn: Das Engagement sei mit einer sinnvollen Beschäftigung verbunden. Aber man erhalte auch Anerkennung für die geleistete Hilfe. Helfer werden bei Henslers Idee außerdem mit Fortbildungen qualifiziert, um sie mit Tatsachen des Älterwerdens vertraut zu machen, aber auch, um Erste Hilfe in einem Notfall leisten zu können.

Modell für viele Nachbarschaftshilfen

Nach diesem Modell orientieren sich über 70 Nachbarschaftshilfen allein in Baden-Württemberg. Dieses Modell stand auch Pate bei der Nachbarschaftshilfe Möggingen und wurde durch das Referats Bürgerbeteiligung und durch die Initiatoren in Form gegossen.

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Entstanden sei die Idee 2017 innerhalb eines Bürgerbeteiligungsprojekts, erinnert sich Oberbürgermeister Martin Staab. Die Initiatoren hätten den Wunsch gehabt, eine verlässliche Hilfe anbieten zu können. Durch die Projektbegleitung konnten Förderungen in einer Höhe von 51.000 Euro ermöglicht werden.

Das sei ein Zeichen, dass das Projekt auch von anderen wertgeschätzt werde und dass die Initiative etwas bewegt habe, so Staab. Der OB nahm Anleihe an der Architektur eines Spinnennetzes, um die Stabilität des Mögginger Netzwerkes zu beschreiben: Es sei fragil und stabil zugleich. Auch wenn Fäden rissen, bleibe es stabil. Er schloss seine Rede mit dem Wunsch, dass die Nachbarschaftshilfe eine starke Gemeinschaft bleibe.

Mitglieder der Nachbarschaftshilfe (v.l.): Rita Otto, Klaus Jerger, Cornelia Schorn, Andrea Meuli, Sven Jochem, Vorsitzender und Birgit ...
Mitglieder der Nachbarschaftshilfe (v.l.): Rita Otto, Klaus Jerger, Cornelia Schorn, Andrea Meuli, Sven Jochem, Vorsitzender und Birgit Stolz, stellvertretende Vorsitzende. | Bild: Georg Lange

Die Nachbarschaftshilfe hat bereits im Bauplan eine interessante Anlage: Sie ist nicht nur eine Dienstleistung für ältere Mitbürger und eine Entlastung für Angehörige und Familien. Als Nebeneffekt ermöglicht sie Helfern Fachwissen über ein Thema, das früher oder später jeden betrifft. Außerdem fördert es auch die Bildung von Freundschaften und damit die Stärkung der Dorfgemeinschaft.

Ein Konzept, das funktioniert

Das Konzept der Nachbarschaftshilfe ist wie für den ländlichen Raum geschaffen. Allerdings funktioniert es nur, wenn sowohl Helfer als auch Hilfesuchende das Gewünschte leisten können. Konkret heißt das, dass es sich Pflegende leisten können müssen, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Das ist in diesem Fall gewährleistet, weil die Helfenden günstige Stundensätze erhalten. Die Entlastungsleistungen aus der Pflegeversicherung machen es nochmals günstiger, das Angebot in Anspruch zu nehmen. Auch für die Helfer lohnt es sich. Denn sie erhalten eine Ehrenamtspauschale, die bis zu einem bestimmten Höchstbetrag steuerfrei ist.

Sie koordinieren die Einsätze der Helfer für die Nachbarschaftshilfe Möggingen: Elke Stepczynski (li.) und Michaela Frimmel
Sie koordinieren die Einsätze der Helfer für die Nachbarschaftshilfe Möggingen: Elke Stepczynski (li.) und Michaela Frimmel | Bild: Georg Lange

Das System wird über die Einsatzleitung abgewickelt und schützt damit auch das Verhältnis zwischen Kunde und Helfer. „Es entspricht dem Wunsch der Bürger, etwas Vorort zu machen“, so Mayer.

Sein Dank ging an alle Projektbeteiligten, an die Stadt und den Vorsitzenden der Nachbarschaftshilfe, Sven Jochem. Dieser sei die treibende Kraft des Projektes. Mayers Dank galt auch den Helfern, die sich mit dem Projekt identifizieren und den Verein tragen.