Vor rund fünf Jahren kam Corona auch im Raum Radolfzell an – und brachte für zahlreiche Menschen und viele Bereiche des Lebens große Einschränkungen und Herausforderungen mit sich. In dieser Zeit entstanden viele Geschichten über Menschen, die in unterschiedlicher Weise betroffen waren. Einige von ihnen hat die Radolfzeller Lokalredaktion nun erneut besucht und mit ihnen einen Blick zurück und auf die aktuelle Situation geworfen.

Nur noch der Stoff ist geblieben

Sandra Kuppinger schüttelt mit dem Kopf und lacht gleichzeitig, wenn sie an die Corona-Zeit zurückdenkt. „Es war verrückt“, sagt die Frau, die nebenberuflich eine Änderungsschneiderei in Gaienhofen betreibt. Vier Wochen lang herrschte 2020 in ihrer Werkstatt Ausnahmezustand. Ihr sei recht früh in der Pandemie die Idee gekommen, Corona-Masken aus bunten Stoffen zu nähen. Einmal in der Woche übernahm sie das ehrenamtlich, etwa für soziale Einrichtungen, den Rest der Woche nahm sie Bestellungen an, sagt Kuppinger. „Ich habe von 7 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts durchgenäht. Meine Kinder haben den Telefondienst übernommen und die Bestellungen aufgeschrieben“, erzählt sie rückblickend.

Die fertigen Masken habe sie dann draußen auf einem Tisch auf ihrer Terrasse drapiert, um Kontakt mit den Kunden zu vermeiden. Das Geld hätten sie dort liegen gelassen.

Sandra Kuppinger 2020 und 2025. Sie näht noch immer – allerdings keine Masken mehr.
Sandra Kuppinger 2020 und 2025. Sie näht noch immer – allerdings keine Masken mehr. | Bild: Anna-Maria Schneider/Jennifer Moog

Auch wenn es viel Arbeit war, sagt Kuppinger: „Das Nähen hat mich gerettet.“ Denn zu der Zeit habe in ihrem Brotjob Kurzarbeit geherrscht. So habe sie etwas zu tun gehabt und zudem noch etwas Geld verdient. Schade finde Kuppinger nur, dass sie die Corona-Hilfe, die sie beantragt hatte, fast komplett habe zurückzahlen müssen.

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Viel geblieben sei ihr aus der Zeit nicht. Dann erinnert sie sich aber doch an etwas. Sie kramt in einem Schrank und zieht diverse Stoffe aus einer Schublade. Die habe sie von damals noch übrig. Sie zeigt einen blauen Stoff mit Erdbeeren drauf, einen weiteren mit einem Ankeraufdruck. „Der lief gut“, sagt sie. Damals habe man nie gewusst, wie lange die Stoffe noch verfügbar sind, weil die Nachfrage danach plötzlich so groß war. Auch Gummis seien irgendwann rar geworden. Doch eins sei damals in Hülle und Fülle vorhanden gewesen: Zeit. Die habe sie genutzt, um gemeinsam mit ihren Töchtern neue Rezepte auszuprobieren.

Es gibt viele neue Herausforderungen

Fahrlehrer Mario Gallus und seine Frau Susanne hatten in der Corona-Zeit mit gleich mehreren Herausforderungen zu kämpfen. Neben vielen Verordnungen mussten sie mit wochenlangen Schließungen umgehen – und in der Folge mit einem regelrechten Stau an Fahrschülern.

Dieser sei mittlerweile zwar wieder abgebaut, erklären die beiden. Allerdings gebe es stattdessen andere Herausforderungen und andere Gründe für Verzögerungen. Ein großes Problem sei so nach wie vor ein Mangel an Fahrlehrern, außerdem die gestiegenen Kosten. Hinzu komme, dass die Anforderungen an die Fahrschüler gestiegen seien. Zum einen wurden so 2021 die Prüfzeiten erhöht, zum anderen hätten auch die Auflagen und Vorschriften zugenommen. „Man muss mit ihnen sehr viel mehr fahren, damit ihre Chancen auch größer werden“, erklärt Mario Gallus.

