72 Seiten ist die gutabhängige Narrenzeitung der Narrizella Ratoldi 2021 in seinem 53. Jahrgang wieder einmal stark.
Und obwohl Männer in Text und Bild den Inhalt dominieren, ist anzunehmen, dass der Kappedeschle-Zeitungsmacher Lothar Rapp in seinem Leben schon hin und wieder die Frauenzeitschrift Brigitte zur Hand genommen und darin geschmökert hat.
Wie in der Brigitte nehmen die Themen Mode, Psychologie, Reisen und Rätsel sowie Seiten für Kinder einen breiten Raum ein.
Es steht zwar nicht „aktuelle Frühjahrsmode“ über den Fotos von Hansele, der Schlegele-Beck-Gruppe und der Holzhauergilde, aber es könnte.
Insbesondere die Holzhauer glänzen auf einer Doppelseite in ihrem zeitlosen Wams, der Schlegele Beck und seine sieben Höllteufel machen sich gar auf vier Seiten breit, weil vor 25 Jahren diese neue Gruppe ihren närrischen Anfang nahm, die Hansele sind ohnehin zeitlos schön.
Diese besondere Schönheit der Radolfzeller Fasnachtsfiguren haben immer wieder Radolfzeller Maler in ihren Werken eingefangen und herausgearbeitet.
Im Kappedeschle Nummer 53 hat Zeitungsmacher Lothar Rapp besondere Stücke ausgegraben und sie der Welt öffentlich gemacht. Bruno Epple, dessen Werk der naiven Malerei zugeordnet wird, hat die Figuren Kappedeschle, Schnitzwiib, Hänsele und Gardischt zum Geburtstag seines Vaters im Jahr 1968 im Stil eines Modeschöpfers gezeichnet.
Nicht jede Stelle ist farblich ausgemalt, was den Figuren zu einem Charakter zwischen Sein und Schein verhilft.
Epple verfasste zu den Figuren Gedichte und gebrauchte das damals üblichere „Hänsele“ fürs „Hansele“, sein Vers mit Tusche hingeschwungen lautet: „Hänsele, wa witt, Hänsele, wa witt. O wie schlämperet die Flecke, o wie bämperlet die Gleckle, Hänsele, wa witt – nimmsch mi doch it mit.“
So viel zum Thema Mode im Kappedeschle, wobei der Übergang zur Psychologie mit dem Hänselevers „wa witt?“, also Hänsele, was willst Du?, ein fließender ist. Quasi wie in der Brigitte.
Im Enthüllungsportal „Deschle-Leaks“ sinniert Brigitte – also nicht die Zeitschrift -, sondern die Brigitte Robers über „die neu entstandene männliche Lust – am Backen“.
Da gehört natürlich ein Ausrufezeichen rein, nach dem Backen, aber dann liest sich der Satz als Zitat so schwer. Enthüllungs-Deschle Robers entwirft das Bild eines backenden OB, „umhüllt von Mehlstaubwolken und Sahnehäubchen“.
Ein Ratgeber-Beitrag der Narrenmusik
Ist das nun Psychologie oder schon Prophezeiung? Der Leser kratzt sich am Kopf und blättert zum nächsten Ratgeber weiter. Nicht nur in der Brigitte, auch im Kappedeschle wird nach dem einen oder anderen Tipp für alle Lebenslagen in diesen drögen Corona-Zeiten gefahndet.
Michael Back hat diesen aufhellenden Ratgeber für die Narrenmusik geschrieben. Ist der Einstieg in seinen Text noch verklärend „Das letzte Jahr hat wie immer begonnen.“ So ist das Drama in Bildunterschriften eingefangen – „das wird schon“, „nicht traurig sein“, „wir haben eine Idee“ bilden den Spannungsbogen für das Jahr der Narrenmusik.
Und sie wäre nicht die Narrenmusik, wenn sie keine Ideen hätte. Die Musiker können nämlich mehr als Fleischkäsbrötchen essen: Im Freien musizieren, Videos drehen und andere zum Mitmachen aufmuntern. Die Prognose von Michael Back: „Wir werden uns etwas überlegen, damit die Radolfzeller merken, dass auch während der Pandemiezeiten die Fasnacht in Radolfzell lebt.“
Der Reiseteil führt ins Umland
Auf den Reiseteil darf eine Frauenzeitschrift nicht verzichten. Hier wagt der Kappedeschle sich auf ungesichertes Terrain, ja es ist für Narrizella-Verhältnisse fast eine Weltreise: Es geht in die Nordstadt zu den Froschen, nach Stahringen zu den Schoofwäschern, nach Möggingen zu den Welsbärten, nach Güttingen zu den Schimmelreitern, nach Böhringen zu den Bengelschießern, nach Liggeringen und Markelfingen geht es dann wahrscheinlich in der Ausgabe 54. Ein bisschen was müssen sich die Zeitungsmacher ja aufsparen.
Wer die Brigitte kennt, weiß, ohne Rezept, Rätsel und Kinderteil geht es nicht. Für Kinder gibt es Narrizellafiguren zum Ausmalen, für die Großen gleich zwei Rätsel: Ein doch recht kniffliges Ortsteilrätsel und ein noch anspruchvolleres Reimrätsel.
Es ist fast so, also höre man bei jedem ausgefüllten Reim ‚nen Tusch. Hungrig geworden? Auch da ist auf den Kappedeschle wie bei der Brigitte Verlass, das Rezept zum Selberscheitern steht auf Seite 67: Zeller Fasnetskiechle.