Der Wunsch nach einem Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) beschäftigt die Radolfzeller weiter. So befasste sich der Gemeinderat in seiner jüngsten Sitzung mit dem Einwohnerantrag vom 29. August, ein solches zu gründen, den der Ortsverband der Freien Wähler initiiert hatte. Da ausreichend Unterschriften zusammengekommen waren, ließ die Verwaltung den Antrag zu. Der Gemeinderat musste sich daher abermals mit dem Thema beschäftigen, obwohl der Rat einen wortgleichen Antrag der Freien Wähler bereits im September deutlich abgelehnt und das weitere Vorgehen der Stadt einstimmig beschlossen hatte.

Die Vertrauenspersonen des Antrags – Peter Blum, Sascha Hein und Renate Schittek von den Freien Wählern – trugen diesen in der Sitzung vor. Erstens beantragten sie, die Verwaltung damit zu beauftragen, mit dem GLKN eine Vereinbarung zur MVZ-Gründung zu schließen, um die ambulante Gesundheitsversorgung in Radolfzell sicher zu stellen. In einem zweiten Punkt beantragten sie, alternativ solle der Spitalfonds ansonsten selbst ein kommunales Medizinisches Versorgungszentrum gründen. Dabei sei zu prüfen, ob das ehemalige Krankenhaus als Standort in Frage kommt.

Darum braucht es laut den Antragstellern ein MVZ

Die Antragsteller begründeten ihr Anliegen mit der Sorge der Bürger um die medizinische Versorgung, die der Gemeinderat wahrnehmen solle. „In vielen persönlichen Gesprächen haben wir die Gewissheit bekommen, dass dieses Thema die Radolfzeller Bürgerschaft umtreibt“, erklärten die Antragsteller. Die Bürger hätten die Erwartung, dass Stadt und Gemeinderat mehr tun müssten – auch im Hinblick auf das am gleichen Tag beschlossene MVZ in Singen.

„Es wird Zeit, in die Puschen zu kommen. Wir können nicht ewig prüfen und warten“, sagte Jürgen Keck (FDP).
„Es wird Zeit, in die Puschen zu kommen. Wir können nicht ewig prüfen und warten“, sagte Jürgen Keck (FDP). | Bild: Becker, Georg

Der Antrag sei notwendig, um schnell voranzukommen, die im Krankenhaus verbliebenen und weitere Arztpraxen in Radolfzell zu halten und eine moderne Gesundheitsversorgung zu schaffen. „Nicht irgendwann, nicht nach der Entscheidung über einen Krankenhausstandort, sondern jetzt“ brauche es ein MVZ, um die Versorgung zu sichern, so der Appell.

Diskussionen und Vorwürfen zwischen Fraktionen

Doch außerhalb der Fraktion der Freien Wähler stießen der Antrag sowie dessen Begründung und die Vorwürfe, Stadt und Gemeinderat täten zu wenig, auf wenig Gegenliebe. Zwar argumentierten die Unterstützer, wenn der Spitalfonds das Pflegeheim mit 27 Millionen Euro stemmen kann, so seien weitere 200.000 Euro Anschubfinanzierung für ein MVZ, das sich später selbst trage, auch möglich. Doch Siegfried Lehmann (FGL) wies daraufhin, dass das MVZ in Konstanz tatsächlich rote Zahlen schreibe. Martina Gleich nannte diese Denkweise daher „fahrlässig“.

„Wir dürfen das nicht mit dem Thema Krankenhaus verknüpfen“, sagte Siegfried Lehmann (FGL) über den Antrag und die ...
„Wir dürfen das nicht mit dem Thema Krankenhaus verknüpfen“, sagte Siegfried Lehmann (FGL) über den Antrag und die Möglichkeit eines MVZ. | Bild: Jarausch, Gerald

Lehmann warf den Freien Wählern abermals eine falsche Darstellung sowie das Ignorieren von Fakten vor. Ein MVZ sei kein abgespecktes Krankenhaus, in dem Notfälle versorgt und weitere Patienten behandelt werden können. Stattdessen könnten dort nur Ärzte unterkommen, die bereits einen Sitz vor Ort haben. Da die Kassenärztliche Vereinigung eine Obergrenze hierfür festlege, bringe ein MVZ keine weiteren Ärzte nach Radolfzell – und damit keine bessere medizinische Versorgung der Bürger.

