Die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich langsam. Doch der Prozess im Falle der mutmaßlichen Untreue zulasten der Stadtwerke Bad Säckingen durch den damaligen Geschäftsführer Martin Ritter ist mit „langsam“ noch sehr vorsichtig umschrieben. Im Januar 2023 hatte die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen Anklage gegen den früheren Stadtwerke-Chef erhoben. Doch wirkliche Fortschritte hat das Strafverfahren in der Zwischenzeit keine gemacht. „Die Anklage ist noch nicht offiziell zugelassen“, teilt der Pressesprecher des Landgerichts, Richter Johannes Daun, nun auf Nachfrage unserer Zeitung mit.

Doch wie kann es sein, dass es auch knapp zweieinhalb Jahre nach der offiziellen Anklage noch keine Entscheidung darüber gibt, ob überhaupt eine Hauptverhandlung eröffnet wird? Pressesprecher Daun nennt gleich mehrere Gründe: Eine Überlastung der Justiz durch Fälle mit höherer Priorität, eine schlechte Personalausstattung der Gerichte und ein ausgesprochen komplexes und umfangreiches Verfahren.

Worum geht es überhaupt?

Von Anfang an: In seiner Zeit als Geschäftsführer der Stadtwerke Bad Säckingen soll Martin Ritter zwischen Mitte 2018 und Ende 2020 mit sogenannten Scheinrechnungen die Stadtwerke einen sechsstelligen Betrag betrogen haben. Dies wirft jedenfalls die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen dem heute 50-jährigen Ritter vor. Das soll folgendermaßen funktioniert haben: Der Geschäftsführer habe vom Konto der Stadtwerke Gelder an seinen ebenfalls beschuldigten Partner überwiesen, so die Überzeugung der Staatsanwaltschaft. Grundlage für diese Überweisungen seien Scheinrechnungen gewesen, mit denen Leistungen abgerechnet worden seien, die gar nicht existierten.

Einen sechsstelligen Betrag soll der frühere Geschäftsführer bei den Stadtwerken unterschlagen haben.
Einen sechsstelligen Betrag soll der frühere Geschäftsführer bei den Stadtwerken unterschlagen haben.

Laut Staatsanwaltschaft sei den Stadtwerken so zwischen November 2017 und Dezember 2020 ein Schaden von rund 200.000 Euro entstanden. Das Geld hätten sich die beiden geteilt. Ex-Geschäftsführer Ritter habe seinen Anteil von seinem Geschäftspartner jeweils in bar erhalten.

Ende 2020 verließ Ritter die Stadtwerke Bad Säckingen auf eigenen Wunsch und in gegenseitigem Einvernehmen und wechselte ins niederbayerische Straubing. Erst nach seinem Weggang kam bei den Bad Säckinger Stadtwerken der Verdacht auf, dass bei den Abrechnungen nicht alles mit rechten Dingen zugegangen war.

Ermittlungen dauerten über ein Jahr

Im September 2021 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen gegen Ritter wegen Untreue ermittelt. Im Zuge dieser Ermittlungen verdichteten sich Hinweise, dass Ritter auch bei seinem früheren Arbeitgeber, dem Freiburger Netzbetreiber Badenova, nach derselben Methode Geld veruntreut haben könnte. Diese Taten seien aber – zumindest teilweise – verjährt.

Rund 16 Monate ermittelte die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen, dabei kam es auch zu Durchsuchungen der Straubinger Privat- und Büroräume Ritters. Außerdem wurde der Wertersatz des Schadens in einer Gesamthöhe von 710.000 Euro eingezogen. Damit soll sichergestellt werden, dass Vermögen, das ein Täter aus einer Straftat ergaunert, diesem wieder entzogen wird. Während der laufenden Ermittlungen verlor Ritter seinen Geschäftsführerposten in Straubing. Das Vertrauensverhältnis sei gebrochen, hieß es dort.

Im Januar 2023 legte die Staatsanwaltschaft Waldshut-Tiengen die Anklageschrift dem Schöffengericht beim Amtsgericht Bad Säckingen vor. Bevor ein Hauptverfahren beginnt, prüft das zuständige Gericht allerdings die Zulässigkeit der Anklage. Was wie eine Formsache klingt, nahm allerdings in diesem Verfahren einen längeren Zeitraum ein. Die lange „Prüfungsdauer ist unter anderem auf den umfangreichen Verfahrensgegenstand, einen Verteidigerwechsel und problematische Verfahrensfragen zurückzuführen“, teilte der Pressesprecher des Amtsgerichts mit.

Ende August 2024 fasste das Schöffengericht Bad Säckingen schließlich den Beschluss, das Verfahren dem Landgericht Waldshut-Tiengen zur Entscheidung über eine Übernahme vorzulegen. Sprich: Das Amtsgericht sei gar nicht zuständig, stattdessen möge sich das Landgericht der Sache annehmen.

Verfahren liegt nun beim Landgericht

Seit zehn Monaten liegt das Verfahren nun bei einer Strafkammer des Landgerichts, eine Entscheidung über die Zuständigkeit ist aber auch hier bisher nicht ergangen. „Es ist ein außergewöhnlich umfangreiches Verfahren“, so Pressesprecher Johannes Daun mit Blick auf die Akte: Allein die Anklageschrift umfasse 93 Seiten, rund 85 Einzelpunkte die Liste der Tatvorwürfe.

Johannes Daun, Vizepräsident des Landgerichts Waldshut-Tiengen
Johannes Daun, Vizepräsident des Landgerichts Waldshut-Tiengen | Bild: Baier, Markus

Die Strafkammern des Gerichts seien zudem derzeit mit mehreren Großverfahren belastet, die naturgemäß eine höhere Priorität genießen: „Haftsachen haben Vorrang“, so Daun. Und gerade hier gab es in den vergangenen Monaten einige Großverfahren in Waldshut. Hinzu kommt, dass die personelle Ausstattung der Strafkammern alles andere als üppig sei.

Umfangreiche Beweisaufnahme ist zu erwarten

Eine Prognose, wann die Kammer ihre Entscheidung über die Zulässigkeit der Anklage fällt, wagt Daun deshalb nicht. Ebenso in den Sternen steht, wann eine Hauptverhandlung stattfinden könnte. Es sei eine komplexe und umfangreiche Beweisaufnahme zu erwarten, die die Kapazitäten der Justiz über einen längeren Zeitraum binden werde.

Aus Gründen der Prozessökonomie hält Daun es für sinnvoll, das Bad Säckinger Verfahren am Landgericht zu verhandeln, um sich damit auf nur eine Tatsachen-Instanz beschränken zu können. Sollte es nämlich nach dem Urteil des Amtsgerichts zu einer Berufung kommen, müsste die gesamte Beweisaufnahme noch einmal vor dem Landgericht wiederholt werden.

Ritters Aufenthaltsort ist unbekannt. Die Redaktion hat während der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen auf mehreren Wegen versucht, mit Martin Ritter selbst Kontakt aufzunehmen, damit er Stellung nehmen kann. Dies gelang jedoch nicht. Schon im September 2021 wollte sich Ritter zu den Vorfällen nicht äußern. Bis das Verfahren abgeschlossen ist, gilt die Unschuldsvermutung.