Mario Gallus im Jahr 2020 und mit seiner Frau Susanne im Jahr 2025. Mit Schwierigkeiten haben Fahrschulen noch immer zu kämpfen, sagen sie.
Mario Gallus im Jahr 2020 und mit seiner Frau Susanne im Jahr 2025. Mit Schwierigkeiten haben Fahrschulen noch immer zu kämpfen, sagen sie. | Bild: Julian Widmann/Laura Marinovic

Auch seien die technischen Anforderungen an die Schüler durch die zunehmende Technik in den Autos gestiegen. Das alles erfordere mehr Vorbereitungszeit in den Fahrschulen. Insbesondere bei nicht-deutschen Fahrschülern, bei denen zum einen noch eine Sprachbarriere bestehe, die sich zum anderen aber auch erst einmal an Deutschland und die hiesigen Verkehrsregeln gewöhnen müssen. Außerdem gebe es zum Teil auch Fahrschüler, die sich zwar anmelden, dann aber zum Teil monatelang nicht zum Unterricht kommen. Und durch den Ganztagesunterricht sei es auch schwieriger, Termine auszumachen, wenn die Fahrschüler noch zur Schule gehen. Auch das führt zu Verzögerungen.

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„Das kommt alles zusammen“, sagt Mario Gallus. Der Fahrschule bleibe daher nichts anderes übrig, als bei zu großer Nachfrage Aufnahmestopps zu verhängen. „Es geht nicht anders“, betont Susanne Gallus. Auch sei ihre Schule nicht die einzige, die mit den Problemen zu kämpfen habe. Die Suche nach noch freien Plätzen nehme daher bei den Schülern zu.

Belastungen für Jugendliche bestehen weiter

Claudia Riedlinger weiß als Psychologin an der Psychologischen Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern in Radolfzell, wie es um Kinder und Jugendliche gestellt ist. Und sie konnte in der Corona-Pandemie von massiven Belastungen berichten, Isolation, Homeschooling und andere Einschränkungen und Sorgen führten damals zu mehr Kindern und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen oder Auffälligkeiten. 

Mittlerweile hat sich das entspannt, wie sie berichtet: „Bei vielen Kindern und Jugendlichen sind die Familien zum Alltag zurückgekehrt.“ Allerdings gebe es nach wie vor eine nicht zu vernachlässigende Gruppe, die weiterhin sehr belastet sei. Ob das wirklich an Corona liegt, sei schwer nachzuvollziehen. Denn seither ist viel passiert, es gibt neue Sorgen und Belastungen, etwa den Ukraine-Krieg oder die Inflation. Allerdings gebe es durchaus Fälle, bei denen Kinder zum Beispiel nicht oder schlecht lesen können, weil die Eltern nicht in der Lage waren, mit dem Homeschooling die echte Schule zu ersetzen.

Claudia Riedlinger Anfang 2022 und 2025. Wie sie berichtet, sind Jugendliche und Kinder zum Teil nach wie vor belastet.
Claudia Riedlinger Anfang 2022 und 2025. Wie sie berichtet, sind Jugendliche und Kinder zum Teil nach wie vor belastet. | Bild: Marinovic, Laura

Ein weiteres Problem, mit dem Jugendliche und Kinder zu kämpfen haben, sei ein erhöhter Leistungsdruck, vor allem in der Schule – auch in niedrigen Klassen. Und: „Mobbing ist ein wirklich ein großes Thema“, sagt Claudia Riedlinger. Hier zeige sich die Kehrseite der sozialen Medien, denn über diese sei es viel leichter geworden, diffamierende Nachrichten zu verbreiten. Und auch das Thema Einsamkeit spiele bei Kinder und Jugendlichen eine Rolle.

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Wichtig sei, ihnen schnell und unkomplizierter zu helfen – also die Kapazitäten von Beratungs- und Therapiemöglichkeiten zu erhöhen und die Wartezeiten auf einen Therapieplatz verringern. Allerdings sieht Claudia Riedlinger auch Eltern gefragt. Es sei wichtig, Kinder und Jugendliche zu unterstützen, ihnen Aufmerksamkeit zu schenken und für sie da zu sein – auch, um Veränderungen schnell zu erkennen.