Tatsächlich bestehe nur auf der Höri ein Ärztemangel, nicht in Radolfzell. Dieser werde aber nicht beseitigt werden, wenn die Arztsitze in einem MVZ in Radolfzell gebündelt würden. „Das wäre absolut unsolidarisch“, kritisierte Lehmann.

Zu wenig getan? Gemeinderäte wehren sich gegen Vorwürfe

Zudem wies er daraufhin, dass sich die Stadt und die übrigen Fraktionen bereits frühzeitig um eine andere Lösung gekümmert und das weitere Vorgehen in der vergangenen Gemeinderatsitzung einstimmig beschlossen haben. Dort ist die Möglichkeit, ein MVZ im ehemaligen Krankenhaus zu gründen, explizit genannt. „Der Vorwurf, wir würden zu wenig machen, ist fahrlässig“, kritisierte er.

„Dieser Vorwurf ist bodenlos“, sagte Norbert Lumbe (SPD) über die Kritik, Stadt und Räte hätten zu wenig getan.
„Dieser Vorwurf ist bodenlos“, sagte Norbert Lumbe (SPD) über die Kritik, Stadt und Räte hätten zu wenig getan. | Bild: Jarausch, Gerald

Christof Stadler erinnerte daran, auch die CDU habe im April schon einen eigenen Antrag gestellt. Und auch Norbert Lumbe (SPD) bezeichnete den Vorwurf als „bodenlos“. Man habe in der vergangenen Sitzung alles auf den Weg gebracht, was laut Fachleuten möglich sei. Dietmar Baumgartner (FW) hielt jedoch entgegen, der Antrag sei für ihn ein „normaler demokratischer Prozess – beantragen, diskutieren und abstimmen“.

Einwohnerantrag rechtlich teils nicht umsetzbar

Zudem machten Lehmann und Bernhard Diehl (CDU) deutlich, Punkt zwei des Antrags, der Spitalfonds solle selbst ein MVZ gründen, sei auch unabhängig von dessen finanzieller Situation nicht umsetzbar, da der Spitalfonds dies rechtlich gar nicht könne. Laut Martina Gleich (CDU) werde den Bürgern durch den Antrag daher etwas vorgemacht, was gar nicht möglich sei. Laut Fraktionskollege Christof Stadler werde das Kernproblem einer fehlenden Notfallambulanz in Radolfzell und von zu wenig solcher Kapazitäten in Singen durch ein MVZ ohnehin nicht gelöst.

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Die Stadträte der Freien Wähler und auch der FDP verteidigten den Antrag hingegen erneut. „Die Bürger wollen die Sicherheit haben, dass etwas passiert. Es braucht eine klare Perspektive“, so Gabriel Deufel. Er habe mit Ärzten gesprochen, die sich einen Umzug in ein MVZ vorstellen könnten. Jürgen Keck (FDP) drängte: „Es wird Zeit, in die Puschen zu kommen. Wir können nicht ewig prüfen und warten.“

Antrag abgelehnt – aber kommt doch irgendwann ein MVZ?

Walter Hiller (FW) wies auf weitere Vorteile eines MVZ hin. Da dort auch Ärzte in Teilzeit arbeiten könnten, sei es für viele angehende Ärzte attraktiver als eine eigene Praxis. Man solle den Wunsch nach einem MVZ daher nicht einfach ablehnen. Stattdessen schlug er vor, die Stadt solle künftig das Gespräch mit der Ärzteschaft suchen, ob ein solcher Wunsch bestehe, um frühzeitig eine Option zu schaffen, falls Ärzte keine Nachfolger finden für ihre Praxissitze. Dem stimmten auch Christof Stadler und Siegfried Lehmann. „Wir dürfen das aber nicht mit dem Thema Krankenhaus verknüpfen“, so der FGL-Mann.

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In namentlichen Abstimmung stimmte schließlich die Mehrheit der Räte gegen den Einwohnerantrag. Teil eins, dass der GLKN ein MVZ gründen müsse, befürworteten nur die Räte der Freien Wähler und der FDP sowie Thilo Sindlinger (FGL). Teil zwei zur Einrichtung eines MVZ durch den Spitalfonds stand gar nicht zur Abstimmung, da er rechtlich nicht umsetzbar wäre. Stattdessen stimmte der Gemeinderat abermals einstimmig dafür, den in der vergangenen Sitzung vorgeschlagenen Weg der Stadtverwaltung weiterzuverfolgen. Und der schließt ein MVZ nicht aus.