Wie ein Brennglas habe die Corona-Pandemie die mangelhafte Digitalisierung an den Radolfzeller Schulen plötzlich erkennbar gemacht. Dieses Bild entwarf FDP-Stadtrat und Fraktionssprecher Jürgen Keck in der jüngsten Sitzung des Ausschuss für Bildung, Soziales und Sicherheit. Durch den Lockdown habe man auf einen Schlag gemerkt, wie viel eigentlich versäumt worden sei. Ein strukturierter Fahrplan zur Digitalisierung der Grund- und weiterführenden Schulen sei „dringend nötig“, so Keck weiter.

Und dieser ist nicht nur sehr umfangreich, sondern auch ziemlich teuer, trotz Zuschüssen. In der Sitzung gaben Brigitte Reichmann von der Abteilung Schulen und Sport sowie Anke Schlums vom Bildungsmanagement einen Sachstandbericht über den Abruf an Fördermitteln aus dem Digitalpakt und dem allgemeinen Fahrplan zur Digitalisierung der Schulen der Stadt.

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Bis zum Jahr 2023 müssten für die Digitalisierung der Radolfzeller Schulen insgesamt 2,3 Millionen Euro investiert werden. Zu den größten Posten gehört nicht nur die Ausstattung mit digitalen Endgeräten, sondern auch die Verkabelung, Stromversorgung und die grundlegende Einrichtung von schnellen Internetleitungen. „Wir wissen noch nicht genau, wo wir in den Gebäudebestand eingreifen müssen. Das wird noch ein spannender Faktor“, sagt Brigitte Reichmann, Abteilungsleiterin Schulen und Sport.

Erst braucht alles Strom, dann kann man weitermachen

Dieser Punkt stehe auf der Prioritätenliste weit oben, denn es bringe nichts, die Schulen mit Smartboards und Displays auszustatten, wenn das Stromnetz diese technischen Geräte nicht aushalten könne. Eine strukturierte Verkabelung der Schulen koste laut aktueller Planung rund 820.900 Euro. Nicht inbegriffen sei eine etwaige Modernisierung am Stromnetz der Schulen selbst.

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Eine abgeschlossene, moderne Verkabelung haben in Radolfzell bisher nur das Friedrich-Hecker-Gymnasium und die Ratoldusschule. Die Grundschulen Böhringen und Markelfingen sollen noch dieses Jahr fertig gestellt werden. Die übrigen Schulen folgen 2022 und 2023. Digitales Schlusslicht in fast allen Bereichen ist die Grundschule Liggeringen. Hier ist die Verkabelung erst auf 2023 eingetaktet und als einzige Schule hat sie auch noch keinen Glasfaseranschluss, sondern nur eine Kupferleitung.

Stadt hat erst einen Medienentwicklungsplan gefordert

Ebenfalls sei der von der Stadt Radolfzell geforderte Medienentwicklungsplan für die Grundschule Liggeringen, aber auch für die Grundschule Güttingen und die Ratoldusschule, noch nicht fertig gestellt, erklärt Reichmann. Alle anderen Schulen hätten diesen mittlerweile mit Hilfe des Kreismedienzentrums abgeschlossen. Damit sei Radolfzell weiter als der Schnitt im Land, so Reichmann. Darauf könne man stolz sein. Denn laut Kreismedienzentrum seien landesweit erst rund 50 Prozent aller Medienentwicklungspläne fertig, klärte sie auf.

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Einen Vorteil hat Radolfzell durch die jetzt fertigen Medienentwicklungspläne allerdings nicht. Denn die Landesregierung hatte im Sommer 2020 den Zugang zur Förderung durch den Digitalpakt gelockert. Ein fertiger Medienentwicklungsplan muss im Kultusministerium erst bei Abrechnung der Maßnahmen vorgelegt werden, nicht schon vor der Bestellung. So allerdings wollte es die Radolfzeller Stadtverwaltung, die „hausintern“ beschlossen hatte, erst die Pläne zu konzipieren, bevor Maßnahmen ergriffen würden.

Lehrer sind mit Endgeräten versorgt

Während andere Kommunen ihre Schulen bereits ausgestattet haben, wurde in Radolfzell noch an Konzepten und Anträgen gearbeitet. Gelder erhalten hat die Stadt aus den Corona-Sofortausstattungsprogrammen trotzdem. Man habe alle Lehrer der Stadt mit digitalen Endgeräten versorgen und insgesamt fast 400 Geräte für die Schüler anschaffen können, rechnet Reichmann vor.

Von den rund 2,3 Millionen Euro, die die gesamte Digitalisierung der Radolfzeller Schulen kosten soll, muss die Stadt einen Eigenanteil von etwa 1,3 Millionen Euro selbst aufbringen. „Der jetzige Plan enthält keine Luftschlösser, wir haben eine Menge aufzuholen“, erklärt Anke Schlums, Abteilungsleiterin Bildungsmanagement. In vielen Grundschulen sei praktisch keine Infrastruktur vorhanden gewesen, die Stadt müsse hier erst alles aufbauen.

Doch nachdem Strom und Glasfaserkabel, Tablets und Displays in den Schulen angeschafft wurden und werden, stellt sich noch die Frage der Wartung. Jürgen Keck brachte den Begriff „digitaler Hausmeister“ ins Spiel, den es so allerdings nicht gebe, wie Schlums und Reichmann erklärten.

Einzelne Schulen hätten Verträge mit IT-Dienstleistern, die sich um die technischen Belange kümmerten, bei anderen Schulen müsste man sich erst ein Konzept überlegen. Gerne würde man Stellen bei der Stadt selbst schaffen, die als konstanter Ansprechpartner für die Grundschulen da wären, doch Anke Schlums dämpfte die Hoffnung auf solch eine Personalie. „Der Markt ist ziemlich leer und der Tarifvertrag nicht sonderlich attraktiv“, erklärt sie.