Am Mittwochabend bebte die Erde: Mit einer Stärke von 2,9 auf der Richterskala verzeichnet der Landeserdbebendienst (LED) um 22.28 Uhr das erste Erdbeben nach fünf Jahren in Radolfzell. Den Herd verortet der LED nordwestlich von Böhringen in einer Tiefe von etwa 19 Kilometern unter der Erdoberfläche. Es handle sich um ein schwaches Erdbeben, das aber immerhin bis zum Schwarzwald spürbar gewesen sein soll. Je nach Herdtiefe sind Erdbeben laut Experten erst ab einer Magnitude zwischen 2,5 und 3 spürbar.
Zuvor war November 2019 ein Erdbeben in Radolfzell registriert worden – ein wesentlich schwächeres mit einer Magnitude von 1,3 auf der Richterskala. Damals hatte der Herd vor der Mettnau gelegen.
Warum kommt es hier zu Erdbeben?
Tatsächlich kommt es im Hegau immer wieder zu Erdbeben – und zu dem betroffenen Gebiet gehört laut Stefan Stange, Leiter des Landeserdbebendienstes am Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau am Regierungspräsidium Freiburg, auch Radolfzell. Denn der Hegau könnte im Kreuzungsgebiet zweier größerer tektonischer Strukturen liegen, erklärt der Experte. Dort schneide die südliche Fortsetzung der Albstadt-Scherzone die Freiburg-Bonndorf-Bodensee-Zone. „Dies könnte Ursache für den erloschenen Vulkanismus im Hegau und für die heutige Erdbebenaktivität sein.“
In den vergangenen Jahren hätten sich in dem Gebiet die Epizentren – also die Herde – der Erdbeben auf die Umgebung von Überlingen am Ried konzentriert, die Herdtiefe habe bei etwa elf Kilometern gelegen. Das Epizentrum des Erdbebens am 17. April bei Radolfzell habe nun zwar nur etwa drei Kilometer weiter nordöstlich gelegen, sei aber tiefer gewesen. „Damit gehört dieses Erdbeben nicht zum Cluster bei Überlingen am Ried“, so Stefan Stange.
Zuletzt habe es 2000 und 2010 mehrere, teils spürbare, Erdbeben auf Radolfzeller Gebiet gegeben. Diese seien jedoch nördlich der B33 und vermutlich weniger tief aufgetreten.
Erdbeben wird bis in den Schwarzwald wahrgenommen
Auch das Erdbeben am Mittwochabend sei spürbar gewesen, bis zum Mittag des Donnerstags seien auf der Meldeseite des Landeserdbebendienstes knapp 200 Meldungen eingegangen. Es sei vielfach von Geräuschen wie Grummeln, Rumpeln, Grollen oder Knacken im Gebälk, begleitet von schwachen Bewegungen berichtet worden. „Vereinzelt klirrte Geschirr oder die Fenster zitterten“, so Stange. Auch wenige Haustiere seien unruhig geworden.
„Bemerkenswert ist die große Reichweite dieser Wahrnehmungen, vor allem in Richtung Schwarzwald bis in etwa 80 Kilometer Entfernung.“ Dies liege an der großen Tiefe des Erdbebenherdes: „Bei flacheren Erdbeben beschränken sich die spürbaren Auswirkungen meist auf die nähere Umgebung des Epizentrums“, so der Experte.