Die Stadt Radolfzell hat für die Rodung einer Sichtschneise von etwa zehn Meter Breite vom Bahndamm zum See im Bereich der Kläranlage ohne eine Genehmigung der Unteren Naturschutzbehörde gehandelt. Die Mitarbeiter der Technischen Betriebe haben zwar Ende Februar auf Anordnung der Chefetage zur Motorsäge gegriffen, doch eine Abstimmung oder eine Absprache mit dem Landratsamt Konstanz hat nicht stattgefunden.

Noch nicht als Biotop kartiert

Wie Marlene Pellhammer, Pressesprecherin im Landratsamt, auf Anfrage mitteilt, sei die Stadt Radolfzell davon ausgegangen, dass es sich um zulässige Pflegemaßnahmen außerhalb der Schonzeit handelt, die keine naturschutzrechtliche Genehmigung erfordert. Eine mögliche Erklärung im Landratsamt lautet: „Diese Annahme dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der betroffene Bereich selbst noch nicht als Biotop kartiert ist.“

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Doch die Flächen zwischen Kläranlage und dem See im Markelfinger Winkel befinden sich innerhalb eines Natura-2000-Gebietes. Dazu kommt: „Der gerodete Abschnitt der Baumhecke zwischen der Bahnlinie und dem Radweg ist aufgrund seiner Artenzusammensetzung und dem direkten Anschluss an eine im Jahr 2012 kartierte Baumhecke als gesetzlich geschütztes Biotop einzustufen, auch wenn der Bereich selbst bislang noch nicht kartiert wurde“, teilt das Landratsamt mit. Deshalb hätte das Rathaus Radolfzell, bevor es den Auftrag zu einer Rodung erteilte, bei der Unteren Naturschutzbehörde nachfragen müssen.

Die Schneise vom Bahndamm auf den See aus gesehen.
Die Schneise vom Bahndamm auf den See aus gesehen. | Bild: Jarausch, Gerald

Die Behörde in Konstanz kann auch keine Angaben machen, warum den städtischen Mitarbeitern der Auftrag zum Schlagen einer Sichtschneise dort gegeben worden ist. Pressesprecherin Marlene Pellhammer teilt mit: „Der Grund für die Rodung ist dem Landratsamt nicht bekannt.“ Zuvor hatte die Pressestelle der Stadt Radolfzell nur ausweichend über den Anlass der Rodung Auskunft gegeben. Bürgerbeschwerden über zugewachsene Bereiche im Umfeld der Kläranlage seien bei Oberbürgermeister Martin Staab eingegangen und anschließend sei die Maßnahme durch die zuständige Fachabteilung Landschaft und Gewässer geprüft worden. Wer letztendlich den Auftrag zur Rodung gegeben hat, darüber machte die Presseauskunft der Stadt keine Angaben.

Bis Herbst wird gewartet

Das Landratsamt hat aufgelistet, was bei der städtischen Gehölzpflege rund um die Kläranlage angefallen ist. Im Bereich zwischen der Bahnlinie und dem Radweg seien eine Baumhecke gerodet, im Bereich zwischen Kläranlage und Ufer hauptsächlich Feldgehölze gerodet worden. Zur Frage der Schadensbehebung hält das Landratsamt fest: „Es muss abgewartet werden, wie sich die gerodeten Bereiche entwickeln. Sofern Nachpflanzungen erforderlich sein sollten, werden diese spätestens für Herbst 2021 festgelegt.“

Auch Wolfgang Fiedler von der Vogelwarte Radolfzell hat sich inzwischen die neue geholzte Schneise an der Kläranlage angeschaut. Er bleibt bei seiner ersten Einschätzung, dass der Schaden für die Vogelwelt gering sei und dass die abgeschnittenen Weiden schnell nachwachsen würden.